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Johann Gotthilf Jänichen, in den Quellen meist Jaenichen, auch Jenichen (* 23. November 1701 Halle[1]; † vor 1750 vermutlich in Berlin) war „Geheimter Secretarius“ am Hofe des Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt in Berlin. Er galt als „guter Musicus sonderlich im Clavier-Spielen“.[2] Anlässlich des Doppeljubiläums von Wilhelmine von Bayreuth 2008/2009 wurde er von Sabine Henze-Döhring als Autor des Cembalokonzertes in g-Moll proklamiert, als dessen Autorin bis dahin die Bayreuther Markgräfin galt.[3] Damit begann eine inzwischen öffentliche Kontroverse um dieses Cembalokonzert, da es Indizien für und gegen beide Komponisten als Autoren gibt, die zum Teil noch erforscht werden müssen.[4] Rashid S. Pegah erklärte dazu 2017 im Bach-Jahrbuch: „Sabine Henze-Döhring hat schlüssig nachgewiesen, dass dieser Johann Gotthilf Jänichen auch der Komponist eines Cembalo-Konzerts in g-Moll ist, das lange Zeit als ein Werk der eingangs erwähnten Markgräfin Wilhelmine galt.“[5] Einen schlüssigen Nachweis für die Richtigkeit dieser Feststellung fügte er nicht an. Im Mai 2020 wurde es vom Bayerischen Rundfunk öffentlich schriftlich als Konzert von „Wilhelmine von Jänichen“ angekündigt.[6]


Leben


Johann Gotthilf Jänichen war der Sohn des Hallenser Pädagogen Johann Jänichen, der mit Lieddichtungen bekannt wurde. Neben seinem Amt als Sekretär am Hofe des Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt, des jüngsten Bruders des preußischen Königs Friedrich I., das er 1729 antrat,[7] wirkte er als Cembalist und Komponist, insbesondere in Berlin, wo er auch gestorben sein soll. Sein Name erscheint jedoch nicht in der Liste der Hofmusiker Christian Ludwigs.[8] Georg Philipp Telemann verzeichnete einen „Jenichen in Berlin“ in seiner von ihm selbst gestochenen „Musique de table“ (Druck 1733) als Subskribenten.[9] Nach dem Tod des Markgrafen im Jahre 1734 erhielt er nachweislich 1736 und 1737 aus dessen „Erbschafts-Casse“ noch ein Gnadengehalt.[10]


Ihm bisher zugeschriebene Werke


Ein Autograph von Jaenichen/Jenichen – beide Schreibweisen im gedruckten Breitkopf-Katalog 1763 – wurde bisher nicht bekannt. Folgende Abschriften sind ihm zugewiesen


Johann Gotthilf oder Stephan Jänichen?


Die unter dem Familiennamen „Jaenichen“ überlieferten Noten (bei allen Handschriften ausschließlich die Schreibweise „ae“) sind Abschriften ohne Vornamen, deshalb könnte mit diesem Familiennamen theoretisch Stephan Jänichen gemeint sein, der bei der sächsischen Kurfürstin Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth und als Gattin Augusts des Starken Königin von Polen als „Kammermusikus“ engagiert war. Er starb 1726 in deren Residenzort Pretzsch, wo er begraben ist. Auf seinem Grabstein wird er „ein Maitre der Musik […]“ genannt.[11] Weder für Johann Gotthilf noch für Stephan Jänichen ist die Bezeichnung „Komponist“ überliefert.[12]


Überlieferung des Cembalokonzerts in g-Moll


Concerto à Cembalo Obligato. duoi Violini. Violetta. e Basso. di Wilhelmine, Stimmen (im Vergleich mit der „Quelle Weimar“ gekürzte Fassung). Noten und Titel inklusive Zuweisung „di Wilhelmine“ sind die Abschrift eines authentischen Bayreuther Kopisten, geschrieben in einem Zug.[13] Mit der Solostimme fehlt die Gavotte 2 komplett, die für Cembalo solo ist. Diese (gekürzte) Bearbeitung kann nur nach der Partitur geschehen sein, diese war also bei der Abschrift/ Bearbeitung vorhanden.[14] Die Partien der Streicher sind im ersten Satz um ein Ritornell und dessen Anschlusstakte gekürzt. Beim zweiten Satz fehlen speziell enharmonisch-intonatorisch schwierige Takte. Dass es sich insgesamt um eine vom Kopisten – der in RISM als „Copist 34 (Bayreuth court)“ geführt wird – extra angefertigte Aufführungsvereinfachung des Stücks handelt, wird durch die Art der Kürzungen nahegelegt. Dazu gehört folgender (kleiner) Zusatz: der Bearbeiter/Kopist setzte im ersten Takt des 1. Satzes auf Zählzeit 1 ein zusätzliches G im Bass, was den rhythmisch schwierigen Beginn der Violinen auf 1+ erleichtert. In den Stimmen befinden sich Aufführungseintragungen. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 67 Mus. Handschr.

Concerto à Cembalo Concertato 2 Violini Viola e Basso del Sig. Foerster Jaenichen (Stimmen). Es handelt sich um die einzige überlieferte vollständige Abschrift des Konzerts. Cembalo in zusätzlichem Umschlag aus buntem „Bayreuther Vorsatzpapier“[15] geheftet, mit handschriftlicher Ordnungsnummer auf Vorderseite rechts oben: 7. G/g. (?, undeutliche Tinte). Wohl spätere Titelbeschriftung als „No 1“ mit Zuweisung an „Foerster“ (durchgestrichen), später korrigiert mit anderer Schrift „Jaenichen“.[16] Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Mus. IIIc: 120. Original 2004 verbrannt, Mikrofilm M 1236 vorhanden.


Autorenzuschreibungen des Cembalokonzertes in g-Moll


Moderne Kataloge:

Alte Kataloge (vor 2000):


Zur Diskussion über die Autorschaft des Cembalokonzertes in g-Moll


Den Eintrag des Konzerts im Breitkopf-Katalog 1763 unter „Jenichen“ wertet Sabine Henze-Döhring als Bestätigung ihrer These, Johann Gotthilf Jänichen sei der Verfasser des Cembalokonzertes in g-Moll.[18] Dagegen spricht, dass der Breitkopf-Katalog als Zuschreibungskatalog bei nicht eindeutiger Quellenlage nicht geeignet ist, da der Verfasser Breitkopf, wie er im Nachwort eigens bedauert, nicht für seine Autorenangaben bürgen wollte/konnte;[19][20] Dagegen zeigt das fragmentarisch überlieferte Wolfenbütteler Manuskript des Konzertes („di Wilhelmine“) innerhalb der Sammlung der Herzogin Philippine Charlotte von Braunschweig[21] eine Überlieferung in Familienbesitz.[22] Henze-Döhrings Befund, die preußische Prinzessin habe ihre Werke stets mit ihrem Hoheitentitel „da Sua Altezza Reale la Margravia Regnante“ (von Ihrer Königlichen Hoheit der regierenden Markgräfin) oder ähnlich autorisiert,[23] trifft nur für einige Librettodrucke zu. Angesichts der geringen Zahl von Kompositionen, die von der Komponistin bisher ans Tageslicht kamen, ist so eine eingrenzende Beurteilung ihrer persönlichen Signatur Unsinn. Bisher gibt es nur eine einzige persönliche Signatur einer musikalischen Komposition Wilhelmines: die Flötensonate. Die von ihr komponierten Cavatinen für Andrea Bernasconis Oper L'Huomo kopierte und autorisierte der Bayreuther Kopist selbst mit ihrem Hoheitentitel. Die einzigen beiden Notenautographe (Argenore und Flötensonate) Wilhelmines sind

Auch ist der stilistische Befund („oldfashioned“) über den „gattungs- und kompositionsspezifischen Ort“ des Cembalokonzertes in g-Moll kein Beweis gegen Wilhelmines Autorschaft.[26] Die am Bayreuther Hof entstandenen Konzerte von Adam Falckenhagen und Paul Charl Durant[27] (wie auch der deutschen Zeitgenossen Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel) haben, wie das Concerto à Cembalo in g-Moll ein eigenes, von der italienischen Konzertmode sich abhebendes Gesicht.[28]

Henze-Döhrings Zuschreibung an Johann Gotthilf Jänichen wurde in der Musikwissenschaft nie nachgeprüft, trotzdem als „überzeugend nachgewiesen“ bezeichnet.[29]


Einzelnachweise und Anmerkungen


  1. Taufregister St. Marien Halle 1701, S. 439.
  2. Diese Daten in: Johann Christoph von Dreyhaupt: Pagus Neletizi et Nudzici, 2. Teil. Emanuel Schneider, Halle 1749/50. Nachdruck: Fliegenkopf, Halle 2002, S. 642–643.
  3. Sabine Henze-Döhring: Markgräfin Wilhelmine und die Bayreuther Hofmusik, Bamberg 2009.
  4. Cembalokonzert in g-Moll
  5. Rashid-S. Pegah: "...und Fama hat dich auserkoren". Eine Studie zur Musikpflege am Hof von Markgraf Christian Ludwig von Brandenburg. In: Peter Wollny (Hrsg.): Bach-Jahrbuch. 103. Jahrgang 2017. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2017, ISBN 978-3-374-05297-4, S. 109137.
  6. https://www.br-klassik.de/programm/radio/ausstrahlung-2039112.html
  7. Vgl. Pegah (wie Einzelnachweis 4), S. 119.
  8. Es ist nur eine Musikerliste aus dem Todesjahr Christian Ludwigs (1734) bekannt, siehe Mary Oleskiewitcz: The Court of Brandenburg-Prussia. In: Music at German Courts 1715–1760 (hrsg. von Samantha Owens, Barbara M. Reul and Janice B. Stockigt, ISBN 978-1-84383-598-1, S. 129/130).
  9. Vgl. Pegah (wie Einzelnachweis 4), S. 119.
  10. Vgl. Henze-Döhring, Markgräfin Wilhelmine und die Bayreuther Hofmusik, S. 46f., auch Abbildung 18.
  11. Hans-Joachim Böttcher: Christiane Eberhardine, Prinzessin von Brandenburg-Bayreuth, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Gemahlin Augusts des Starken, Dresdener Buchverlag, 2011, Seite 308.
  12. Johann Christoph von Dreyhaupt beschreibt J. G. Jänichen in Pagus Neletizi et Nudzici (siehe Literatur) als guten Cembalisten (S. 642–643). Für Stephan Jänichen ist der Titel Maitre der Musik auf seinem Grabstein überliefert, ein Titel, der im Barock die Funktion eines Komponisten mit einschließen konnte.
  13. Das Fehlen der Solostimme ist bei Archivierung von Solokonzerten praktisch häufiges Vorkommen.
  14. Die gesamte Musikaliensammlung der Wilhelmine ist heute verschollen.
  15. Dieses Papier wurde in mehreren Büchern der Bayreuther Markgrafenbibliotheken verwendet, die sich heute in der Bayreuther Unibib. befinden.
  16. Faksimileseiten und Beschreibung in der Notenausgabe Furore Verlag, Kassel 2000, hg. von Irene Hegen, S. 29 f.
  17. Datenbank des RISM-OPAC: online Jänichen, Förster Jänichen, angeblich Wilhelmine.
  18. Sabine Henze-Döhring: Markgräfin Wilhelmine und die Bayreuther Hofmusik. 1. Auflage. Bamberg 2009, ISBN 978-3-89889-146-2, S. 42–52.
  19. Siehe Breitkopf-Katalog von 1762.
  20. Siehe insbesondere Robert Dearling: Annotations to The Breitkopf Thematic Catalogue and Supplements. In: Haydn Yearbook IX, Wien 1975, S. 256–302.
  21. der Schwester Wilhelmines.
  22. Noten, Titel und Autorinangabe, in einem Zug geschrieben, stammen von einem Bayreuther Hofkopisten (Siehe Innentitel-Faksimile und Nachwort S. 29 f der modernen Notenausgabe, Furore Verlag, 2000). Dass das Manuskript eine gekürzte Fassung ist und nicht vollständig erhalten, mindert nicht seine Authentizität, im Gegenteil: für die Kürzung war die Originalpartitur nötig. Erich Vogel ordnete die herzoglichen Musikalien des Hauses Braunschweig und veröffentlichte 1890 seinen Katalog (Dr. Erich Vogel: Die Handschriften nebst älteren Druckwerken der Musik-Abteilung der Herzogl.[ichen] Bibliothek zu Wolfenbüttel. 1890, S. 15). Er katalogisierte das Konzert gemäß seinem Titel unter Friederike Sophie Wilhelmine (Wilhelmine von Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth). Die Sammlung, die auch Wilhelmines/Bernasconis Oper L’Huomo enthält – geschrieben von derselben Kopistenhand wie das Cembalokonzert – ging insgesamt durch seine Hände.
  23. Henze-Döhring 2009, S. 49.
  24. Wolfgang Hirschmann (Hrsg.): Argenore, Neuausgabe Schott Musik international, Mainz 1996: Mit Faksimileseiten.
  25. Furore Edition 4680, hg. von Irene Hegen, ISMN: M-50012-968-4, Kassel 2006, Faksimileseiten S. 6 und 7.
  26. Henze-Döhring 2009, S. 50 f.
  27. Zu Paul Charl Durant (diese Namensschreibweise nach dem Bayreuther Hofkalender) siehe .
  28. Sie zeigen häufig mehr als drei Sätze sowie Tanzsätze. Siehe Gesamtausgaben und Werkverzeichnisse bei Joachim Domning (Adam Falckenhagen, Konzerte op. IV; Paul Charl Durant; Ausgaben siehe Trekel-Verlag Hamburg). Siegfried Kross, Das Instrumentalkonzert bei Georg Philipp Telemann, Tutzing 1969, Thematisch-Bibliographisches Verzeichnis, Seite 121–172: z. B. [Nr.] 1, 3, 5; S. 127, 139, 167; Händel, Orgelkonzerte Op. IV, 3 (1738) (dessen letzter Satz in Form und Inhalt mit dem letzten Satz des Cembalokonzertes in g-Moll, Gavotte I und II, korrespondiert und in einer weiteren Fassung wörtlich als „Gavotte“ betitelt ist) und Konzerte op. VII. Nebenbei: Das früheste Datum (1737) eines erhaltenen Werkes der Gattung Cembalokonzert betrifft ein (Berliner) Graun-Cembalokonzert.
  29. Vgl. Pegah, S. 119, dort Zustimmung ohne Begründung seinerseits.

Literatur





Siehe auch


Personendaten
NAME Jänichen, Johann Gotthilf
ALTERNATIVNAMEN Jaenichen, Jenichen
KURZBESCHREIBUNG deutscher Komponist und Geheimsekretär am Hofe Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt
GEBURTSDATUM 23. November 1701
GEBURTSORT Halle
STERBEDATUM 18. Jahrhundert
STERBEORT unsicher: Berlin



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