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Hans Winterberg (* 23. März 1901 in Prag, Österreich-Ungarn; † 10. März 1991 in Stepperg, Deutschland)[1] war ein tschechisch-deutscher Komponist. Winterberg war Jude deutscher und tschechischer Kultur. Er stammte aus einer jüdischen Familie in Prag. Der Vater seines Vaters Leopold (Löwi) Winterberg war Rabbiner und Kantor in Aussig und später erster Rabbiner in Prag-Žižkov.[2] Winterberg emigrierte 1947[3] nach München in Bayern.

Hans Winterberg vor 1970
Hans Winterberg vor 1970

Leben


Mit neun Jahren wurde Winterberg Schüler der Konzertpianistin Therèse Wallerstein. Er studierte an der Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst zu Prag Musik (Komposition bei Fidelio F. Finke, Dirigieren bei Alexander von Zemlinsky) und am Prager Staatskonservatorium bei Alois Hába. Noch im Jahrgang 1939/40 war er zeitweise Kommilitone von Gideon Klein.[4] Seine Mutter Olga Winterberg, geboren am 3. März 1878, wurde am 30. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Am 4. August 1942 wurde sie ins Vernichtungslager Maly Trostinez transportiert und dort sofort nach der Ankunft im Gaswagen ermordet.[5] Ein Schicksal, welches viele der näheren Verwandten Winterbergs ereilte.[6]

Hans Winterberg vor 1950
Hans Winterberg vor 1950

Längere Zeit war Hans Winterberg als Korrepetitor in Brünn[7] und Gablonz an der Neiße, tschechisch Jablonec nad Nisou, tätig und komponierte.

Er schloss am 3. Mai 1930 die Ehe mit Maria Maschat (röm. kath.). Am 3. April 1935 wurde in Prag die gemeinsame Tochter Ruth Christine geboren. 1941 erhielten Mutter und Tochter die deutsche Staatsangehörigkeit und wurden ab 1942 postalisch getrennt von Hans Winterberg gemeldet.[8] Die Ehe wurde am 2. Dezember 1944 „im Sinne des Reichsehegesetzes“ geschieden. Am 26. Januar 1945[9] noch kam er als Jude ins Ghetto Theresienstadt. Nach eigenen Angaben war er dort unter anderen mit Alice Herz-Sommer - einer Pianistin - bekannt.

Am 8. Mai 1945 wurde er befreit und ging zunächst wieder zurück nach Prag und blieb dort noch zwei Jahre bevor er nach Bayern emigrierte.[10] In Prag entstanden nur noch wenige Werke bis zu seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 1947. Die Familie Winterberg gab bei der Volkszählung 1930 als Nationalität und Umgangssprache tschechisch an.[11] Hans Winterberg besaß somit weiterhin die Staatsbürgerschaft der ČSR und beantragte 1946 einen Reisepass. In einem Brief vom Ministerium für Schulerziehung und Aufklärung an das Außenministerium heißt es: "Das Ministerium bestätigt, dass der Komponist Hans Winterberg eine Auslandsreise unternehmen will, um nach seinen handschriftlichen Kompositionen zu suchen, die er vor dem Weggang ins Konzentrationslager Terezin in verschiedene europäische Staaten verschickt hatte. Im Auftrag des Ministers wird deshalb empfohlen, dem Genannten einen für alle europäischen Staaten gültigen Reisepass auszugeben."[12]

Er kam am 28. Januar 1948 nach Riederau (Dießen am Ammersee), zugezogen aus München vom Kapuzinerplatz 5 (Paulaner Bräuhaus), seiner ersten Meldeadresse 1947.[13] Seine geschiedene Frau und die gemeinsame Tochter strandeten schon am 27. Dezember 1945 als Vertriebene in Ammerland (Münsing).[14] Das Kirchdorf liegt mittig am Ostufer des Starnberger Sees rund 20 km von Riederau am Ammersee entfernt. Seine Tochter zog am 28. November 1953 in die Nähe ihres Vaters nach Dießen am Ammersee.

Winterberg wurde 1948 freier Mitarbeiter als Lektor beim Bayerischen Rundfunk und Musikpädagoge am Richard-Strauss-Konservatorium. Nach Umzügen wieder nach München und Wörthsee (Gemeinde) Ortsteil Steinebach, übersiedelte er 1969 nach Bad Tölz, wo er sich zurückgezogen ausschließlich der Komposition widmete. Trotz seiner Negativerfahrung bekannte er sich wiederholt zum Universalismus als „eine Art Brücke zwischen der Westkultur (also auch der deutschen) und der des Ostens“.[15] Er zählte sich „als Künstler zu jener Gruppe der einseitig Benachteiligten.“[16] Winterberg malte auch. Malerei und Musik waren die beiden künstlerischen Elemente, die schon von Kindheit an Hans Winterberg kennzeichneten. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er ab 1981 in Stepperg/Oberbayern, wurde aber in Bad Tölz/Oberbayern beigesetzt. Bad Tölz kennzeichnete die letzten fruchtbaren Jahre seines musikalischen Schaffens.

Winterberg war Mitglied der Künstlergilde Esslingen.


Werk


Sein kompositorisches Werk umfasst fast ausschließlich Instrumentalmusik. Er komponierte Orchesterwerke, eine Vielzahl an Kammermusikstücken und Klavierwerken, Hörspielmusiken sowie Vokalmusik. Im Verlaufe seiner Entwicklung setzte er sich sowohl mit den Werken Wagners und Claude Debussys, als auch mit der Wiener Schule, den Werken Schönbergs, Alexander von Zemlinskys, Alois Hábas, Béla Bartóks und Igor Strawinskis auseinander. Er vermochte all diese Anregungen in seinen Stil zu assimilieren und weiterzuentwickeln, ohne der Dodekaphonik zu folgen.

Stilistisch demzufolge eigenständig, setzte er besonders auf Polyrhythmik, die er meisterhaft beherrschte, wobei er die zugleich ablaufenden verschiedenen rhythmischen Strukturen so verdichtete und verwob, dass eine untrennbare Einheit, ein Zusammenklang als Klangeindruck entsteht. Die Polyrhythmik hinterließ nicht nur in Klavierkonzerten und -kompositionen, sondern auch in Balletten und Orchesterwerken ihre deutlichen Spuren. Kennzeichnend neben dieser großen musikalischen Vitalität ist für sein Werk weiterhin das Festhalten an thematisch-motivischen Prinzipien bei der Melodiekonzeption und an der thematisch-motivischen Verarbeitung.

Hans Winterberg 1921
Hans Winterberg 1921

Winterberg komponierte überwiegend in erweiterter, chromatisierter Tonalität, nicht zwölftönig und nicht mikrotonal.[17]

In seiner Kurzbiografie[18] beschreibt Winterberg seine Stilart als "Ursprünglich von Arnold Schönberg ausgehend, schließlich einen Weg polyrhythmischer und polytonaler Prägung gefunden."

Als der Bayerische Rundfunk Winterbergs erste Sinfonie „Sinfonia drammatica“ mit den Münchner Philharmonikern unter Karl List sendete, bezeichnete er selbst dieses Werk als eine Vorahnung der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges.[19]

Ende 1954 führte die Pianistin Magda Rusy auf einer Konzertreise, unter anderem in Österreich und Jugoslawien, Klavierwerke Winterbergs auf und fand damit großen Beifall.[20]

Besonders hervorzuheben sind eine Erstaufführung vom 13. November 1950 (Konzert für Klavier und Orchester; Agi Brand-Setterl, Klavier) und drei Uraufführungen vom 17./18. Januar 1949 in Mannheim (Sinfonia dramatica), vom 12. Februar 1952 (Suite für Streichorchester) und vom 13. Juni 1956 (Symphonischer Epilog) der Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Fritz Rieger.[21][22]

Der künstlerische Nachlass befindet sich heute im Sudetendeutschen Musikarchiv in Regensburg. Der Nachlass war bis 17. Juli 2015 aufgrund einer Festlegung im Rahmen des Überlassungsvertrages mit dem Sudetendeutschen Musikarchiv weder für die Öffentlichkeit noch für die Forschung zugänglich.[23]

Im November 2018 erschien der erste Tonträger überhaupt – mit Kammermusik von Hans Winterberg – bei Toccata Classics in London. Seit 2021 werden die musikalischen Werke von Hans Winterberg bei Boosey & Hawkes, dem weltweit größten Spezialverlag für klassische Musik, verlegt. Als editorial board fungiert das Exilarte Zentrum der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien unter der Leitung von Gerold Gruber. Die erste Druckausgabe erschien im November 2022 mit dem Werk "Sonate für Violoncello und Klavier" (1951).


Auflistung der Werke



Orchesterwerke


Ballettmusik


Kammermusik

Ammersee von Norden bei Föhn, Hans Winterberg 1956, Privatbesitz
Ammersee von Norden bei Föhn, Hans Winterberg 1956, Privatbesitz

Klaviermusik


Gesangswerke

Grabstelle Winterberg, Städt. Waldfriedhof Bad Tölz, Abteilung 42, Reihe 1, Grabnummer 5–6
Grabstelle Winterberg, Städt. Waldfriedhof Bad Tölz, Abteilung 42, Reihe 1, Grabnummer 5–6

Hörspielmusik


Gehobene Unterhaltungsmusik

unter dem Pseudonym Jan Iwéer, Radiomitschnitte in Privatbesitz[24]


Unterhaltungsmusik

unter dem Pseudonym Jan Iwéer, Sendungsmitschnitte des Bayerischen Rundfunks


Lehrbuch


Radiosendungen, Eigenproduktionen Bayerischer Rundfunk 1949–1981

(Quelle:[25])


Auszeichnungen





Quelle



Literatur



Einzelnachweise


  1. Sterbeurkunde Nr. 6/1991, Standesamt Rennertshofen vom 12. März 1991
  2. Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart - Hugo Gold, Brünn - Prag: Jüd. Buch- und Kunstverlag, 1934
  3. Schreiben Winterbergs an die Künstlergilde Eßlingen vom 21. März 1956
  4. Klassenbuch Prof. Alois Hába 1937–1940, Staatliches Konservatorium für Musik zu Prag.
  5. Aktion Reinhard Camps http://www.deathcamps.org/occupation/maly%20trostinec_de.html
  6. Datenbank der Holocaustopfer im Jüdischen Museum in Prag
  7. Deutsches Bühnenjahrbuch 1929 S. 331
  8. Meldebogen im Prager Stadtarchiv
  9. Deportations-Karte in der Jüdischen Gemeinde von Prag
  10. Brief vom 3. Januar 1968 an Fritz Kortner
  11. Census Tschechisches Nationalarchiv Prag
  12. Tschechisches Nationalarchiv Prag
  13. Meldekarte Dießen am Ammersee
  14. Meldekarte Gemeinde Münsing
  15. Thomas Stolle, Hans Winterberg, 1991
  16. Schreiben vom 8. Dezember 1963 an Alois Melichar, Komponist - Nachlass Alois Melichar in der Monacensia - Münchner Stadtbibliothek
  17. musica reanimata-Mitteilungen Nr.81, Oktober 2013 - Dr. Albrecht Dümling, S. 12.
  18. Eigene "Kurzbiographie" im Archiv des exil.arte Zentrums der mdw
  19. Schwäbische Landeszeitung Augsburg, 29. August 1955.
  20. Schwäbische Landeszeitung Augsburg, 26. März 1955.
  21. Gabriele E. Meyer, Landeshauptstadt München (Hrsg.): 100 Jahre Münchner Philharmoniker, Knürr, 1994.
  22. Alfons Ott: Die Münchner Philharmoniker, Peter Winkler Verlag, 1968, S. 43.
  23. Ulrich Trebbin: Bizarrer Nachlass-Streit - Forschen verboten (Memento vom 9. August 2015 im Internet Archive), br.de, 10. Juli 2015, abgerufen am 11. Juli 2015.
  24. Archiv Peter Kreitmeir, Hans Winterberg Enkel
  25. Hörfunkarchiv des Bayerischen Rundfunks
  26. Fruchtbares Erbe, 20 Jahre Sudetendeutscher Kulturpreis, Viktor Aschenbrenner 1974 - Verlagshaus Sudetenland - München
Personendaten
NAME Winterberg, Hans
KURZBESCHREIBUNG deutscher Komponist
GEBURTSDATUM 23. März 1901
GEBURTSORT Prag
STERBEDATUM 10. März 1991
STERBEORT Stepperg

На других языках


- [de] Hans Winterberg

[en] Hans Winterberg

Hans (in Czech known as Hanuš) Winterberg (23 March 1901 in Prague, Austria-Hungary — 10 March 1991 in Stepperg, Germany) was a Czech-German composer.



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