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Johanna Magdalena Beyer (* 11. Juli 1888 in Leipzig; † 9. Januar 1944 in New York, NY) war eine deutsch-amerikanische Komponistin und Pianistin.


Biografie


Aus ihrem Leben vor dem Umzug in die Vereinigten Staaten im Jahre 1923 ist wenig bekannt. Sie war drei Jahre lang Mitglied in der Leipziger Singakademie und schloss mit einem Diplom der Deutschen Konservatorien und Musikseminare ab, wo sie die Fächer Klavier, Harmonielehre, Musiktheorie, Kontrapunkt, Singen und Tanzen belegt hatte. New Yorker Kollegen berichteten später über ihr exzellentes Klavierspiel und ihre Musikalität; ihre musikalische Ausbildung scheint traditionell und solide gewesen zu sein.[1] Sie verbrachte als junge Frau von 1911 bis 1914 drei Jahre in den USA; über ihre Aktivitäten in diesen Jahren ist aber nichts näheres bekannt.

Nach ihrer endgültigen Emigration in die Vereinigten Staaten 1923 – in ihren biografischen Notizen ist von einer Einladung zu einem Komponistenforum zu lesen – studierte sie am Mannes College of Music, wo sie 1928 zwei Abschlüsse erhielt. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, unterrichtete sie Klavier, u. a. an der Greenwich House Music School, hatte aber wohl Schwierigkeiten über die Runden zu kommen.

In den späten 1920er und den frühen 1930er Jahren begann sie Studien bei Ruth Crawford, Charles Seeger und Dane Rudhyar und besuchte ab 1934 Henry Cowells Schlagzeugklasse an der New School for Social Research.

Ihr musikalisches Leben war in diesen Jahren eng verbunden mit Seeger, Crawford, Cowell, John Cage und anderen Modernisten wie Jessie Beats, einem heute vergessenen Komponisten und Maler, der zusammen mit Beyer studierte.[2] Ihr engster Freund war Cowell, überlieferte Korrespondenzen erzählen von einer turbulenten und möglicherweise romantischen Beziehung zwischen den beiden Komponisten.[3] Beyer fungierte von 1936 bis 1941 aus freien Stücken als Cowells Sekretärin, nur 1941 wurde sie dafür teilweise entschädigt.[4]

Obwohl sie als Komponistin weitgehend ignoriert wurde, hatte sie eine Reihe von wichtigen Aufführungen:[5] Die erste fand 1933 in der New School statt, wo ihre „Three Songs“ für Sopran, Klavier und Schlagzeug aufgeführt wurden. Ein Jahr später erklang der zweite Satz aus ihrer Suite für Klarinette und Fagott auf einem von Henry Cowell im Rahmen der kalifornischen Gesellschaft für Neue Musik in San Francisco veranstalteten Konzert, wurde jedoch als „trübseliges, fades Duett“ wahrgenommen.[6] John Cage führte zwei Sätze ihrer „Three Movements for Percussion“ während seiner Percussion-Tournee durch den Nordwesten der USA in den späten 1930er Jahren auf.[7]

1936 konnte sie ihre vielseitigen Fähigkeiten mit dem Bühnenstück „The modern composer“ unter Beweis stellen, für das sie die Texte, die Musik, die Choreografie des modernen Balletts, die Kostüme sowie die Produktionsleitung und PR verantwortete und bei dem sie nicht zuletzt auch als Pianistin mitwirkte. Das Theaterstück wurde unter der Schirmherrschaft des Federal Music Projekt im Central Manhattan Music Center zur Aufführung gebracht; die Manuskripte gelten als verschollen. Ihre Musik wurde in den Jahren 1936 und 1937 im New Yorker Komponisten Forum aufgeführt.[8]

Beyer litt in ihren letzten Lebensjahren an der Muskelkrankheit ALS. Sie starb am 9. Januar 1944 in New York City.


Musikalischer Stil


Viele Kompositionen Beyers, insbesondere die in den Jahren 1931 bis 1939 entstanden Werke, sind der Ästhetik der „amerikanischen Ultra-Moderne“ verpflichtet, einem Kreis von Komponisten um Ruth Crawford Seeger, Charles Seeger, Henry Cowell, Dane Rudhyar und Carl Ruggles. Sie können als Beispiele des „dissonanten Kontrapunkt“ gelten, jenem kompositorischen System, das Charles Seeger und Henry Cowell entwickelt hatten und das auch in den Werken von Ruth Crawford Seeger stark zum Tragen kommt. Dennoch entwickelte Beyer ihre eigenen unverwechselbaren Gesten und Verfahrensweisen, die ihre Musik von der ihrer Kollegen unterscheidet. Ihre Kompositionen sind charakterisiert durch einen ökonomischen Umgang mit dem Material, ausbalancierten und wohl konstruierten Formen, „einem einzigartigen Sinn für Humor und Skurrilität“ und einer Verpflichtung an das musikalische Experiment.[9]

Obwohl ihre Musik weder zu Lebzeiten noch in den Jahrzehnte nach ihrem Tod größere Aufmerksamkeit erhielt, gehörte sie mit ihrer fast „prophetischen“ Kraft zum Experimentellsten, was in den 1930er Jahren komponiert wurde. „Music of the Spheres“ (1938) ist das erste elektroakustische Werk, das von einer Frau komponiert wurde.[10] Der vierte Satz ihrer Suite für zwei Klarinetten (1931) ist eines der ersten Beispiele einer tonhöhen-basierten Annäherung an rhythmische Prozesse, wie sie erst Ende der 1940er Jahre bei Komponisten wie Elliott Carter und Conlon Nancarrow voll zur Entfaltung kamen.[11] Darüber hinaus nehmen einige Werke bereits Entwicklungen der Minimal Music der 1960er Jahre vorweg, so etwa im vierten Satz ihres ersten Streichquartettes. Sie verwendete zudem in ihren Klavierwerken bereits Cluster (Tonballungen), so etwa in „Clusters“ für Klavier Solo von 1936 und in „Movement for two Pianos“ (1936), die vom Pianisten auch unter Verwendung der Unterarme gespielt werden.

Johanna Beyers größter und nachhaltigster Beitrag zur Entwicklung der neuen Musik sind wahrscheinlich ihre Werke für Schlagwerk. Ihre „Percussion Suite“ aus dem Jahr 1933 ist eines der frühesten Beispiele für dieses Genre und unterscheidet sich stark von den Werken ihrer Zeitgenossen. Sie „lotet (in Ihrer Musik) die unterschätzten und recht expressiven Möglichkeiten der Schlaginstrumente aus,“ wie John Kennedy schreibt.[12] Weitere Werke für Schlagzeug aus den 30er Jahren sind „IV“ (1935), „March for 30 Percussion Instruments“ (1939), welches für Kennedy „eines der am besten orchestrierten Werke für Schlagwerk-Ensembles überhaupt“ darstellt, sowie „Three Movements for Percussion“ (1939). Alle ihre Kompositionen für Schlagwerk unterscheiden sich von denen ihrer Zeitgenossen durch ihre Art des Humors und ihrer Betonung der musikalischen Prozesse und weniger der rein rhythmischen Erkundung.


Werke


Percussion

Chamber works

Für Klavier (Solo):

Lieder:

gemischte Ensembles

Chor

Orchester


Diskografie (Auszüge)



Quellen





Einzelnachweise


  1. John Kennedy und Larry Polansky: „Total Eclipse“: The Music of Johanna Magdalena Beyer. Musical Quarterly 80/4, Winter 1996, S. 720.
  2. Melissa de Graaf: Intersections of Gender and Modernism in the Music of Johanna Beyer. Institute for Studies in American Music Newsletter 33/2, Frühjahr 2004, S. 8–9, 15.
  3. Melissa de Graaf: „Never Call Us Lady Composers“: Gendered Receptions at the New York Composers’ Forum, 1935–1940. American Music 26/3, Herbst 2008, S. 291–92.
  4. Amy Beal: „Her Whimsy and Originality Really Amount to Genius“: New Biographical Research on Johanna Beyer. American Music 38/1, Herbst 2008, S. 12.
  5. Charles Amirkhanian: Women in Electronic Music – 1977. Liner notes, New World Records, Veröffentlichung Nr. 80653.
  6. vgl. Kennedy und Polansky: Total Eclipse, S. 721.
  7. vgl. Kennedy und Polansky: Total Eclipse, S. 723.
  8. zu Beyers Erfahrungen mit dem Composers’ Forum vgl. Melissa de Graaf: Intersections of Gender and Modernism in the Music of Johanna Beyer.
  9. vgl. Kennedy und Polansky: Total Eclipse, S. 725.
  10. vgl. Elizabeth Hinkle-Turner: Lady Ada's offspring: Some women pioneers in music technology. In: Martina Homma (Hrsg.): Frau Musica (nova): Komponieren heute/Composing today. Studio-Verlag, Sinzig 2000, S. 25–33.
  11. Marguerite Boland und Larry Polansky: Tempo Melodies in the Johanna Beyer Clarinet Suites, 2007-08 (englisch, PDF)
  12. vgl. auch im Folgenden Kennedy und Polansky: Total Eclipse, S. 726.
  13. Von diesem Werk existiert auch eine Bearbeitung für 6 Violoncelli und Triangel von Johannes X. Schachtner, 2015.
Personendaten
NAME Beyer, Johanna
ALTERNATIVNAMEN Beyer, Johanna Magdalena (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutsch-amerikanische Komponistin und Pianistin
GEBURTSDATUM 11. Juli 1888
GEBURTSORT Leipzig
STERBEDATUM 9. Januar 1944
STERBEORT New York

На других языках


- [de] Johanna Beyer

[en] Johanna Beyer

Johanna Magdalena Beyer (July 11, 1888 – January 9, 1944) was a German-American composer and pianist.

[es] Johanna Beyer

Johanna Magdalena Beyer (Leipzig, 11 de julio de 1888 -Nueva York, 9 de enero de 1944) fue una compositora y pianista alemana nacionalizada estadounidense.

[ru] Бейер, Йоханна

Йоханна Магдалена Бейер (нем. Johanna Magdalena Beyer, 11 июля 1888 — 9 января 1944) — германо-американский музыкант, пианистка и композитор. Её «Музыка сфер» считается первым в истории произведением академической электронной музыки, написанным композитором-женщиной[1].



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