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Frieder Weissmann (* 23. Januar 1893[1] in Langen in Hessen; † 4. Januar 1984 in Amsterdam) war ein deutscher Dirigent und Komponist.

Dr. Frieder Weissmann (1927)
Dr. Frieder Weissmann (1927)

Leben und Werk


Weissmann wurde am 23. Januar 1893 in Langen/Hessen geboren. Standesamtlich lautet sein Vorname Samuel, den er – in der Form Semy oder Semmy – bis 1916 behielt. Danach bevorzugte er den Vornamen Friedrich oder Frieder in Kombination mit Samuel, welcher bald zu S. abgekürzt wird, bevor er ganz verschwindet. In den 1920er Jahren kommt als dritter Vorname Peter hinzu. Als Künstlernamen sind außerdem noch Ping-Pong[2] und Marco Ibanez[3] überliefert.

Aufgewachsen ist Weissmann in Frankfurt am Main, wo sein Vater Ignatz Isidor Weissmann (1863–1939) von 1894 bis 1937 Chasan der Hauptsynagoge war. Nach dem Abitur am Goethe-Gymnasium studierte er 1911 ein Semester Jura in Heidelberg, danach bis 1914 die Fächer Philosophie, Kunst- und Musikgeschichte an der Münchner Universität. In Heidelberg erhielt er Kompositionsunterricht bei Philipp Wolfrum, in München bei Walter Braunfels. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wagte er den ersten Schritt für eine Dirigentenkarriere und wurde Korrepetitor unter Ludwig Rottenberg an der Oper Frankfurt (1914/16). 1916/17 wurde er als zweiter Kapellmeister ans Stadttheater Stettin engagiert. Von 1917 bis 1921 arbeitete er als freier Konzertkapellmeister und Korrepetitor in Berlin, Frankfurt und München. In allen drei Städten trat er auch als Komponist in Erscheinung. 1920 wurde er an der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität mit einer Dissertation über den Komponisten Georg Abraham Schneider (1770–1839) zum Doktor der Philosophie promoviert. Es folgte 1921 ein Engagement als Korrepetitor und Dirigent an die Staatsoper Berlin, wo er bis 1924 unter Max von Schillings und Erich Kleiber arbeitete. Gleichzeitig begann auch Weissmanns jahrelange enge Zusammenarbeit mit dem Berliner Schallplattenkonzern Carl Lindström AG, für dessen Marken Parlophon und Odeon er bis 1933 rund 2.000 Schallplatteneinspielungen musikalisch leitete[4]. 1924 wechselte er als erster Kapellmeister ans Opernhaus von Münster (1924/25), anschließend in gleicher Funktion ans Opernhaus in Königsberg in Preußen. (1926/27). Von 1926 bis 1932 war er ständiger Gastdirigent der Dresdner Philharmonie. Ab 1930 kam es zur vermehrten Zusammenarbeit mit Rundfunkorchestern in Stuttgart und Hamburg. 1931 wurde er neben Ernst Kunwald Dirigent des Berliner Sinfonie-Orchesters, des vormaligen Blüthner-Orchesters, das im Herbst 1932 mit den Berliner Philharmonikern fusionieren musste. Mit den Berliner Philharmonikern konnte er bis Januar 1933 nur vier Konzerte dirigieren und eine Schallplatte (Ouvertüre zu Richard Wagners Oper Rienzi) einspielen.

1929 heiratete er seine langjährige Verlobte, die deutsche Sopranistin Meta Seinemeyer, die, an Leukämie schwer erkrankt, wenige Stunden nach der Trauung verstarb. Weissmann hatte die Sängerin bei all ihren Parlophon-Einspielungen und zahlreichen Konzerten in Dresden und Berlin begleitet.[5][6]

Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten sah sich 1933 auch Frieder Weissmann als Künstler jüdischer Abstammung[7] unmittelbar in seiner Existenz bedroht. Er verließ Deutschland im Juni 1933 und ging in die Niederlande, wo er mit dem Concertgebouw Orchester Amsterdam und dem Orchester der AVRO-Rundfunkgesellschaft Hilversum konzertierte. Es folgten von 1934 bis 1937 halbjährliche Aufenthalte – im Wechsel mit Holland – in Argentinien, wo er in Buenos Aires Konzerte bei Radio Splendid und am Teatro Colón dirigierte. In Buenos Aires heiratete Weissmann, der 1935 die argentinische Staatsbürgerschaft erlangt hatte, auch 1937 seine zweite Ehefrau Rosita Chevallier-Boutell. Nach seinem USA-Debüt Ende 1937 mit dem Cincinnati Symphony Orchestra verlegte er 1938 seinen Hauptwohnsitz nach New York, wo er im Sommer 1939 mit einer Reihe von Open-Air-Konzerten mit den New Yorker Philharmonikern im Lewisohn-Stadium Aufsehen erregte. Schallplatten nahm er nun zunächst bei Columbia Records (u. a. mit Risë Stevens), ab 1945 bei RCA Victor auf – eine Verbindung, die bis um 1950 bestand. Von 1939 bis 1947 leitete Weissmann, der 1944 amerikanischer Staatsbürger wurde, das New Jersey Symphony Orchestra und von 1942 bis 1958 das Philharmonische Orchester von Scranton (Pennsylvania).[8] Als Nachfolger von Artur Rodziński übernahm er von 1950 bis 1953 die Leitung des Orquesta Filarmónica de La Habana in Havanna, Kuba. Parallel zu den Festengagements entfaltete Weissmann ab 1945 eine rege Aktivität als Gastdirigent in den USA, in Kanada (Toronto, Montreal, Vancouver), Mexiko und den Niederlanden. Nach 1954 konzentrierte er sich auf Europa und wurde dort vor allem in Italien gefeiert, z. B. für einen Zyklus von Mahler-Symphonien, den er bereits Ende der 1950er Jahre begann und im März 1974 in Florenz mit der Aufführung von Mahlers Zweiter Sinfonie beschloss.[9]

Weissmann mit dem Odeon-Künstler-Orchester und Richard Tauber in einer Aufnahme von Grüß' mir mein Wien aus der Operette Gräfin Mariza (1932).
Weissmann mit dem Odeon-Künstler-Orchester und Richard Tauber in einer Aufnahme von Grüß' mir mein Wien aus der Operette Gräfin Mariza (1932).

Weissmann war eine zentrale Gestalt in der deutschen Schallplattenindustrie zwischen 1921 und 1933. Er war Lindströms zuverlässiger Hausdirigent,[10] der in der Regel bei den Aufnahmen das Orchester der Berliner Staatsoper, die Staatskapelle Berlin, bzw. einen aus Mitgliedern dieses Orchesters bestehenden ad-hoc-Klangkörper dirigierte. Weissmann arbeitete nicht nur bei der Einspielung zahlreicher Gesangs- und Opernaufnahmen mit den führenden Gesangs-Solisten der 1920er Jahre wie Gitta Alpár, Vera Schwarz und Richard Tauber zusammen, sondern leitete auch viele Aufnahmen rein orchestraler Musik ernsten wie heiteren Charakters. Sein Repertoire war äußerst breit gefächert und umfasste Operette und leichte Klassik ebenso wie die Hauptwerke der sinfonischen Literatur. Unter seiner Leitung entstanden zahlreiche Schallplattenerstaufnahmen, z. B. die erste Gesamteinspielung aller Beethoven-Sinfonien 1924/25. Herausragend sind seine elektrischen Einspielungen von Respighis Römische Brunnen[11] und Tschaikowskis Ouverture auf das Jahr 1812[12] auf. Er begleitete den Cellisten Emanuel Feuermann bei Max Bruchs Kol Nidrei[13] und die Pianisten Moriz Rosenthal und Karol Szreter[14] bei ihren Einspielungen von Chopins Klavierkonzert Nr. 1[15] und Beethovens Klavierkonzert Nr. 4.[16] Zu Weissmanns amerikanischen Einspielungen zählen Opernaufnahmen mit zahlreichen Stars der Metropolitan Opera wie den Sopranistinnen Zinka Milanov, Licia Albanese, Helen Traubel, dem Tenor Jan Peerce und dem Bariton Leonard Warren, sowie ein Konzert für Viola von Henri Casadesus,[17] welches ursprünglich Händel zugeschrieben worden war, mit William Primrose und der wohl ersten Schallplatteneinspielung von Max Bruchs Schottischer Fantasie Es-Dur für Violine und Orchester op. 46 mit dem Geiger Jascha Heifetz als Solisten.

Frieder Weissmann verstarb am 4. Januar 1984 in Amsterdam[18] und wurde zwei Tage später auf dem Friedhof Zorgvlied an der Seite des holländischen Malers Carel Willink, dem wenige Monate vorher verstorbenen Ehemann von Weissmanns Freundin Sylvia Willink, beerdigt.[19]

Am 22. April um 13:30 Uhr sollte ein Stolperstein vor den alten Eingang des Concertgebouw (Amsterdam) für Frieder Weissmann verlegt werden. Aufgrund von COVID-19 wurde die Verlegung erst am 18. August 2021 um 13:00 Uhr durchgeführt.[20]

Frieder Weissmanns Grab auf dem Amsterdamer Friedhof Zorgvlied
Frieder Weissmanns Grab auf dem Amsterdamer Friedhof Zorgvlied

Tondokumente (Auswahl)


Stolperstein für Dr. Frieder Weissmann
Stolperstein für Dr. Frieder Weissmann

DISMARC.org zählt 657 Einträge zu Weissmann auf.[21]

Die Rückseite mx. 6133 enthält eine Aufnahme von GMD Eduard Mörike.

aus: Parlophon / Beka [etc.] Hauptverzeichnis 1925/26, S. 8–9.

a) Ouverturen:

b) symphonische Musik:

aus: Parlophon / Beka Electric Hauptverzeichnis 1928/29, S. 40–42.

c) Opernmusik:

d) Operetten- und Unterhaltungsmusik:


Wiederveröffentlichungen



Radio-Konzertaufnahmen



Abbildungen



Literatur



Einzelnachweise


  1. nach Bunz 2016. Abweichende Daten geben Kürschners Musikkalender 1954 (* 23. Januar 1895) und Holmes 1982 (* 1898), vgl. musicsack.com
  2. bei Stengel-Gerigk sp.313
  3. Bunz 2016, S. 200f.
  4. vgl. Parlophon/Beka Electric Hauptverzeichnis 1928/29, S. 40–42, Diskographie bei Damians 78s Archivierte Kopie (Memento vom 13. März 2012 im Internet Archive) sowie Wahl S. 20 f.
  5. Eine ausführliche Diskographie der Aufnahmen, welche die Sopranistin Meta Seinemeyer (1895–1929) bei Parlophon machte und bei denen Weissmann das Begleitorchester (Grosses Opernorchester [Etikett]) dirigierte, bietet Vicki Kondelik seinemeyer.com. Copyright 2002.
  6. Zum Verhältnis Weissmann-Seinemeyer siehe auch youtube.com
  7. vergleiche: Stengel-Gerigk, S. 313.
  8. Bunz 2016.
  9. Bunz 2016, S. 344f.
  10. Vergleiche: Hauptverzeichnis 1928/29, wo ihm auf S. 40 attestiert wird: „Auffassung und Durchführung des von ihm bearbeiteten musikalischen Stoffes ist meisterhaft, seine Anpassungsfähigkeit an die besondere Aufgabe einer Schallplattenaufnahme außergewöhnlich. Die von Dr. Weißmann dirigierten Aufnahmen zeichnen sich durch ganz besondere Farbenpracht aus.“
  11. auf Parlophon P.8523 (mx. 2–21 358/359) und P.8524 (mx. 2–21 360/361)
  12. akustisch auf Parlophon P.1654 (mx. 6652, 6621) und P.1655 (mx. 6622, 6623), vgl. Hauptverzeichnis 1925/26, S. 17, und elektrisch auf Odeon O-6603 (xxB.8029, xxB.8030) und O-6604 (xxB.8031, xxB.8032)
  13. auf P.9500 (mx. 2-21 649 und 2-21 650), aufgenommen am 27. Januar 1930
  14. geboren 1899 in Lodz, Schüler von Egon Petri, nach einer Operation gestorben in Berlin am 20. März 1933.
  15. Parlophon P.9559 (mx. 2-21 697) Piano Concerto No. 1 in E minor, op. 11 (Chopin), aufgenommen am 1. Mai 1930 (dismarc.org)
  16. Parlophon P.9061 (mx. 2-8943 und 2-8942), P.1962 (mx. 2-8945 und 2-8946)(dismarc.org)
  17. Henri Casadesus (* 30. September 1879 in Paris – gest. am 31. Mai 1947 in Paris), Geiger und Musikverleger Henri Casadesus
  18. vgl. musicsack.com nach Frank/Altmann 1936 und supplement to the 1984 necrology (Music Library Association) 1986, S. 755.
  19. Bunz 2016, S. 360.
  20. Joost Galema: Stolperstein Gedenksteen voor dirigent die in de kieren... Hrsg.: NRC. 16. April 2021 (nrc.nl [abgerufen am 28. August 2021]).
  21. vgl
  22. Peter Sommeregger auf info-netz-musik; 26. Mai 2016; abgerufen am 26. Mai 2016.
Personendaten
NAME Weissmann, Frieder
ALTERNATIVNAMEN Weissmann, Fried; Weissmann, Samuel Peter Friedrich (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Dirigent und Komponist
GEBURTSDATUM 23. Januar 1893
GEBURTSORT Langen (Hessen)
STERBEDATUM 4. Januar 1984
STERBEORT Amsterdam

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[en] Frieder Weissmann

Frieder Weissmann (23 January 1893[1] – 4 January 1984) was a German conductor and composer.



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