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Edwin von der Nüll (* 13. Oktober 1905 in Berlin; † April oder Mai 1945 bei Potsdam) war ein deutscher Musikwissenschaftler und Musikjournalist. Er gilt heute unter Fachleuten als Bartók-Spezialist. Als Musikjournalist wurde er bekannt durch die Phrase „Wunder Karajan“ über Herbert von Karajan, mit der er eine seiner Kritiken eröffnete.


Leben


Edwin von der Nüll studierte Musikwissenschaften an der Berliner Musikhochschule. Zu seinen Dozenten gehörten unter anderem Arnold Schering, Georg Schünemann, Johannes Wolf und Erich Moritz von Hornbostel. Seine Promotionsarbeit Béla Bartók. Ein Beitrag zur Morphologie der neuen Musik erschien 1930 in Halle. Es handelte sich dabei um die erste Monographie über Bartók. Mit Moderne Harmonik erschien 1932 eine weitere Ganzschrift. Daneben publizierte er eine Reihe von Aufsätzen, die sich schwerpunktmäßig mit der Neuen Musik auseinandersetzten. Er war regelmäßiger Autor in der fachzeitschrift Melos.[1] Von der Nüll stand vor dem Beginn einer Hochschulkarriere, als 1933 die Machtergreifung stattfand und die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Nicht erwiesen ist, dass er, als Fürsprecher von „bolschewistischen“ Komponisten wie Arnold Schönberg, Paul Dessau oder Kurt Weill, freiwillig auf eine solche Karriere verzichtete oder dazu gezwungen war. Während der Zeit des Nationalsozialismus erschien lediglich der Aufsatz Klingendes Mittelalter im Neuen Musikblatt, dem gleichgeschalteten Nachfolger von Melos.[2]

Stattdessen wurde von der Nüll Musikjournalist und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Musikschriftleiter bei der BZ am Mittag sowie beim Berliner Tageblatt und dem Stern. Im Oktober 1938 publizierte er in der BZ den Artikel „Wunder Karajan“ über eine Tristan-und-Isolde-Aufführung in der Berliner Staatsoper. Die überschwängliche Besprechung von Herbert von Karajans Regie machte den gerade dreißigjährigen Dirigenten berühmt. Seine Überschrift wurde ein geflügeltes Wort, wenn es um den Dirigenten ging. Vermutlich entstammt es jedoch nicht seiner Feder, sondern ging auf Generalintendant Heinz Tietjen sowie Hermann Göring zurück, die Karajans Karriere zu Lasten von Wilhelm Furtwängler fördern wollten. Furtwängler war als Verteidiger von Paul Hindemith in Ungnade gefallen.[3]

Ab 1940 wurde von der Nüll eingezogen und diente im Musikreferat der Luftwaffe. Dort durfte er seine musikwissenschaftliche Tätigkeit fortsetzen und konnte 1943 sein drittes Buch Lebendige Musik veröffentlichen. Es war gleichzeitig sein letztes Werk.[4] Von der Nüll fiel in den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkriegs nahe Potsdam.[5]


Musikwissenschaftliche Würdigung


Friedrich Geiger, Professor für Musikwissenschaften an der Universität Hamburg untersuchte Edwin von der Nülls Werk für den Sammelband Musikforschung – Faschismus – Nationalsozialismus. Er bezeichnete von der Nüll als Musikwissenschaftler, „der allenfalls noch einem kleinen Kreis von Spezialisten als Bartók-Experte bekannt“ sei und ging der Frage nach, wie ein Musikwissenschaftler, der vorher für eher kommunistische und sozialistische Komponisten eintrat, sich in seinem Spätwerk plötzlich auf Partei-Ebene bewegen konnte. Von der Nüll sei nie überzeugter Nationalsozialist gewesen, aber er arrangierte sich später mit dem Regime, das ihm gegenüber immer misstrauisch blieb. So schickte das Amt Rosenberg noch 1939 Anfragen an die Gestapo, wie es um von der Nülles politische Betätigung vor der Machtergreifung bestellt war.[6] Geiger findet das verbindende Element in der antidemokratischen Einstellung von der Nülls und im Begriff der Volksgemeinschaft. Sein Beispiel zeige, dass Neue Musik auch ein Thema für die Nationalsozialisten war und genauso instrumentalisiert wurde, wie andere kulturelle Produkte zu jener Zeit.[7]


Werke



Ganzschriften



Aufsätze



Literatur



Einzelnachweise


  1. Ole Haas: Melos (1920–1934). Retrospective Index to Music Periodicals (RIPM), abgerufen am 27. Oktober 2015.
  2. Friedrich Geiger: Edwin von der Nüll – ein Bartók-Forscher im NS-Staat. In: Gesellschaft für Musikforschung (Hrsg.): Musikforschung – Faschismus – Nationalsozialismus. Referate der Tagung Schloss Engers (8. bis 11. März 2000). 2., unveränderte Auflage. Are Musik Verlag, Mainz 2004, ISBN 3-924522-06-5, S. 359–361
  3. Geiger: Edwin von der Nüll – ein Bartók-Forscher im NS-Staat. S. 362
  4. Geiger: Edwin von der Nüll – ein Bartók-Forscher im NS-Staat. S. 363
  5. Geiger: Edwin von der Nüll – ein Bartók-Forscher im NS-Staat. S. 359
  6. Geiger: Edwin von der Nüll – ein Bartók-Forscher im NS-Staat. S. 363
  7. Geiger: Edwin von der Nüll – ein Bartók-Forscher im NS-Staat. S. 368
Personendaten
NAME Nüll, Edwin von der
KURZBESCHREIBUNG deutscher Musikwissenschaftler und Musikjournalist
GEBURTSDATUM 13. Oktober 1905
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM April 1945 oder Mai 1945
STERBEORT bei Potsdam



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