Jan Dismas Zelenka (Taufname Jan Lukáš Zelenka;[1] * getauft 16. Oktober 1679 in Launiowitz, Böhmen; † 23. Dezember 1745 in Dresden) war ein böhmischer Barockkomponist.
Jan Dismas Zelenka war Sohn eines tschechischen Dorflehrers und Organisten. Er wurde am Prager Jesuitenkolleg, wahrscheinlich am Clementinum, ausgebildet. Aus der Titelseite der Komposition Immisit Dominus pestilentiam geht hervor, dass Zelenka im Jahr 1709 im Haushalt von „Graf Hartig“ lebte. 1712 schrieb Zelenka in einem Bewerbungsschreiben an Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, er habe bei dem berühmten Musiker „Baron von Hartig“ aus Prag musikalische Unterweisung erhalten.[2]
Im Jahr 1710 trat er eine Stelle als Violonist bzw. Kontrabassist am sächsischen Hof in Dresden an. Zwischen 1716 und 1719 reiste er nach Wien, wo er bei Johann Joseph Fux studierte. Ein vielfach vermuteter Aufenthalt in Italien, wo er Antonio Lotti und Alessandro Scarlatti getroffen haben soll, ist nicht belegt. Nach dem Tod des Dresdner Kapellmeisters Johann David Heinichen 1729, den er während dessen Krankheit bereits vertreten hatte, bewarb er sich bei Kurfürst Friedrich August II. um dessen Nachfolge, unterlag jedoch Johann Adolf Hasse. 1733 wurde er lediglich zum Hofkomponisten und 1735 zum „Kirchen-Compositeur“ ernannt und er blieb, mit Ausnahme gelegentlicher Reisen nach Prag, bis zu seinem Tod im Jahr 1745 in Dresden.
Zelenkas Grab auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden ist nicht erhalten. Seit 1996 erinnert auf dem Friedhof eine Gedenkstele an ihn. Ein authentisches Porträt Zelenkas ist nicht überliefert.[3] Im Internet häufig zu findende angebliche Darstellungen Zelenkas[4] zeigen in Wirklichkeit Johann Joseph Fux.
Jan Dismas Zelenka komponierte höchst originelle und unkonventionelle Orchester- und Vokalwerke. Viele davon erlebten erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Charakteristisch für seine Kompositionen ist der häufige Einbau tonartfremder Akkorde. In seinen herausragenden geistlichen Werken für den Dresdner Hof (seit der politisch motivierten Konversion Augusts des Starken zum katholischen Glauben) verbindet er teils archaische Satztechniken mit den modernsten Ausdrucksmitteln seiner Zeit zu hochexpressiven Schöpfungen.
Zelenkas wichtigster erhaltener Beitrag zur Kammermusik sind sechs Triosonaten, die sich durch lange Themenköpfe und durchgehend kontrapunktische Satztechnik auszeichnen. Die Werke sind spezifisch für die technischen Möglichkeiten und die Klangwirkung der angegebenen Instrumente geschrieben – in fünf Sonaten werden die Oberstimmen von zwei Oboen gespielt, in einer von einer Oboe und einer Violine, häufig findet sich eine gesonderte Stimme für ein Fagott, das nicht unisono mit dem Violoncello der Continuo-Gruppe geführt wird. Hier unterscheidet sich Zelenka von etlichen Zeitgenossen, in denen die Oberstimmen der Sonaten von verschiedenen Instrumenten übernommen werden konnten.
Zelenka konnte auf eine reiche tschechische, wenn auch oft anonyme Tradition zurückgreifen. Als tschechische Komponisten vor Zelenka sind etwa Adam Václav Michna z Otradovic oder Pavel Josef Vejvanovský zu nennen. Wie Zelenka fanden auch weitere böhmische Komponisten außerhalb ihrer Heimat Anstellung und Anerkennung, wie Andreas Hammerschmidt, Heinrich Ignaz Franz Biber, Josef Mysliveček und Jan Křtitel Vaňhal.
Zelenka verdankt seine Wiederentdeckung in Tschechien besonders dem Musikwissenschaftler und Flötisten Milan Munclinger. 1959 spielte er mit seinem Ensemble Ars Rediviva für das Label Supraphon eine der Kammersonaten ein (in dem Ars-rediviva-Konzertzyklus schon 1958 aufgeführt). 1964 folgten die Schallplattenaufnahmen von weiteren Triosonaten, Orchesterwerken und 1969 die Lamentationes Jeremiae Prophetae (Solisten: Theo Altmeyer, Karel Berman, Nedda Casei; Ars rediviva unter der Leitung von Milan Munclinger), ebenfalls für Supraphon.
Seit Mitte der 1970er-Jahre werden der Erfindungsreichtum und die Virtuosität von Zelenkas Gesamtwerk, das sich von den verbreiteten Stilen des 18. Jahrhunderts beträchtlich entfernt, mehr und mehr gewürdigt. Einen maßgeblichen Anteil an der Wiederentdeckung der Werke Zelenkas hatte der Oboist, Dirigent und Komponist Heinz Holliger, der 1972 die Schallplattenaufnahmen der sechs Triosonaten für das Label DGG Archiv Produktion leitete und 1977 an der Einspielung der Orchesterwerke (ebenfalls DGG Archiv Produktion) beteiligt war. Aufgrund der Verwandtschaft zu den Klangvorstellungen Johann Sebastian Bachs wird Zelenka in zunehmendem Maße als dessen Pendant erkannt. J. S. Bach selbst schätzte seinen Kollegen sehr, was auf Gegenseitigkeit beruhte.
Das kirchenmusikalische Werk Zelenkas wird seit seiner Entstehungszeit nahezu ununterbrochen an der Dresdner Hofkirche gepflegt, dem Ort, für den die meisten seiner Werke komponiert wurden. Die Dresdner Kapellknaben führen gemeinsam mit Mitgliedern der Staatskapelle Dresden, der Nachfolgeinstitution der sächsischen Hofkapelle, Mess- und Psalmvertonungen Zelenkas eingebunden in den liturgischen Kontext auf.
Einer der bedeutenden Interpreten Zelenkascher Kirchenmusik ist der Marburger Bachchor, 1966 von Studenten der Philipps-Universität Marburg gegründet. Unter der Leitung von Wolfram Wehnert (früher Hochschule für Musik und Theater Hannover) erwarb sich der überregionale Chor durch die zahlreichen Wiederaufführungen von Zelenkas Musik zwischen 1978 und 1990, vor allem der Missa dei Patris, der Missa votiva und weiterer, zum Teil einzigartiger Kompositionen, internationale Anerkennung. Mit Zelenkas Musik reiste das Ensemble mit verschiedenen Orchestern durch viele europäische Länder und trug auf vielen Festivals erheblich zur Renaissance der Musik Zelenkas bei.
Das tschechische Ensemble Collegium 1704 widmet sich schwerpunktmäßig dem Werk Zelenkas. Es ehrt den Komponisten auch mit der Jahreszahl 1704 in seinem Namen: Im August 1704 wurde Zelenkas Werk Via Laureata in der Prager Sankt-Nikolaus-Kirche aufgeführt.[5]
Zelenkas Kompositionen wurden vom Musikwissenschaftler Wolfgang Reich im Zelenka-Werke-Verzeichnis (ZWV) zusammengefasst und katalogisiert.
Geistliche Vokalmusik
Weltliche Vokalmusik
Instrumentalmusik
Der Nachlass von Jan Dismas Zelenka wird in der Musikabteilung der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden unter der Signatur Mus.2358-… aufbewahrt. Er enthält Musikautographe im Umfang von ca. 190 Katalognummern.[6]
Personendaten | |
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NAME | Zelenka, Jan Dismas |
ALTERNATIVNAMEN | Zelenka, Jan Lukáš (Taufname); Zelenka, Johann Dismas |
KURZBESCHREIBUNG | böhmischer Komponist des Spätbarock |
GEBURTSDATUM | getauft 16. Oktober 1679 |
GEBURTSORT | Launiowitz, Böhmen |
STERBEDATUM | 23. Dezember 1745 |
STERBEORT | Dresden |