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Joseph Joachim Raff (* 27. Mai 1822 in Lachen, Schweiz; † 24. Juni 1882 in Frankfurt am Main) war ein schweizerisch-deutscher Komponist und Musikpädagoge.

Joachim Raff (Stahlstich von August Weger)
Joachim Raff (Stahlstich von August Weger)

Leben



Jugendjahre


Joseph Joachim Raff wuchs in Lachen am oberen Zürichsee auf. Sein Vater, der Schulmeister (ab 1817 angestellt) und Musiklehrer Franz Josef Raff, war 1810 vor einer württembergischen Zwangsrekrutierung in die Schweiz geflüchtet, wo er in Lachen im Kanton Schwyz die Tochter des Ochsenwirts, Katharina Schmid, heiratete. 1838 zog er nach Schmerikon, dann nach Schwyz. Die bescheidenen Einkünfte als Schulmeister erlaubten es ihm nicht, seinem Sohn Joachim eine umfassende Schulbildung angedeihen zu lassen. Früh übte sich der Knabe indessen im Geigen-, Klavier- und Orgelspiel.

Als der päpstliche Nuntius in einer amtlichen Angelegenheit eines Dolmetschers bedurfte, trat Joachim mit 18 Jahren als dessen Begleiter ins Erwerbsleben ein. Er bewährte sich ausgezeichnet und wurde noch im selben Jahr Lehrer in Rapperswil. Seine Gedanken galten jedoch der Musik, und schon vier Jahre später befreite er sich vom Schuldienst. Infolge eines Jugendstreichs wurde er als „unerwünschter Ausländer“ aus dem Kanton Schwyz ausgewiesen und zog nach Zürich. Als er erfuhr, dass Franz Liszt ein Konzert in Basel geben würde, ergab sich im Sommer 1845 die Möglichkeit, sein großes Vorbild selbst zu erleben und zu sehen. Da er kein Reisegeld hatte, marschierte er bei strömendem Regen zu Fuß. Leider waren alle Plätze ausverkauft, aber Liszt erfuhr von seinem Verehrer, ließ ihn zusätzlich in den Konzertsaal und gab ihm einen besonderen Platz auf der Bühne. Durch Liszts Vermittlung erhielt Raff ab Herbst 1845 eine Anstellung in einer Kölner Musikalienhandlung. Damit endete seine Schweizer Zeit.


Anfänge als Komponist


Raff war hauptsächlich Autodidakt, doch schon seine ersten Kompositionen ließen eine große Begabung erkennen. Im Bestreben, sich möglichst rasch finanziell unabhängig zu machen und bekannt zu werden, verfiel er in ein wahres Kompositionsfieber und produzierte wie am Fließband, was für seine künstlerische Entwicklung wenig förderlich war. In einem Brief erklärte er, er wolle seine Komponistenkarriere mit Gewalt erzwingen.

Auf Mendelssohns und Liszts Empfehlung erschienen bei Breitkopf erste Kompositionen im Druck. Einen festen Vertrag, der für eine Zukunft als eigenständiger Komponist nötig gewesen wäre, wollte aber niemand mit ihm schließen, was zum Teil auch auf Raffs angeblich oft undiplomatisches Benehmen zurückzuführen sein dürfte. In seiner Verzweiflung über den nicht kommen wollenden Durchbruch und darüber, dass Liszt ihn seiner Meinung nach nicht ausreichend unterstützte, wandte sich Raff in Richtung der Heimat seines Vaters und zog nach Stuttgart, musste aber auch dort ein kärgliches Leben als gelegentlicher Musiklehrer fristen.

In Stuttgart lernte er den Pianisten Hans von Bülow kennen, der sein Förderer und langjähriger Freund werden sollte. Nach einer Anstellung in einem Verlag in Hamburg und einem umfangreichen Entschuldigungsschreiben an Liszt kehrte er 1849 zu diesem nach Weimar zurück, diesmal als persönlicher Sekretär und Assistent.[1] Raff hatte vor allem die Instrumentierung von Liszts Orchesterwerken durchzuführen, was ihm zwar keine Lorbeeren, aber reichlich Erfahrung eintrug. Seine Oper König Alfred wurde vom Publikum gut aufgenommen. In Weimar lernte er Doris Genast kennen, die Tochter des Direktors des Weimarer Hoftheaters, die er 1859 heiraten sollte[2].

Auch mit dem virtuosen Geiger Joseph Joachim machte er hier Bekanntschaft, freundete sich mit ihm an und ermunterte ihn zum Komponieren. Seine Tochter Helene Raff schrieb später: „Wenn sie sich in die Fremdenbücher einzeichneten, hatten sie ihren Spaß daran, wie nett die zwei Namen untereinanderstanden.“[3] Hans von Bülow meinte dazu: „Außer mit Raff und dessen Vornamen gehe ich hier mit Niemanden um.“[3]. Zusammen schrieben die drei Freunde virtuose Kammer- und Klaviermusik.[4]


Wiesbadener Jahre und zunehmender Erfolg


Weil der ganz große Erfolg allerdings auf sich warten ließ, siedelte Raff 1853 zu Doris nach Wiesbaden über. Mit seiner ersten Sinfonie An das Vaterland über das Lied Was ist des Deutschen Vaterland?, die mit ihrem Patriotismus den Nerv der Zeit traf, gewann er 1861 bei dem Musikwettbewerb der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien mit prominenter Jury den ersten Preis;[5] die Uraufführung fand am 22. Februar 1863 im Wiener Musikverein statt.[6]

Die Sinfonie Im Walde verbreitete seinen Ruhm rasch, ebenso wie die auch heute noch gelegentlich gespielte fünfte Sinfonie Leonore. In Wiesbaden, wo Raff auch einige Zeit mit seinem Kollegen Richard Wagner verbrachte, wirkte er bis 1877. Neben seiner anfänglichen Tätigkeit als Lehrer für Klavier sowie Dozent für Harmonik gilt diese Zeit als seine produktivste Phase kompositorischen Schaffens. Der zunehmende Erfolg seiner Werke erlaubte es ihm, ab Anfang der 1870er Jahre als freischaffender Komponist zu arbeiten.


Frankfurter Jahre und Tod


Grab auf dem Hauptfriedhof Frankfurt
Grab auf dem Hauptfriedhof Frankfurt

Im Jahre 1878 folgte er der Berufung zum ersten Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main, das dank seines Wirkens recht schnell einen internationalen Ruf erlangte. Damit hatte sich sein sehnlichster Wunsch nach einer gesicherten Existenz erfüllt. Während fünf Jahren bewies er seine großen Fähigkeiten als Pädagoge und Organisator und war als Komponist und Konservatoriumsdirektor hoch angesehen. Weggefährten dieser Zeit waren unter anderem Clara Schumann und Julius Stockhausen. Raff berief sowohl Vertreter der Neudeutschen Schule als auch der Konservativen als Lehrkräfte an das Hoch'sche Konservatorium, da ihm eine ausgewogene Berücksichtigung beider Lager wichtig war. Zu seinen Schülern aus der Frankfurter Zeit zählten unter anderem Gottfried Angerer, Edward MacDowell, Johan Messchaert, Heinrich Spangenberg und Lazzaro Uzielli.[7]

Joachim Raff verstarb 1882 an einem Herzinfarkt in seiner Frankfurter Wohnung. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung fand am 27. Juni[8] die Beisetzung auf dem Frankfurter Hauptfriedhof statt (Grablage: Gewann D 298).[9] Der Magistrat der Stadt erklärte das Grab zum Ehrengrab. Beileidsbezeugungen aus der ganzen Welt trafen ein. Dann wurde es allmählich still um ihn. Seine noch um die Wende zum 20. Jahrhundert in den Konzertsälen heimischen Werke fielen bald in Vergessenheit. Zum Anlass seines 150. Geburtstages wurde 1972 in seinem Geburtsort Lachen ein Denkmal enthüllt.


Nachruhm


Raff war vielseitig und produktiv und fiel seinen Zeitgenossen durch seinen scharfen Intellekt auf. Er galt zu Lebzeiten als einer der gefragtesten Komponisten des deutschen Kulturraums und wurde von zeitgenössischen Kommentatoren in eine Reihe mit Wagner und Brahms gestellt. Sein kompositorisches Schaffen umfasst Opern, Sonaten, Sinfonien, Instrumentalkonzerte, Suiten sowie Ouvertüren und Kammermusik. Seiner Orchestrierungskunst sind auch die Erstfassungen der frühen Sinfonischen Dichtungen Franz Liszts zu verdanken, die dieser am Klavier konzipierte und nach seinen Vorgaben Raff zum Orchestrieren überließ.

Zu Raffs Lebzeiten wurden seine Werke häufig aufgeführt.[10] Im 20. Jahrhundert war er weitgehend vergessen, seine Kompositionen wurden ungünstig beurteilt.[11][12] Etwa seit 1970 und insbesondere ab den 1980er Jahren wurden zahlreiche Werke (vor allem die Instrumentalmusik) auf Tonträgern veröffentlicht, so dass man sich selbst ein Urteil bilden kann. Aus Anlass seines 200. Geburtstags gibt es sehr viele Konzerte mit Musik von Raff, u. a. auch die Uraufführung zweier seiner Opern («Die Eifersüchtigen» am 4. September 2022 in Arth, «Samson» am 11. September 2022 in Weimar).

Mit der Wiederentdeckung der Romantik scheint sich heute eine Aufwertung seines Schaffens anzubahnen. Sicher war nicht alles, was Raff schrieb, von gleichem Rang. Seine besten Kompositionen zeichnen sich aber durch eine reiche künstlerische Anlage und Ausdruckskraft aus. Mit Geschmack hatte er es verstanden, Formen des damals verpönten Barocks und der Klassik mit dem Gedankengut seiner Zeit zu verbinden. Bisweilen weisen seine Kompositionen auf Tschaikowski, Mahler und Richard Strauss voraus: Man kann bei Raffs Musik von einem «missing link» des 19. Jahrhunderts zwischen Mendelssohn Bartholdy und Schumann einerseits und den genannten späteren Komponisten sprechen.


Werke


Bildnis aus jüngeren Jahren
Bildnis aus jüngeren Jahren
Gedenktafel, Lachen SZ (Schweiz)
Gedenktafel, Lachen SZ (Schweiz)

Opern



Werke für Chor und Orchester



Sinfonien



Sonstige Orchesterwerke



Konzerte



Kammermusik mit Klavier



Kammermusik ohne Klavier



Klavier zu 2 Händen



Klavier zu 4 Händen



2 Klaviere


Orgel

Introduktion und Fuge e-Moll

Meditation


Schriften



Diskographie (Auswahl)



Schallplatte



CD


Ende 2018 waren fast 70 CDs mit seinen Werken erhältlich.[17]


Dokumente


Briefe von J. Raff von 1852 bis 1875 befinden sich im Bestand des Leipziger Musikverlages C. F. Peters im Staatsarchiv Leipzig. In seinem Geburtshaus in Lachen wurde 2018 unter Federführung von Res Marty – Leiter der Joachim-Raff-Gesellschaft[18] – das Joachim-Raff-Archiv mit Autographen, Erstausgaben u. a. nachgelassenen Gegenständen eröffnet. Im Dezember 2019 wurde der Online-Zugang zum Archivverzeichnis frei geschaltet. Durch die digitale Aufbereitung der Briefwechsel und Raffs Verbindungen zu Personen und Institutionen werden für den Benutzer die Bezüge sichtbar.[19]


Literatur


Nachrufe
  • Nekrolog. Joachim Raff.. In: Neue Zeitschrift für Musik, 14. Juli 1882, S. 318 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nzm
  • Joachim Raff †.. In: Die Presse, 28. Juni 1882, S. 11 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr

Bibliographien



Commons: Joachim Raff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Beitrag über Joachim Raff. (PDF; 524 kB) SWR2, 8. Mai 2017
  2. Mark Thomas: Doris Genast, Raff's wife. Abgerufen am 18. Juni 2021.
  3. Helene Raff: Joachim Raff: Ein Lebensbild. In: Deutsche Musikbücherei. Band 42. Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1925, S. 94 f.
  4. Beitrag über Joachim Raff. (PDF; 527 kB) SWR2, 10. Mai 2017
  5. Beitrag über Joachim Raff. (PDF; 528 kB) SWR2, 11. Mai 2017
  6. Ed. H. (d. i. Eduard Hanslick): Feuilleton. Musik. Die Preissymphonien …. In: Die Presse, 24. Februar 1863, S. 1f. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr
  7. Beitrag über Joachim Raff auf der Webseite der HfMT
  8. * – * Die Beerdigung Joachim Raff’s …. In: Neue Zeitschrift für Musik, 21. Juli 1882, S. 328 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nzm
    Die Beerdigung Joachim Raff’s fand am 27. Juni unter zahlreicher Theilnahme der Frankfurter statt. Am Eingang des Friedhofes empfing das Theaterorchester mit den Klängen des Trauermarsches aus Beethoven’s Eroica den reich mit Blumen geschmückten Sarg, am Grabe stimmte der Lehrerverein den von B. A. Weber componirten Gesang der Mönche aus Schiller’s Tell an: „Rasch tritt der Tod den Menschen an“. Nachdem die Ceremonien des katholischen Ritus vollzogen waren, sprachen Hr. Dir. Veith im Namen des Curatorium des Hoch’schen Conservatoriums, sodann Hr. Prof. Böhm im Namen des Lehrercollegium herzliche Worte des Dankes und der Würdigung der reichen Verdienste des Dahingeschiedenen. Deputationen einheimischer und auswärtiger Vereine legten Palmen und Kränze auf dem Grabe nieder und mit dem Chor „Des Pilgers Reise“ von Cornelius wurde die Trauerfeierlichkeit beschlossen. —
  9. Wegweiser zu den Grabstätten bekannter Persönlichkeiten auf Frankfurter Friedhöfen. Frankfurt am Main 1985, S. 13
  10. Gerhard Schuhmacher: Raff, Joseph Joachim. In: Marc Honegger, Günther Massenkeil (Hrsg.): Das große Lexikon der Musik in acht Bänden. Band 6. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1981, ISBN 3-451-18056-1, S. 392–393, hier S. 393.
  11. Paula Rehberg: Franz Liszt. Die Geschichte seines Lebens, Schaffens und Wirkens. Artemis-Verlag, Zürich/Stuttgart 1961, DNB 453952763, S. 180–181: „Er war ein guter und ergiebiger Komponist, den jedoch Mangel an genialem Schwung und eine allzu starke Bindung an die Lisztsche Stilrichtung daran hinderten, zu zeitenüberdauernder Bedeutung zu gelangen.“
  12. Alfred Baumgartner: Propyläen Welt der Musik – Die Komponisten. Ein Lexikon in fünf Bänden. Bearbeitete Ausgabe. Band 4. Propyläen, Berlin/Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-549-07830-7, S. 419–420, hier S. 420: „Die 214 Werke von Joachim Raff verschwanden nach dessen Tod sehr bald von den Programmen, denn sie waren wohl kontrapunktisch glänzend gearbeitet und geschickt instrumentiert, aber bar jeder Originalität. Das gilt für seine 6 Opern (…) wie für seine 11 Sinfonien, die wohl alle programmatische Titel tragen (…), aber diese musikalisch nicht ausdrücken.“
  13. Alfred Baumgartner: Propyläen Welt der Musik – Die Komponisten. Ein Lexikon in fünf Bänden. Bearbeitete Ausgabe. Band 4. Propyläen, Berlin/Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-549-07830-7, S. 419–420, hier S. 420.
  14. Alfred Baumgartner: Propyläen Welt der Musik – Die Komponisten. Ein Lexikon in fünf Bänden. Bearbeitete Ausgabe. Band 4. Propyläen, Berlin/Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-549-07830-7, S. 419–420, hier S. 420.
  15. raff.org
  16. Besprechung der Neuerscheinung: Kammer- und Hausmusik. . In: Neue Zeitschrift für Musik, 1. Juli 1861, S. 4 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nzm
  17. Joachim Raff – Bücher, CDs, Noten und mehr – jpc.de. Abgerufen am 29. Dezember 2018.
  18. «Persönlich» Schweizer Radio DRS, 29. Januar 2012, ab Minute 37
  19. Portal des Joachim-Raff-Archivs, abgerufen am 13. Dezember 2019
Personendaten
NAME Raff, Joachim
ALTERNATIVNAMEN Raff, Joseph Joachim (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG schweizerisch-deutscher Komponist und Musikpädagoge
GEBURTSDATUM 27. Mai 1822
GEBURTSORT Lachen SZ, Schweiz
STERBEDATUM 24. Juni 1882
STERBEORT Frankfurt am Main

На других языках


- [de] Joachim Raff

[en] Joachim Raff

Joseph Joachim Raff (27 May 1822 – 24 or 25 June 1882) was a German-Swiss composer, pedagogue and pianist.

[es] Joachim Raff

Joseph Joachim Raff (Lachen, Suiza, 27 de mayo de 1822 — Fráncfort del Meno, Alemania, 24 de junio de 1882) fue un compositor germano-suizo.

[ru] Рафф, Йозеф Иоахим

Йозеф Иоахим Рафф (нем. Joseph Joachim Raff; 27 мая 1822, Лахен близ Цюриха, Швейцария — 4 июня 1882, Франкфурт-на-Майне) — немецко-швейцарский композитор, музыкальный педагог, музыкант.



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