Hugo Herrmann (* 19. April 1896 in Ravensburg; † 7. September 1967 in Stuttgart) war ein deutscher Komponist, Organist, Chorleiter und NSDAP-Mitglied.
Herrmann stammte aus einer Lehrerfamilie und hatte zunächst selbst das Ziel, Volksschullehrer zu werden. Spätestens während seiner Studienzeit in Schwäbisch Gmünd kam sein schöpferisches Talent zu Tage. Seine erste Anstellung als Lehrer fand er 1914 in Reichenbach am Heuberg. Im Ersten Weltkrieg wurde er im Alter von knapp 22 Jahren schwer verwundet und daher 1918 entlassen. In seinen alten Beruf zurückgekehrt kam er nach einem kurzen Intermezzo in Balingen nach Ludwigsburg. Durch seine Arbeit mit dem Männerchorwesen wurde er darin bestärkt, sich der Musik zu verschreiben und nutzte die Nähe zu Stuttgart, um beim damaligen Direktor des Stuttgarter Konservatoriums Oskar Schröter die nötige Vorbereitung für ein Musikstudium zu erhalten. Seine nächste Station führte ihn an die Hochschule für Musik Berlin, wo er Klavier, Orgel, Komposition und Dirigieren studierte. Zu seinen Lehrern zählten hier Walther Gmeindl und insbesondere Franz Schreker dessen Meisterklasse für Komposition er besuchte. Seinen Lebensunterhalt verdiente Herrmann als Pianist und Organist und schon bald entstanden seine ersten Kompositionen. Nach seiner Studienzeit kehrte der Jungkomponist und -musiker nach Württemberg zurück, doch die wirtschaftliche Krise zwang ihn mit seiner jungen, als Pianistin bekannten Frau eine Konzertreise in die Vereinigten Staaten zu unternehmen.
Als Konzertmusiker, Organist und Kirchenchorleiter hätte er in Detroit oder zumindest in den USA bleiben können, doch schon zwei Jahre später kehrte das von Heimweh geplagte Ehepaar nach Deutschland zurück. Trotz – oder gerade wegen – dieser wohl eindrucksvollen Erfahrung eines Auswanderers gehörten diese beiden Jahre zu den prägendsten und formten das im Studium erlernte Handwerk zu einem ansehnlichen Personalstil. In den folgenden Jahren entstanden „über 90 Werke der verschiedensten Art mit durchaus eigener Prägung“.[1]
Zurück in Deutschland wurde er in Reutlingen sesshaft, arbeitete als Schullehrer und war als Organist an St. Wolfgang tätig, womit sich auch eine erste Schaffensphase für Orgelliteratur ergab. Doch er ließ den Blick über den Tellerrand schweifen und festigte den schon vorher bestehenden Kontakt zu Paul Hindemith, einer damals zentralen Figur unter den deutschen Komponisten. 1926 erhielt er durch Vermittlung von Hindemith den Auftrag zu einer Komposition für das Akkordeonwerk „Sieben Neue Spielmusiken“, welches den musikalischen Grundstein der Neuen Musik für das Akkordeon legen sollte und die lebenslange Bindung Hermanns an die Trossinger Harmonika-Fachschule begründete. In diesem Zusammenhang entstanden in den folgenden Jahren etliche Werke für Akkordeon. Im Jahr 1930 entstand im Auftrag des Stadttheaters Wiesbaden seine Oper „Vasantasena“, für die er einen Staatspreis erhielt, nach dem 1928 erhaltenen Schubert-Preis seine zweite wichtige Auszeichnung. Ab dem Jahr 1933 bekannte er sich in der Komposition von Männerchören zum nationalsozialistischen Regime und ließ ein Arrangement des Horst-Wessel-Lieds (NSDAP-Hymne: „Die Fahne Hoch“) für Akkordeon im Hohner-Verlag erscheinen.
1935 wechselte er seine Anstellung und war fortan an der Harmonika-Fachschule tätig. Dadurch verringerte sich die Kluft zwischen Beruf und Berufung, wenngleich auch die pädagogische Seite Herrmanns nicht unterschätzt werden darf. Dennoch hatte er dort neue Möglichkeiten sein musikalisches Schaffen zu entfalten und es wurden genügend Kompositionen Herrmanns vom Publikum mit so großem Applaus aufgenommen, dass nach der Machtergreifung Herren wie Otto zur Nedden und Staatsrat Hans Severus Ziegler ihn im Auge behielten. Stücke wie die Chorburlesken im Zoo op. 73, eine fünfteilige Männerchorhumoreske mit Jazzcombo, waren ausschlaggebend für einen lebenseinschneidenden Vorfall 1936. Am 17. Juni wollte Walter Schulz – von 1945 bis 1948 Direktor der Staatlichen Hochschule für Musik in Weimar – Hermanns Gamben-Konzert op. 79 aufführen. Der Komponist kam zu diesem Anlass nach Weimar und fand sich bei einer Ausstellung unter der gefürchteten Rubrik Entartete Künstler eingereiht. Das Programmheft des Abends kommentierte dies nur mit „wurde von Goebbels abgesetzt“.[2] Sein Name erschien nun neben denen von Paul Hindemith, Arnold Schönberg oder Igor Stravinsky bei den entsprechenden Ausstellungen in Frankfurt, Weimar, Düsseldorf und Wien. „Um sich dagegen zu wehren und im Ringen um seine berufliche Existenz, ließ er sich von ihm wohlgesinnten Freunden beraten, im Jahre 1939 die Mitgliedschaft der NSDAP zu erwerben, um ein Parteigerichtsverfahren als einzige Möglichkeit der Rehabilitierung zu erreichen.“[3] Herrmann wurde Gauchorleiter „Gau Schwaben des Deutschen Sängerbundes“[4]. „Herrmanns Verhältnis zur NSDAP bedarf einiger Differenzierung, da sein kompositorisches Werk auch der Diffamierung durch die nationalsozialistische Presse ausgesetzt war, bis hin zu der Kennzeichnung als "entartet", wogegen sich Herrmann vehement und mit Erfolg wehrte.“[5] Von 1935 bis 1963 war Herrmann Leiter der Trossinger Harmonika-Fachschule (später Städtische Musikschule Trossingen, heute Hohner-Konservatorium).[4], obwohl er bis 1939 in Wien auf der Liste der „Entarteten Künstler“ stand.[6] Durch den Kriegsverlauf wurde ein ehemals angestrebtes Verfahren dagegen jedoch überflüssig und bereits im Juli 1944 erklärte Herrmann seinen Austritt aus der NSDAP.[7]
Besonders in den 1920er Jahren ist ein unermüdlicher Schaffensdrang zu spüren. Herrmann bemüht alle erdenklichen Gattungen und verarbeitet das musikalische Material auf durchaus zeitgenössische Weise. Chor- und Orgelkompositionen scheinen in dieser Zeit im Zentrum seines Schaffens zu stehen, was sich auch durch seine Tätigkeit als Organist und Chorleiter in Reutlingen erklärt. Aufsehen erregte im Bereich der Orgelkomposition sein op. 25 aus dem Jahre 1926 Fünf Stücke für Kammerorgel und Schlagzeuge, das er anlässlich der ersten Freiburger Orgeltagung schrieb. Zahlreiche moderne Stilelemente sind hier eingeflochten. Aphoristische Kürze prägt die fünf Sätze, die zwar nicht freitonal, aber doch von engen tonalen Bezügen befreit sind. Der Gebrauch von Percussionsinstrumenten und jazzartigen Elementen sowie die rhythmische Behandlung des Orgelpedals zeigen den Komponisten auf der Höhe seiner Zeit. So einiges aus diesem Werk findet sich in ausgebreiteter Form bei Leif Kayser in seinem Concerto per Organo von 1965.[8]
Die Kleine Kammermusik op. 13 wirkt teilweise dem Historismus und Max Reger zugewandt, doch sieht Hanns Moser[9] Herrmanns Lied unter Tränen für Streichquartett mit Sopran von 1924 „auf den ersten Blick nicht weit von Schönbergs fis-Moll-Stück op. 10 gewachsen“. Auch der Kompositionsauftrag von Ernst Hohner für ein erstes genuines Akkordeonwerk ermöglichte kaum Rückgriffe auf Bekanntes. Sieben neue Spielmusiken war das Ergebnis Herrmanns, das in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wurde. „Während die Volksmusiker das Werk als ungewöhnliche Neuheit bestaunten oder es als unspielbar ablehnten, verübelten die Fachgenossen ihrem Kollegen Herrmann das scheinbare Abgleiten […] von bisher erreichtem.“[10]
Die 3. Symphonie entstand 1949/50 nach Bildern des Rothenburger Heiligblut-Altar von Tilman Riemenschneider.
Hermann nummerierte seine Werke nur bis zur Opus-Zahl 100, weshalb etliche Stücke nur mit dem Jahr der Uraufführung angegeben werden.[11]
Von Hugo Herrmann stammt die erste Komposition eines Solowerkes für Akkordeon. Er rief unter anderem die Pfullinger Kammermusik-Feste 1930–1933 sowie das Fest der Mannheimer Neuen Chormusik ins Leben. Nach Hugo Herrmann sind die Chorleiter-Seminare des Schwäbischen Sängerbundes, die Hugo-Herrmann-Seminare, benannt.
Zudem war er der Begründer des Schwäbischen Komponistenverbandes und dem 1953 entstandenen Deutschen Akkordenlehrer-Verband mit Sitz in Frankfurt a. M., zu dessen Ehrenvorsitzendem er ernannt wurde.
In der Ravensburger Weststadt ist im Wohngebiet Huberesch eine Straße nach Herrmann benannt.[15] Im Reutlinger Stadtteil Burgholz ist ebenfalls eine Straße nach ihm benannt.
Personendaten | |
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NAME | Herrmann, Hugo |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Komponist, Organist und Chorleiter |
GEBURTSDATUM | 19. April 1896 |
GEBURTSORT | Ravensburg |
STERBEDATUM | 7. September 1967 |
STERBEORT | Stuttgart |