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John Baily (* 1943 in Glastonbury, England) ist ein britischer Musikethnologe, der sich auf die Musik Afghanistans spezialisiert hat.


Beruflicher Werdegang


Baily studierte von 1962 bis 1965 Psychologie und Physiologie an der Oxford University. 1970 erlangte er den Doktorgrad im Fach Experimentelle Psychologie an der University of Sussex mit einer Arbeit über die räumliche Orientierung und die sensomotorische Kontrolle des Menschen. 1973 begann er mit einem Post-Doktoranden-Forschungsstipendium an der Queen’s University of Belfast seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Musikethnologen John Blacking. Sein Thema war nun das Verhältnis zwischen Körperbewegung und musikalischer Struktur. 1978 wurde er an der Queen’s University Dozent für Ethnomusikologie.

1988 bis 1990 war Baily Außerordentlicher Professor am Zentrum für Ethnomusikologie an der Columbia University, New York. 1990 ging er an das Goldsmiths College an der Universität von London, wo er mittlerweile emeritierter Professor ist.


Forschungen über afghanische Musik


1973 ging Baily erstmals für ein Jahr in die westafghanische Stadt Herat, mit dem Forschungsziel, die jüngsten Veränderungen in Form und Spielweise der ostiranischen Langhalslaute Dutar zu beschreiben. Dieses ursprünglich zweisaitige Instrument war in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf 14 Saiten erweitert worden. Die Klangverstärkung durch Resonanzsaiten brachte eine geänderte Aufführungspraxis und gesellschaftliche Strukturen mit sich, indem statt früher Amateure auf dem Land nun städtische Profimusiker die Dutar verwendeten. Als Teil seines Forschungsprogramms erlernte er das Spiel der zweisaitigen Langhalslaute dutar und des afghanischen Nationalinstruments rubāb.

1975 forschte Baily ein zweites Mal zusammen mit seiner Frau Veronica Doubleday in Herat, diesmal mit einem weiter gesteckten Rahmen, der die Musik und das dazugehörende Sozialgefüge in der Stadt umfasste. Doubleday hatte parallel zu seiner Arbeit mit den männlichen Musikern Zugang zum familiären und professionellen weiblichen Musikbereich, der ihm selbst ansonsten verschlossen geblieben wäre. Sie erlernte afghanischen Gesang und die Rahmentrommel dāireh zu spielen und trat in einer Band bei Hochzeiten auf. Ein Teil von Bailys Arbeit erstreckte sich auf die Musikszene von Kabul, die sich aus mehreren hundert Mitgliedern traditioneller Musikerfamilien und daneben populären Musikern, die im Umkreis von Radio Afghanistan gewachsen waren, zusammensetzte. Der Rundfunksender stand seit Anfang der 1950er Jahre im Zentrum der musikalischen Aktivitäten und bot Baily Anschauungsmaterial für den Wechsel von Amateurmusikern ins Profilager. 1977 verließen Baily und seine Frau Afghanistan, ein Jahr später begann unter dem kommunistischen Regime eine Massenauswanderung in den Iran und nach Pakistan. Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen 1979 war das Land praktisch nicht mehr zugänglich.

Zurück in England fasste Baily seine Forschungsergebnisse in dem Werk Music of Afghanistan: Professional Musicians in the City of Herat (1988) zusammen. An der britischen National Film and Television School erwarb er einen Abschluss als Dokumentarfilmer. Damit kam er 1985 für drei Monate nach Peschawar. Bailys erste Beschäftigung mit afghanischen Exilmusikern ist in dem Film Amir: An Afghan refugee musician’s live in Peshawar von 1985 dokumentiert. Er traf die Musiker in den Flüchtlingslagern außerhalb der Stadt, in denen die Mullahs ein streng religiöses Regime eingerichtet hatten, was jegliches Musizieren und Hören von Musik verbot. Musiker trafen sich daher in einem Bazar-Viertel in der Altstadt. Der Film über den professionellen Musiker Amir aus Herat schildert dessen musikalische Anpassung als Begleitmusiker einer Band und verallgemeinernd die soziale Lage im Exil.

1994, als eine Koalition von Mudschaheddin unter Präsident Rabbani die Macht im Land übernommen hatte, kehrte Baily für zwei Monate nach Herat zurück. Unter dem örtlichen Kommandanten wurde zwar ein Wiederaufbau vorangetrieben, aber ein öffentliches Musikleben wurde durch Restriktionen unmöglich gemacht. Musiker durften nur noch religiöse Lieder ohne elektrische Verstärkung aufführen, und dies auch nur in Privathäusern. (Unter der Taliban-Herrschaft war Musik vollständig verboten.) Nach dieser Erfahrung begann Baily, sich für die identitätsstiftende Wirkung und die therapeutische Funktion von Musik in den afghanischen Exilgemeinden zu interessieren.

Mit einem kurzen Aufenthalt 1997 in Peschawar, dem Sammelbecken der Kabuler Musikszene, wollte er bei den Flüchtlingen am Beispiel der afghanischen Lieder, die um den Gesang der Vögel kreisen, die unterschiedliche Wahrnehmung von Musik in verschiedenen Kulturen erkunden. In Herat wurden von manchen Musikern Vögel in Käfigen zu Konzerten mitgebracht. Deren Stimmen sollten durch die Musik angeregt werden in der Vorstellung, dass je besser die Musik, desto kräftiger würden die Vögel darauf reagieren. Die Nachtigal ist der in Afghanistan am meisten geschätzte Vogel: gol o bolbol, „Rose und Nachtigal“ – Musik erweckt den Vogelgesang. Das geht soweit, Vogelgesang als eine Form von Dhikr, Ritualmusik, mit der sich Sufis Gott nähern, zu begreifen. Baily brachte die Musiker in Peschawar dazu, beim Spiel, anstelle des Vogelgezwitschers, mit dem vom Band tönenden Stück von Olivier Messiaen, Le Loriot, in dem Vogelstimmen musikalisch umgesetzt wurden, zu interagieren.[1]

Danach führte er weitere Feldforschungen über afghanische Musiker im Exil durch. 1998 und 2002 war Baily in der im Nordosten des Iran gelegenen Stadt Mashad, wohin vor allem Musiker aus Herat geflohen waren, die sich zumeist in Hochzeitsbands über Wasser hielten. Baily reiste den Exilanten nach New York hinterher und hielt sich im Jahr 2000 sechs Wochen in Fremont, Kalifornien auf. Die Stars aus dem Radio hatten in die Vereinigten Staaten gefunden.[2]

Nach dem Ende des Taliban-Regimes 2002 war Baily einige Male in Kabul, um im Auftrag der Aga Khan Music Initiative in Central Asia eine Musikschule einzurichten. In Freemont hatten sich einige Musiker westliche Elemente für ihre Musik erschlossen. Inwieweit rückkehrende Musiker mit einer neuen ostwestlichen Identität damit auf die Musik von Kabul Einfluss ausüben, ist ein weiteres Thema. Von einem englischen Migrationsforschungsprogramm erhielt er 2006 finanzielle Unterstützung, um die afghanische Musikszene in London und die recht große afghanische Kolonie in Hamburg zu untersuchen.

In seinem Archiv in Brighton lagern zahlreiche seltene Ton- und Filmdokumente aus 35 Jahren Feldforschung zur afghanischen Musik.

Baily hat sich auch als Rubāb- und Dutar-Spieler einen Namen gemacht und in Konzerten und für Musikaufzeichnungen mit den bekanntesten afghanischen Musikern zusammengespielt. Er und Veronica Doubleday spielten auf einer Tournee mit dem in Kalifornien lebenden afghanischen Dutar- und Rubab-Spieler Aziz Herawi zusammen. Beide veranstalten weltweit gemeinsame Gesprächskonzerte,[3][4] im Frühjahr 2009 waren sie auf der Suche nach afghanischen Musikern in Australien.[5]


Veröffentlichungen (Auswahl)


Selbstständige Werke
Beiträge in Zeitschriften
Beiträge in Sammelbänden
Filmografie
Diskografie



Einzelnachweise


  1. John Baily: Music Studies and Cultural Difference. Investigating inter-cultural music perception: Messiaen's "Le Loriot" and Afghan reception of birdsong. Goldsmiths College 1997
  2. Baily: Past, Present, and Future, 2002
  3. Concert. From Rubab to Sarod: An Evening of Afghan and South Asian Music. University of Alberta, 10. Februar 2009@1@2Vorlage:Toter Link/www.uofaweb.ualberta.ca (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  4. Both Sides of the Curtain: Discovering the Music of Afghanistan. (PDF; 46 kB) Australian Institute of International Affairs, Melbourne, 25. März 2009
  5. Lisa Dib: Dr. John Baily – ethnomusicologist extraordinaire. The Dwarf, 6. April 2009
Personendaten
NAME Baily, John
KURZBESCHREIBUNG englischer Musikethnologe
GEBURTSDATUM 1943
GEBURTSORT Glastonbury, England



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