Francis Jean Marcel Poulenc [fʀɑ̃ˈsis puˈlɛ̃k] (* 7. Januar 1899 in Paris; † 30. Januar 1963 ebenda) war ein französischer Pianist und Komponist.
Francis Poulenc und Wanda Landowska.
Leben und Werk
Poulenc wurde in Paris geboren. Seine Mutter brachte ihm das Klavierspielen bei, Musik war fester Bestandteil des Familienlebens. Mit 15 Jahren wurde er Klavierschüler von Ricardo Viñes; „je lui dois tout“ („ihm verdanke ich alles“), sagte er 1953 in einem Interview.
1918, noch während er den Militärdienst absolvierte, komponierte er drei Miniaturen. Ab 1921 erhielt er eine musikalische Ausbildung durch Charles Koechlin.
Von Igor Stravinsky und Maurice Chevalier ebenso beeinflusst wie vom französischen Vaudeville, stieß Poulenc nach dem Ersten Weltkrieg zu einer Gruppe junger Komponisten um Erik Satie und den Schriftsteller Jean Cocteau, genannt Les Six, deren Mitglieder den Impressionismus zugunsten einer größeren Einfachheit und Klarheit ablehnten.
Einiges vom Stil der Six fand Eingang in Poulencs eigene musikalische Arbeit. Er übernahm Techniken der Dadaisten und ließ sich von populären Melodien beeinflussen. Eine charmante Vulgarität erschien ihm wichtiger als das vorgeblich tiefe Gefühl der Romantik. Er war ein herausragender Pianist, und die Klaviermusik dominiert Poulencs frühe Werke. Seine Freundschaft mit einigen Dichtern des Montparnasse, darunter Guillaume Apollinaire und Paul Éluard, führte zur Komposition zahlreicher Lieder zu deren Texten. Auch für den gleichaltrigen Bariton Pierre Bernac (1899–1979), den er 1926 kennenlernte und 25 Jahre lang (1934–1959) als Pianist begleitete, schrieb er viele Lieder.
1936 wandte er sich nach dem Unfalltod seines Freundes, des Komponisten und Kritikers Pierre Octave Ferroud, und dem Besuch der schwarzen Madonna von Rocamadour dem katholischen Glauben zu. In seinen Kompositionen schlug sich das in einer Reihe geistlicher Werke nieder, die oft als seine wichtigsten Arbeiten gesehen werden, auch wenn er selbst seinen Schwerpunkt in der Komposition von Opern sah.
Im Sommer 1943 komponierte Poulenc die Kantate für Doppelchor a cappella Figure humaine („Menschliches Antlitz“)[1]. Auch darin vertonte er Gedichte seines Lieblingsdichters Paul Éluard. Während der Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs erhielt Poulenc immer wieder anonym Texte aus dem französischen Widerstand, darunter auch solche, die er als Gedichte von Éluard identifizierte. In diesen Gedichten wurde mehr oder weniger versteckt zum Widerstand aufgerufen. In dem berühmten Gedicht Ode à la liberté, das den Schluss der Komposition bildet, geschieht dies sehr offen. Poulenc musste diese Texte heimlich vertonen. Er ließ sie durch den Verleger Paul Rouart heimlich drucken, damit sie am Tage der ersehnten Befreiung sogleich aufgeführt werden konnten. Poulenc verstand sein Werk als einen Akt des Glaubens und der Zuversicht. Dies war für ihn auch der Grund für die Beschränkung auf die menschliche Stimme, den Verzicht auf Instrumente. Die Komposition wurde noch vor Ende des Krieges nach England geschmuggelt, wo sie im Januar 1945 in einer englischen Übersetzung uraufgeführt wurde. Die französische Erstaufführung fand erst im Jahr 1947 statt.
Für seine erste Oper, 1947 an der Komischen Oper von Paris uraufgeführt, verwendete Poulenc wiederum Texte von Apollinaire als Inspiration und arbeitete auf der Grundlage von dessen Les mamelles de Tirésias.
Die Oper Dialogues des Carmélites von 1957, im Auftrag von Ricordi für die Mailänder Scala komponiert, ist Poulencs wohl bekannteste. Die Handlung basiert auf dem Schicksal der 16 Karmelitinnen von Compiègne, die während der Französischen Revolution durch die Guillotine hingerichtet wurden, und auf dem Roman Die Letzte am Schafott von Gertrud von le Fort. Poulencs letzte Oper war eine Tragödie in einem Akt, genannt La voix humaine (Die menschliche Stimme) und wurde am 6. Februar 1959 an der Komischen Oper in Paris uraufgeführt.
Außer diesen Opern schrieb Poulenc je ein Konzert für Orgel, Cembalo, Klavier und zwei Klaviere, weiterhin Messen sowie zahlreiche kammermusikalische Werke. Dabei bediente er sich immer wieder bei den Vorbildern Mozart und Saint-Saëns. Seit 1995 werden seine Werke mit dem Francis Poulenc Werkverzeichnis (FP) gesammelt. Seit 1958 war er Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters.[2]
Die Beziehung zwischen Poulenc und Bernac ging weit über das gemeinsame Konzertieren hinaus. Manche Autoren betrachten heute Poulenc als einen der ersten Komponisten, der öffentlich zu seinen homosexuellen Neigungen stand.[3] So ist bekannt, dass er eine erste feste Beziehung mit dem Maler und Designer Richard Chanlaire (1896–1973) hatte: “You have changed my life, you are the sunshine of my thirty years, a reason for living and working.”[4] An anderer Stelle bekannte er: “You know that I am as sincere in my faith, without any messianic screamings, as I am in my Parisian sexuality.”[5] Ihm widmete er 1928 sein Concerto champêtre. Zwar hatte Poulenc auch mehrere Beziehungen mit Frauen, die Vaterschaft für seine Tochter Marie-Ange gab er jedoch nie öffentlich zu. Auch sein Geständnis, seine sehr gute Freundin Raymonde Linossier nicht begehrenswert gefunden zu haben, obwohl er beabsichtigte sie zu heiraten (ihr Tod 1930 verhinderte dies), stellt sein wahres Interesse an Frauen mehr in Frage.
Francis Poulenc starb am 30. Januar 1963 in Paris an Herzversagen. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris.
Werke
Die Abkürzung „FP“ bezieht sich auf das Werkverzeichnis von Carl B. Schmidt; siehe Literatur
Bühnenwerke
Musik zum Ballett „Les Biches“ FP36 (Die Hindinnen, 1922/23), brachte den Durchbruch.
Les animaux modèles – Ballettmusik nach Fabeln von Jean de La Fontaine FP111 (1940)
L'Histoire de Babar, le petit éléphant FP129 (Die Geschichte von Babar, dem kleinen Elefanten, 1940–1945), Vertonung des ersten Bandes der Babar-Serie von Jean de Brunhoff
Les mamelles de Tirésias (Opéra bouffe) (1947)
Dialogues des Carmélites (Oper) FP159 (1957)
La Voix Humaine (Oper) FP171 (1959)
Filmmusik
La Belle au bois dormant FP76
La Duchesse de Langeais FP116
Le Voyageur sans bagage FP123
La Nuit de la Saint-Jean FP124
Le Voyage en Amérique FP149
Geistliche Werke
Processional pour la crémation d'un mandarin FP1
Litanies à la Vierge Noire (1936)
Messe in G-Dur FP89 (1937)
Quatre motets pour un temps de pénitence FP97 (1938–1939), im Einzelnen werden hierunter folgende vier Motetten zusammengefasst:
Timor et tremor
Vinea mea electa
Tenebrae factae sunt
Tristis est anima mea
Exultate Deo FP109 (1941)
Quatre petites prières de Saint François d’Assise FP142 (1948)
Stabat mater FP148 (1950)
Quatre motets pour le temps de Noël FP152 (1952), umfasst die Motetten
O magnum mysterium
Quem vidistis pastores dicite
Videntes stellam
Hodie Christus natus est
Gloria FP177 (1959), Uraufführung in Boston (1961)
Salve Regina, SATB, Mai 1941
Weitere Chorwerke
Sept chansons pour chœur mixte (1936)
Un soir de neige (1944)
Figure humaine – Kantate für Doppelchor a cappella FP120 (Menschliches Antlitz, 1943), Uraufführung im Januar 1945 in London
Chanson à boire
Kammermusik
Sonate für 2 Klarinetten op. 7 FP7 (1918/1945)
Sonate für Klavier zu vier Händen FP8 (1918)
Sonate Nr. 1 für Violine und Klavier op. 12 FP12 (1918)
Quatuor à cordes I FP28 (1921), vernichtet?
Sonate für Klarinette und Fagott op. 32 FP32 (1922/1945)
Sonate für Horn, Trompete und Posaune op. 33 FP33 (1922/1945)
Sonate Nr. 2 für Violine und Klavier op. 39 FP39 (1924)
Trio für Oboe, Fagott und Klavier op. 43 FP43 (1926)
Sonate Nr. 3 für Violine und Klavier op. 54 FP54 (1929)
Villanelle für Blockflöte und Klavier op. 74 FP74 (1934)
Suite française für 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Schlagzeug und Cembalo op. 80 FP80 (1935)
Sextett für Klavier und Bläserquintett op. 100 FP100 (1932–39)
Sonate Nr. 4 für Violine und Klavier op. 119 FP119 (1942–43/1949)
Quatuor à cordes II FP133 (1945–47), vernichtet
Sonate für Violoncello und Klavier op. 143 FP143 (1940–48)
Trois mouvements perpétuels für 9 Instrumente op. 14 FP14 (1946)
Sonate für Flöte und Klavier op. 164 FP164 (1956–57)
Elégie für Horn und Klavier op. 168 FP168 (1957)
Sarabande für Gitarre op. 179 FP179 (1960)
Sonate für Klarinette und Klavier op. 184 FP184 (1962)
Sonate für Oboe und Klavier op. 185 FP185 (1962)
Klavierwerke
Impromptus [6] FP21 (1920–21, rev. 1924 und 1939)
Trois Études de Pianola FP26
Nocturnes [1–8] FP56 (1930–38)
Feuillets d’album FP68 (1933)
Improvisations 13–14 FP170 (1958)
Improvisation 15 FP176 (Hommage an Edith Piaf, 1959)
Lieder
Banalités (1940)
Tel jour tel nuit (1937)
Sept chansons d'Apollinaire et d'Eluard (1936)
Deux poèmes de Louis Aragon (1943)
Cinq poèmes de Paul Eluard (1934)
Épitaphe (1930)
Le Bestiaires (1919)
Allons plus vite (1937)
Dans le jardin d'Anna (1937)
Miroir brulantes (1937)
La Grenouillère (1937)
Chansons gaillardes FP42 (1925–26)
Airs chantés FP46 (1927)
Métamorphoses FP121 (1943)
La Travail de peintre FP161 (1956)
Orchesterwerke
Discours du général und La Baigneuse de Trouville FP23 Nr. 2 (aus dem Sammelwerk Les Mariés de la Tour Eiffel der Group des Six, 1921)
Suite „Napoli“ FP40 (1922), mit berühmten Caprice Italien
Concert champêtre für Clavecin und Orchester FP49 (1927–1928), für Wanda Landowska, Richard Chanelaire gewidmet
Aubade Choreographisches Konzert für Klavier und 18 Instrumente FP51 (1929)
Konzert für zwei Klaviere und Orchester d-Moll FP61 (1932)
Concerto pour orgue, cordes et timbales en sol mineur (Konzert für Orgel, Streicher und Pauke g-Moll) FP93 (1938)
Sinfonietta FP141 (1947)
Klavierkonzert cis-Moll FP146 (1950)
Literatur
George Russell Keck, Francis Poulenc. A bio-bibliography, New York: Greenwood Press 1990, ISBN 0-313-25562-8
Wilfrid Mellers, Francis Poulenc, Oxford & New York: Oxford University Press 1993, repr. 2003, ISBN 0-19-816338-X
Francis Poulenc, Correspondence 1910–1963, hrsg. von Myriam Chimènes, Paris: Fayard 1994, ISBN 978-2213030203
Carl B. Schmidt, The Music of Francis Poulenc: A Catalogue, Oxford & New York: Oxford University Press 1995, repr. 2002, ISBN 978-0198163367 (das allgemein gültige Werkverzeichnis, enthält 185 Werke in chronologischer Reihenfolge)
Carl B. Schmidt, Entrancing Muse: A Documented Biography of Francis Poulenc, Woodbridge, Suffolk: Boydell and Brewer 2001, ISBN 978-1576470268
Francis Poulenc, J'écris ce qui me chante. Textes et entretiens, hrsg. von Nicolas Southon, Paris: Fayard 2011, ISBN 978-2-213-63670-2
Barbedette, Leïla (unter der Aufsicht von Marie-Hélène Benoit-Otis):1943. "Figure humaine": renaître de l'Occupation. In: Nouvelle histoire de la musique en France (1870-1950). unter der Leitung "Musique en France aux XIXe et XXe siècle: discours et idéologies" Team, 31.August 2021 (oicrm.org).
Champagne, Mario (2002): Francis Poulenc (Memento vom 4. Oktober 2009 im Internet Archive), abgerufen am 5. Januar 2010.
Benjamin Ivry: Francis Poulenc. 20th-Century Composers series. Phaidon Press Limited, 1996, ISBN 0-7148-3503-X.
Robert Aldrich, Gary Wotherspoon (Hrsg.): Who’s Who in Contemporary Gay & Lesbian History: From World War II to the Present Day. Routledge, New York 2001, ISBN 0-415-22974-X.
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