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Johann Beer, auch Behr oder Bär, (* 28. Februar 1655 in St. Georgen im Attergau, Oberösterreich; † 6. August 1700 in Weißenfels) war ein Schriftsteller und Komponist. Er arbeitete als Konzertmeister und Hofbibliothekar. Als Schriftsteller veröffentlichte er eine größere Anzahl von Romanen unter verschiedenen Pseudonymen und blieb deshalb über lange Zeit als Autor unbekannt.

Johann Beer
Johann Beer
Gedenktafel am Schloss Neu-Augustusburg
Gedenktafel am Schloss Neu-Augustusburg

Leben


Sein Vater Wolfgang Beer (1621–1699) und dessen Ehefrau Susanna Stadelmeyr (1625–1694) waren Gastwirte im Salzkammergut und hatten 16 Kinder. Ab 1662 erhielt Johann Beer Unterricht und erste musikalische Unterweisungen im Benediktinerkloster Lambach, dann ab 1665 im Kloster Reichersperg am Inn und ein weiteres Jahr an der Lateinschule in Passau. 1670 emigrierte die Familie als Protestanten aus Glaubensgründen nach Regensburg. Hier besuchte Beer bis 1676 das Gymnasium poeticum. In dieser Schule wurden seine verschiedenen Talente gefördert und er unterhielt seine Mitschüler, zu denen der spätere Komponist Johann Pachelbel gehörte, mit eigenen Stegreifgeschichten und Gedichten.[1] Neben musikalischem und literarischem Talent verfügte Beer auch über zeichnerische Fähigkeiten, was später durch die mit eigenen Holzschnitten illustrierte Geschicht und Histori von Land-Graff Ludwig dem Springer, Weißenfels 1698, belegt wird.[2] Erste musikalische Impulse erhielt er durch den Kompositionsunterricht bei Kaspar Prentz. Im Anschluss ging er für sechs Monate nach Leipzig, wo er theologische Vorlesungen hörte und mit bedeutenden Musikern seiner Zeit bekannt wurde. Im Oktober 1676 trat Beer in Halle eine Stelle als Altist in der Hofkapelle Herzog Augusts von Sachsen-Weißenfels unter Kapellmeister David Pohle an und erhielt ausweislich seines Tagebuchs eine „jährlichen Besoldung von 180. Reichst(alern), die Kost bey Hofe und täglich 1. Maß Wein“. 1679 heiratete er in Halle Rosina Elisabeth Brehmer, in deren elterlicher Gastwirtschaft „Zum Schwartzen Bähren“ er verkehrte. Mit ihr hatte er 11 Kinder. Im Jahr darauf zog das Paar mit dem Hof nach Weißenfels um. Seine Ernennung zum Konzertmeister der herzoglichen Hofkapelle zu Weißenfels erfolgte durch Augusts Nachfolger Herzog Johann Adolph I. zu Ostern 1685. Ab 1697 übernahm Johann Beer zusätzlich das Amt des herzoglichen Hofbibliothekars. Er war in die vielfältigen Aktivitäten des seit 1697 regierenden jungen Herzog Johann Georg I eingebunden, damit aus den Vergnügungen dank musikalischer Umzüge prächtige Feste wurden.[3] Bei einem höfischen Vogelschießen bei Weißenfels wurde Beer am 28. Juli 1700 durch eine verirrte Kugel verletzt. Im später entdeckten Tagebuch Beers[4] schrieb der schwer Verletzte: „Den 31st. schnitte man mir die Bley Kugel aus dem Naken, nach welchem Schnitte sichs in etwas zur Besserung anliesse. Ich habe gleich nach meiner Überbringung in meinem Hause, Herren D. Oleario gebeichtet, und mich mit dem Hochwürdigen Sacrament versehen.“ Er starb neun Tage später.


Schriftsteller


Beer verfasste unter einer Reihe von Pseudonymen, hier besonders als 'Jan Rebhu' satirische Schriften sowie Ritterromane, sowie eine Reihe von Picaro-(Schelmen-)romanen, wie z. B. den Der Symplizianische Welt-Kucker (1677/79) oder Des Abentheuerlichen Jan Rebhu Artlicher Pokazi (1679/80). Trotz der offensichtlichen Anspielungen auf die Werke Grimmelshausens konnten diese Romane dessen Erfolg nicht erreichen. Als Autor dieser Schriften wurde er erst 1932 von Richard Alewyn enttarnt. Alewyn verfasste eine Monographie über Beer, in der er versuchte, das Neue an dessen Literatur herauszuarbeiten. In Unterschied zu Grimmelshausen habe sich Beer weitgehend vom symbolhaltigen Weltbild des Barock gelöst und liefere in seinen Romanen eine realistische Wiedergabe der zeitgenössischen Wirklichkeit. Die Teutschen Winternächte und Die kurtzweilgen Sommer-Täge sind beispielhaft für Beers moralisierende Satiren. Gerade dieser gesellschaftskritische Blick führte zeitgenössisch zu Widerspruch.[5][6] Rezeptionsgeschichtlich erklärt diese mehrdeutige Textstrategie seine Hintanstellung hinter Grimmelshausen.[7][8] Wie bei vielen dieser Barockschriften kommt es zu ungesicherten oder Mehrfach-Zuschreibungen. Diejenige Schriften, die sich auf Beers Zeitgenossen Johannes Riemer beziehen, konnten durch textkritische Motivanalysen richtig zugeordnet werden.[9] Dennoch wurden in einige, vermeintlich Beers Schriften editierende Ausgaben auch fälschlich zugeschriebene Texte aufgenommen. Dies erfolgte besonders wegen der literarischen Prominenz von Beer, der einige Nachahmer seines Schreibstils hervorbrachte und Beer zugleich zahlreiche Pseudonyme verwendete.[10] Viele seiner Pseudonyme und damit letztlich einige der Fehlzuschreibungen wurden erst im 20. Jahrhundert vom Literaturwissenschaftler Richard Alewyn entschlüsselt, der dabei die in Beers Romanen eingestreuten Schulgeschichten als autobiographische Erlebnisse deutet. Das erregte zunächst fachlichen Widerspruch, konnte aber später bewiesen werden, nachdem die zu den geschilderten Vorfällen passenden disziplinarrechtlichen Protokolle aufgefunden wurden.[1] Beer hinterließ eine autobiographische Schrift, die als Autograph vorliegt.[11] Darin berichtet er über seine Geburt, Kindheit, Jugend sowie seinen weiteren Lebenslauf. An den Rand der Handschrift zeichnete er selbst Illustrationen. Die zunächst flüssige Erzählung geht bald über in eine tagebuchartige, chronikalische Aufzählung von Lebensereignissen. Zudem schildert Beer darin zahlreiche Unfälle, Unglücke, Krankheiten, Hinrichtungen und andere gewalttätige Ereignisse. Diese Aufzeichnungen enden mit der von Beer selbst stammenden Angabe, dass er sehr schwer bei einem Jagdunfall verwundet wurde. Diese autobiographische Schrift wurde zur Grundlage einer psychobiographischen Studie, die sich vor allem mit den Folgen eines Kindheitstraumas beschäftigt: dem Unfalltod seiner beiden jüngeren Brüder Abraham und Gottlieb, als Beer selbst etwa 5 Jahre alt war.[12]

Eine kritische Ausgabe der Sämtlichen Werke wurde von F. van Ingen und H.-G. Roloff 1981 ff. in Bern vorgelegt.


Komponist


Zunächst verfasste Beer kleinere, für das Stimmrepertoire seiner Schüler oder Laienaufführungen geeignete Musikwerke, deren kompositorische Besonderheiten er in programmatischen Streitschriften erörterte.[13] Bereits mit dem 'bellum musicum', den er 1684 anlässlich der Hochzeit des Kapellmeisters Johann Philipp Krieger geschrieben und 1701 erweitert und eingedeutscht unter dem Titel 'Der Musicalische Krieg' veröffentlicht hatte, kritisiert er aus musikpraktischer Sicht die strengen Vorgaben seiner Zeit. Mit dem Gothaer Pietisten Gottfried Vockerodt stritt er um den musikpädagogischen Nutzen traditioneller Kompositionslehren, z. B. dem Prinzip des Kontrapunkt. Beers ‚Ursus murmurat‘ (lat. „Der Bär murmelt“) und 'Ursus vulpinatur' (lat. Der hinterlistige Bär) brachten ihm in der Fachwelt Aufmerksamkeit und Kritik ein.[14][15] Eine neue Form des musiktheoretischen Traktats schuf er mit den Scherzdisputation wie seiner Schrift Musicalische Discurse (1689), die zusammen 'Schola-phonologica'(1695) als Kompositionslehren seinen Nachruhm begründen.[16] Bei seinen Widmungskompositionen verwendete Beer den Wünschen und Neigungen der Auftraggeber entsprechende Orchestrierungen.[17] Gerade die zum Streichorchester außergewöhnlichen Instrumente, wie das Waldhorn, bedingten seine Wiederentdeckung. Inzwischen gehört er neben Telemann und Haydn zum Standard-Repertoire für Hornkonzerte.[18][19] Populär sind Beers Kompositionen als thematisch-ikonische Musik, so z. B. bei de musikalischen Untermalung der vierteiligen TV-Dokumentation einer Alpenüberquerung in der Postkutsche des Bayerischen Fernsehens 2010.[20]


Verschiedenes


Seit 2009 wird in Österreich der Johann-Beer-Literaturpreis gemeinsam von der Ärztekammer in Oberösterreich und der Deutschen Bank für das Werk eines Österreichers vergeben, der „von den Unwägbarkeiten des Lebens erzählt“. Das Preisgeld beträgt € 7.000. Zu den Preisträgern gehörten Robert Schindel (2013) oder Friederike Mayröcker (2014).


Werke



Belletristische Werke



Fälschlich zugeschrieben



Opern und Musikschriften



Sekundärliteratur, chronologisch



Werk- und Literaturverzeichnisse




Wikisource: Johann Beer – Quellen und Volltexte
Commons: Johann Beer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Eginhard König: 500 Jahre Gymnasium Poeticum, Niederschrift Vortrag am 23. Februar 2005, Hrsg. Albertus Magnus Gymnasium Regensburg, Redaktion Josef Schmailzl S. 31f.
  2. Andrea Thiele: Johann Beer 1655-1700 - Multitalent am hallischen Hof. In: Kulturfalter (Halle, Saale), Band 6, 2008, Heft 7/8 (Juli/Aug.), S. 30–31
  3. Peter-Michael Hahn: Dynastische Legitimation und höfische Pracht - Strategie und Verhalten der Herzöge von Sachsen-Weißenfels. In: Ferdinand van Ingen, Hans-Gert Roloff (Hrsg.): Johann Beer. Lang, Bern usw. 2003, S. 39–56
  4. Martin Bircher: Neue Quellen zu Johann Beers Biographie. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Band 100, 1971, Heft 3, S. 230–242
  5. Wolfgang Caspar Printz: Vertheidigung Des Löbl. Schneider-Handwercks Wider Die greulichen Calumnien Des Jean Rebhu / Dem Löbl. Handwerck zu Ehren in Ungarischer sprache herausgegeben von Adrian Schmatteren sonst das kleine Schneider Geselchen genannt. Nunmehro ins Deutsche übersetzt von Cosmo Pierio Bohemio, Königl. Hoffschneider. Schneider-Innung, Wrzeckowitz (fingiert) 1745
  6. Andreas Solbach: Johann Beer. Rhetorisches Erzählen zwischen Satire und Utopie. Niemeyer, Tübingen 2003
  7. Hans-Gert Roloff: Johann Beer-Lektüren - damals und heute. In: Germanistik zwischen Tradition und Innovation, Band 8. Internationaler Germanistenkongress, Schanghai 2015. Lang, Frankfurt/Main 2017, S. 125–133
  8. Jörg Krämer: Johann Beers Romane. Poetologie, immanente Poetik und Rezeption 'niederer' Texte im späten 17. Jahrhundert. Lang, Frankfurt/Main [u. a.] 1991 ISBN 3-631-44038-3
  9. Stefan Trappen: Jugendtorheit, Brötchenarbeit, Heilsbemühung. Erzählmotivationen und ihre sozialgeschichtliche Fundierung beim niederen Roman von Beer, Dürer, Grimmelshausen, Reuter und Riemer. In: Ferdinand van Ingen, Hans-Gert Roloff (Hrsg.): Johann Beer. Lang, Bern usw. 2003, S. 401–419
  10. Ferdinand van Ingen: Johann Beer. Werkausgabe, Leserinteresse, Forschungsstand 2000. In: Andreas Brandtner (Hrsg.): Beer, 1655 - 1700, Hofmusiker, Satiriker, Anonymus. Eine Karriere zwischen Bürgertum und Hof. Katalog zur Ausstellung in der Galerie im Stifter-Haus in Linz, Juli/August 2000. Turia + Kant, Wien 2000, S. 1–27
  11. Schmiedecke: Beer, Sein Leben... S. 5; Hardin: Johann Beer, eine beschreibende Bibliographie. S. 132 ff.
  12. Schmiedecke: Beer, Sein Leben  S. 128. Frenken: Kindheit und Autobiographie  S. 628 ff.; Franz Speta: Starben zwei Brüder von Johannes Beer um 1660 an Colchicum-Samen? In: Beiträge zur Naturkunde Oberösterreichs, 9, 2000, S. 47–48 (zobodat.at [PDF; 288 kB]).
  13. Torsten Fuchs: Studien zur Musikpflege in der Stadt Weißenfels und am Hofe der Herzöge von Sachsen-Weißenfels: ein Beitrag zur mitteldeutschen Musikgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts. Diss. Halle (Saale) 1990, Lucca 1994
  14. Gottfried Vockerodt: Mißbrauch der freyen Künste. Zunner, Franckfurt 1697
  15. Rainer Bayreuther: Der Streit zwischen Beer und Vockerodt. Zur Physiognomie der Musikauffassung im Spannungsfeld von pietistischer Kunstkritik und antipietistischer Polemik. In: Ferdinand van Ingen, Hans-Gert Roloff (Hrsg.): Johann Beer. Lang, Bern usw. 2003, S. 285–303
  16. Manfred Lischka: Der Komponist Johann Beer. Ein Verzeichnis der Kompositionen sowie Anmerkungen zu seinem Leben und zum schriftstellerischen Werk. In: Daphnis, Band 9, 1980, Heft 3, S. 557–596
  17. Konstanze Musketa: Johann Beer 1655 - 1700. Hofmusiker an der halleschen und Weißenfelser Residenz. Ausstellung zum 350. Geburtstag. Händel-Haus, Halle (Saale) 2005
  18. Kammerorchester der Deutschen Staatsoper Berlin unter Hartmut Haenchen: Hornkonzerte der Vorklassik, Berlin Classics 1981
  19. Netherlands Chamber Orchestra unter Roy Goodman, Horn Concertos, Brilliant Classics 2017
  20. Manfred Baur, Daniela Agostini (Regie): Die Eroberung der Alpen. BR 2010 br.de
Personendaten
NAME Beer, Johann
ALTERNATIVNAMEN Behr, Johann; Bär, Johann
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftsteller und Komponist
GEBURTSDATUM 28. Februar 1655
GEBURTSORT St. Georgen im Attergau, Oberösterreich
STERBEDATUM 6. August 1700
STERBEORT Weißenfels

На других языках


- [de] Johann Beer

[en] Johann Beer

Johann Beer (also spelled Bähr, Baer, or Behr, Latinized as Ursus or Ursinus; (28 February 1655, in Sankt Georgen – 6 August 1700, in Weissenfels) was an Austrian author, court official and composer.[1]

[ru] Беер, Иоганн

Иоганн Беер (нем. Johann Beer, также: Behr, Bär; 28 февраля 1655 (1655-02-28), Санкт-Георген — 6 августа 1700, Вайсенфельс) — австро-саксонский писатель, композитор, музыкальный теоретик эпохи барокко, певец (контр-тенор) и придворный музыкант герцога Вейсенфельса (сперва при дворе Августа, а после его смерти — Иоганна Адольфа I).



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