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Alexander Aronowitsch Knaifel (auch: Knayfel; russisch Александр Аронович Кнайфель; * 28. November 1943 in Taschkent/Usbekische SSR) ist ein russischer Komponist.

Alexander Aronowitsch Knaifel
Alexander Aronowitsch Knaifel

Leben


Knaifel wurde während der kriegsbedingten Evakuierung der Familie aus Leningrad in Taschkent geboren (Vater: Aron Knaifel, Soloviolinist und bekannter Violinpädagoge; Mutter: Muza Shapiro, Professorin für Musiktheorie). 1944 kehrte die Familie Knaifel nach Leningrad zurück. Im Alter von sechs Jahren begann Alexander Knaifel das Cellospiel und studierte von 1950 bis 1961 bei Emanuel Fishman an der Spezialmusikschule des Leningrader Konservatoriums und von 1961 bis 63 bei Mstislav Rostropovich am Moskauer Konservatorium. Von 1963 bis 1966 studierte er Komposition bei Boris Alexandrowitsch Arapow in Leningrad. Seither lebt er als freischaffender Komponist in Sankt Petersburg.[1] Alexander Knaifel ist Autor von über 100 Kompositionen sämtlicher Sparten der E-Musik.


Werk


Von Anfang an schloss Knaifel sich den fortschrittlichen Kräften seines Landes an. „Als jüngster Vertreter der sowjetischen Nachkriegsavantgarde ist er für die russische Musikszene aufsehenerregende, eigene Wege gegangen.“[2] Grundlegend für seine Tonsprache war die Auseinandersetzung mit den Werken der 2. Wiener Schule (Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton von Webern). Darauf aufbauend probierte er verschiedene Techniken der westlichen Avantgarde aus und entwickelte einen eigenen, unverwechselbaren Stil. Dabei kam er zu der Erkenntnis, dass hinsichtlich der Techniken in der musikalischen Sprache in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits „alles gesagt“ sei[3] und reagierte auf die Fortschrittsgläubigkeit der Avantgardisten mit einem auf die individuelle Freiheit der künstlerischen Persönlichkeit ausgerichteten Befreiungsschlag.

In seiner Musik lässt Knaifel seiner Vorliebe für tonal gebundene Zusammenklänge immer mehr freien Lauf, lehnt jedoch prinzipiell seine Einordnung in irgendein „Schubladen-System“ ab und fühlt sich mit seiner Musik vor allem nicht zu der mit „Neue Einfachheit“ benannten Gruppe von Komponisten zugehörig[4]. Besondere Bedeutung misst er dem Einzelton bei, wobei jeder Ton Zentralfunktion annehmen kann. So gesehen hat die Musik von Alexander Knaifel zwar durchaus Ähnlichkeit mit den Werken von Morton Feldman und Giacinto Scelsi, doch zeichnet die Kompositionen des Russen eine „in der Tradition der russischen Kunst, Esoterik und Mystik“[5] beheimatete Spiritualität aus. Knaifels von kosmischem Denken getragene Religiosität hat in Werken wie Prayer to the Holy Spirit ihren Ausdruck gefunden. In seiner von Weite und Transzendenz geprägten Musik haben die Grundprinzipien der Musikanschauung der Pythagoreer Gestalt angenommen.[6]

Ein wichtiger Bezugspunkt im kompositorischen Denken Knaifels ist auch die Musik von Johann Sebastian Bach. Besonders deutlich wird dies in seinem Werk Bach – Die zweite Hymne der Solisten (1992), wo er fünf Gesangssolisten, einen Kinderchor und ein Instrumentalensemble in einen „Dialog“ (Knaifel) mit dem Präludium und der Fuge in b-Moll aus dem 1. Band von Das Wohltemperierte Klavier eintreten lässt.

Für seinen Erfolg auf einem Festival der modernen Musik in Köln, wurde Knaifel 1979 auf dem 6. Kongress des Sowjetischen Komponistenverbands von dessen Vorsitzenden Tichon Nikolajewitsch Chrennikow heftig kritisiert. Mit sechs weiteren Komponisten (Jelena Olegowna Firsowa, Dmitri Nikolajewitsch Smirnow, Viktor Suslin, Vyacheslav Artyomov, Sofia Asgatowna Gubaidulina und Edisson Wassiljewitsch Denissow) wurde er dem Vorwurf ausgesetzt, dass seine Musik so „sinnlos“ sei wie „musikalischer Schlamm“, weil sie sich der echten Innovation verweigere.[7] Ähnlich wie bei Dmitrij Schostakowitsch, der mit seiner Musik 1936 in Ungnade gefallen war, sollte sich aber auch für Knaifel das Blatt wenden. Der gegen ihn erhobene Vorwurf hatte längerfristig keine nachteiligen Folgen, und heute gilt Alexander Knaifel als international anerkannter Komponist.

Eine der Ursachen dafür dürfte Knaifels Hinwendung zu religiösen Themen sein, wie sie sich seit dem Agnus Dei (1985) abzeichnet. Das Agnus Dei gehört zu den wichtigsten Werken von Alexander Knaifel, mit einer Aufführungsdauer von ca. zwei Stunden beeindruckt das für vier Instrumentalisten komponierte Werk nicht allein durch seine extreme Länge und Ruhe, sondern vor allem durch seine geistige Tiefe. Texthintergrund ist das Tagebuch eines Mädchens, das während der Belagerung von Leningrad im Zweiten Weltkrieg den Tod sämtlicher Familienmitglieder miterlebt und aufgezeichnet hatte. Knaifel, dessen Großvater 1942 in der Folge von Hungersnot in Leningrad ebenfalls ums Leben gekommen war, fühlt sich als „Verräter“ an seinen Landsleuten, weil er das Glück hatte, in sicherer Entfernung vom Kriegsgeschehen geboren und aufgewachsen zu sein: „Möglicherweise habe ich Agnus Dei auch als Sühnezeichen für meine (nicht existierende) Schuld komponiert, außerhalb von St. Petersburg auf die Welt gekommen zu sein.“ Angesichts der Schönheit der Schöpfung, die er in jedem Moment seines Lebens in all ihrer Fülle erlebt, verzichtet er auf die verbale Rezitation des liturgischen Textes. Er spricht von der „Endlosigkeit und dem großen Eins-Sein des Wort-Ton-Geheimnisses“, durch welche die von ihm geschaffenen Töne mit dem Gebet Agnus Dei verbunden sind.[8]

Große Erfolge feierte er in späteren Jahren unter anderem in Amsterdam bei der Uraufführung seiner Oper Alice In Wonderland im Jahre 2001 (nach Alice im Wunderland von Lewis Carroll) und mit einem Porträtkonzert beim Eclat Festival Neue Musik 2005 in Stuttgart.[9]


Auszeichnungen und Mitgliedschaften



Diskografie



Literatur (Auswahl)





Einzelnachweise


  1. In einem Interview mit Klaus Hinrich Stahmer (Berlin, 12. Mai 2015) stellte Alexander Knaifel die in der Literatur überlieferte Formulierung richtig, dass er seit 1967 am Sankt Petersburger Konservatorium unterrichtet habe.
  2. Detlef Gojowy, in: Komponisten der Gegenwart (Loseblattlexikon), Verlag text + kritik, 1992 (Grundblatt)
  3. Alexander Knaifel; vgl. Fußnote 1
  4. Alexander Knaifel; vgl. Fußnote 1
  5. Die Musik in Geschichte und Gegenwart (2. Auflage, 2003), Personenteil Bd. 10, S. 326
  6. The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 2. Auflage, 2001, Bd. 13, S. 689
  7. Andreas Kloth: Der russische Komponist Vjačeslav Artëmov – Ein Beispiel für die politisch und gesellschaftlich bedingte Rezeption nonkonformistischer sowjetischer Komponisten. Essen 2009 [Die Blaue Eule, Bd. 88], S. 101ff. ISBN 3-89924-244-0
  8. Alexander Knaifel: Agnus Dei, Begleittext zur Veröffentlichung bei Megadisc Classic (Memento vom 14. Juni 2015 im Internet Archive)
  9. Alexander Knaifel beim Festival „eclat“ 2005 in Stuttgart, Sikorski.de, Newsarchiv Dezember 2004
Personendaten
NAME Knaifel, Alexander Aronowitsch
ALTERNATIVNAMEN Кнайфель, Александр Аронович (russisch)
KURZBESCHREIBUNG russischer Cellist und Komponist
GEBURTSDATUM 28. November 1943
GEBURTSORT Taschkent, Usbekische SSR, Sowjetunion

На других языках


- [de] Alexander Aronowitsch Knaifel

[en] Alexander Knaifel

Alexander Aronovich Knaifel (Russian: Алекса́ндр Аро́нович Кна́йфель; also Knayfel, Knayfel, or Kneifel; born 28 November 1943 in Tashkent, Uzbekistan) is a Russian composer known for his operas The Ghost of Canterville and Alice in Wonderland as well as for his music for cinema.

[ru] Кнайфель, Александр Аронович

Александр Аронович Кнайфель (род. 28 ноября 1943, Ташкент, Узбекская ССР, СССР) — советский и российский композитор. Заслуженный деятель искусств Российской Федерации (1996).



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