McCartney ist das erste Soloalbum von Paul McCartney. Es erschien am 17. April 1970. McCartney nahm das Album im Alleingang auf und spielte jedes Instrument selbst. Den ersten 100 Exemplaren des Albums war eine von McCartney verfasste Presseerklärung beigelegt, in der er zum einen detaillierte Angaben zur Entstehung der LP machte, zum anderen seinen Austritt aus den Beatles erklärte. Damit wurde der Erscheinungstermin von McCartney quasi zum offiziellen Trennungsdatum der Beatles.
Im abgedruckten Interview mit Paul McCartney im Buch der McCartney – Deluxe Edition aus dem Jahr 2011 erwähnt Paul McCartney, dass während der Entstehung des McCartney-Albums die Beatles auseinanderbrachen und er die musikalische Idee des Let-It-Be-Albums weiterführen wollte, indem er Lieder mit einfachen musikalischen Mitteln einspielen wollte. Dabei plante Paul McCartney ursprünglich nicht, ein Album zu erstellen.[1] Die Zeit der Differenzen mit den anderen Beatles und Allen Klein bezeichnete Paul McCartney als Albtraum,[2] aber die Gründung seiner Familie mit Ehefrau Linda empfand er als Ausweg, da er erkannte, dass es ein Leben außerhalb der Beatles für ihn gab.
Paul McCartney hatte etwa um Weihnachten 1969 mit den Arbeiten an seinem Soloalbum begonnen. Zu dieser Zeit hatte er einen Vierspurrekorder der Marke Studer erworben. Das Gerät besaß kein vu-Meter, sodass McCartney vor jeder Aufnahme die korrekte Aussteuerung durch Anhören prüfen musste. In der selbstverfassten Pressemitteilung beschreibt McCartney seine Aufnahmeausrüstung:
“Studer four-track machine. I only had, however, one mike, and I worked without VU meters or a mixer, which meant that everything had to be listened to first for distortion, etc, then recorded. So the answer – Studer, one mike, and nerve.”
„Studer Vierspurtonbandgerät. Ich hatte allerdings nur ein Mikrofon und arbeitete ohne vu-Meter und Mischpult, was bedeutete, dass ich vor jeder Aufnahme alles anhören musste, um Verzerrungen usw. zu vermeiden. Die Antwort lautet also – Studer, ein Mikrofon und den Mut, es zu wagen.“
Das Aufnahmegerät stand in der Ecke des Wohnzimmers von Paul McCartney, sodass die Aufnahmen sich anfangs sehr einfach gestalteten. McCartney sang und spielte sämtliche Instrumente – laut Pressetext waren dies Bass, Schlagzeug, Gitarre, Klavier, Mellotron, Xylophone, Pfeil und Bogen – auf dem Album. Linda McCartney sang bei einigen Stücken im Hintergrund die Harmonien.
Das erste Stück, das McCartney bei sich zu Hause in St. John’s Wood aufnahm, um seinen Rekorder zu testen, war eine Hommage an seine Frau mit dem Titel The Lovely Linda. Es folgten That Would Be Something, Valentine Day (Instrumentallied) und Momma Miss America (Instrumentallied), Glasses (Instrumentallied) und Suicide.
Die Lieder Teddy Boy, Oo You, Junk und Singalong Junk (Instrumentallied) wurden zu Hause begonnen und in den Morgan Studios, im nahegelegenen Willesden, beendet. Etwa in der Zeit vom 10. bis 12. Februar 1970 entstanden weiterhin in den Morgan Studios – hier nutzte McCartney die professionellen Achtspuraufnahmegeräte – die Instrumentalstücke Hot as Sun und Kreen-Akrore. Außerdem überspielte McCartney seine Vierspuraufnahmen auf die Achtspurgeräte, fügte Overdubs hinzu und nahm erste Stereoabmischungen vor.
Die abschließenden Arbeiten an den Liedern fanden im Februar 1970 in Studio 2 der Abbey Road Studios statt. Am 22. Februar 1970 nahm er dort die zwei Lieder auf, die später als die musikalisch ausgereiftesten des Albums gelten sollten: Every Night und Maybe I’m Amazed. Am 25. Februar 1970 entstand die letzte Aufnahme für das Album, das Lied Man We Was Lonely. Am 23. März 1970 hatte McCartney Studio 3 in der Abbey Road gebucht, um die endgültige Abmischung seines Albums vorzunehmen. Nach vier Stunden war die Arbeit abgeschlossen und die Masterversion fertig für das Presswerk.[4]
Die Vorbereitungen und die Aufnahmen zum Album wurden geheim gehalten, so buchte Paul McCartney die Studios unter dem Pseudonym „Billy Martin“. Am 30. März 1970 strahlte BBC Radio 1 die Sendung The Beatles Today aus, in der George Harrison in einem Interview erwähnte, dass Paul McCartney an einem Soloalbum arbeite; ab diesem Zeitpunkt war es der Öffentlichkeit bekannt.
Das Lied Don’t Cry Baby, eine Instrumentalversion von Oo You, wurde am 24. Februar 1970 in den Abbey Road Studios abgemischt, aber nicht für das Album verwendet. Vier Tage nach Erscheinen des Albums, am 21. April 1970, wurde es erneut in den Abbey Road Studios überarbeitet. Nur ein Teil des Liedes von Suicide wurde für das Album verwendet, in dem es an das Lied Glasses angehängt wurde. Suicide wurde erst am 3. Mai 2010 endgültig in den Hog Hill Mill Studios abgemischt. Beide Lieder wurden im Jahr 2011 veröffentlicht.
Die LP erschien in einem Aufklappcover. Alle Fotos stammten von Linda McCartney. Auf der Vorderseite sind Kirschen und eine Schale zu sehen. Möglicherweise eine Anspielung auf die englische Redensart „Life is just a bowl of cherries“ (deutsch: ‚Das Leben ist wie eine Schale voller Kirschen‘), die in etwa zum Ausdruck bringen soll, dass das Leben schön ist. Die verschütteten Früchte wären demzufolge ein Hinweis darauf, dass bei McCartney momentan nicht alles so rosig war.[5]
Die Rückseite zeigt ein Foto von Paul McCartney mit seiner kürzlich geborenen Tochter Mary. Klappt man das Cover auf, so findet man eine Sammlung von Farbfotos, die zumeist Paul McCartney in verschiedenen Situationen zeigen.
Paul McCartney hatte den 17. April 1970 als Veröffentlichungstermin vorgesehen, stieß damit aber auf den Widerstand seiner Band-Kollegen. Zum einen hatte auch Ringo Starr sein Soloalbum Sentimental Journey aufgenommen, zum anderen war unter der Regie von Phil Spector endlich das langwährende Beatles-Album Let It Be fertig und sollte nach dem Willen von John Lennon, George Harrison und Ringo Starr im April erscheinen. Der Streit um den Veröffentlichungstermin zeigt, wie zerfahren das Verhältnis unter den Beatles mittlerweile war – insbesondere McCartney stand häufig gegen die anderen drei Gruppenmitglieder, seit er deren Entscheidung, Allen Klein zum Manager der Beatles zu ernennen, abgelehnt hatte. McCartney fühlte sich in die Ecke gedrängt und sah sich in dieser Situation als Opfer. Ringo Starr versuchte zu vermitteln, wurde allerdings von einem wütenden McCartney weggeschickt.[6]
Ringo Starr erinnerte sich später so an den Vorfall:
“It was just two guys pouting and being silly. We had our solo albums to bring out and I said ‘Mine’s ready and I want to bring it out.’ Paul wasn’t quite ready – but he had a calendar with the date (I’ve forgotten the day now) marked in yellow saying, ‘That’s my day – I’m bringing my record out then.’”
„Wir waren nur zwei Kerle, die schmollten und sich kindisch verhielten. Wir wollten unsere Soloalben veröffentlichen, und ich sagte, ‚Meins ist fertig und ich will es veröffentlichen‘. Paul war noch nicht ganz so weit – aber er hatte einen Kalender mit dem Datum (ich habe vergessen, welcher Tag es genau war), und dort stand mit gelber Farbe markiert ‚Das ist mein Tag – ich bringe mein Album an dem Tag auf den Markt.“
In einem Interview mit dem Rolling-Stone-Magazin äußerte sich McCartney 1974 zu den Querelen:
“There was some hassle at the time. We were arguing over who had mentioned a release date first. It was all a bit petty. I’d pegged a release date, and then Let It Be was scheduled near it. I saw it as victimization, but now I’m sure it wasn’t.”
„Es gab einigen Streit zu der Zeit. Wir stritten darüber, wer sein Veröffentlichungs-Datum zuerst genannt hatte. Es war alles ein bisschen engstirnig. Ich hatte ein Datum gesetzt und dann wurde die Veröffentlichung von Let It Be sehr dicht an meinem Datum geplant. Ich empfand das als Schikane, aber heute bin ich sicher, dem war nicht so.“
Letztlich setzte Paul McCartney seinen Willen durch. In aller Eile erschien Ringo Starrs Album am 27. März 1970 und der Termin für die Veröffentlichung von Let It Be wurde auf den 8. Mai 1970 verschoben.
Das Album erschien im Juni 2011 in verschiedenen Formaten:
Seite 1
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Paul McCartney lehnte den Wunsch seiner Schallplattenfirma, das Lied Maybe I’m Amazed als Single auszukoppeln, ab. Von Maybe I’m Amazed wurde allerdings ein Musikvideo hergestellt.
Jahr | Album | Chartplatzierungen | Anmerkung | ||||
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DE | AT | CH | UK | US | |||
1970 | McCartney | 15 | – | – | 2 | 1 | Das Album erreichte zudem die Top Ten in den niederländischen, französischen und norwegischen Charts. |
2011 | McCartney (Wiederveröffentlichung) | – | – | – | 88 | – | |
2020 | McCartney (Wiederveröffentlichung) | – | – | – | – | 151 |
Land/Region | Auszeichnungen für Musikverkäufe (Land/Region, Auszeichnung, Verkäufe) |
Verkäufe |
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100.000 |
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2.000.000 |
Insgesamt | ![]() |
2.100.000 |
Hauptartikel: Paul McCartney/Auszeichnungen für Musikverkäufe
Das Album stieß bei einem großen Teil der Kritiker auf Ablehnung, weil es im Vergleich mit den perfekt produzierten Beatles-Alben, wie beispielsweise Abbey Road, amateurhaft und unausgereift erschien. Trotzdem verkaufte sich McCartney besser als die Soloprojekte seiner Bandkollegen und erreichte entsprechend gute Positionen in den Hitparaden. In den USA wurde die LP bereits nach drei Wochen mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet.[22]
Obwohl John Lennon am 20. September 1969 während eines Treffens gegenüber den anderen Mitgliedern der Beatles verkündete, dass er die Scheidung von den Beatles wollte, gilt die Pressemitteilung zum Album McCartney als das faktische Ende der Beatles. Paul McCartney meinte dazu: „George, Ringo und ich riefen einander noch drei oder vier Monate gelegentlich an und fragten: ‚Wie sieht es aus? Ist wirklich Schluss?‘ Es war ja nicht so, als hätte unsere Plattenfirma uns rausgeworfen. Die Frage, ob wir wieder zusammenkommen würden, stand immer noch im Raum. Niemand wusste so ganz genau, ob das nicht wieder eine von Johns kleinen Extratouren war. Ein paar Monate klammerten wir uns noch an diese Hoffnung, aber schließlich erkannten wir ‚Oje, die Band existiert nicht mehr. Das war’s. Es ist endgültig vorbei.'“[23]
Paul McCartney nutzte das selbstverfasste Frage-und-Antwort-Spiel, um seinen Abschied von der Gruppe zu verkünden. Insbesondere eine zukünftige kompositorische Zusammenarbeit mit Lennon schloss er eindeutig aus.
Frage: Are you planning a new album or single with the Beatles?
McCartney: No.
Frage: Is this album a rest away from the Beatles or the start of a solo career?
McCartney: Time will tell. Being a solo means it’s ‘the start of a solo career…’ and not being done with the Beatles means it’s just a rest. So it’s both really.
Frage: Is your break with the Beatles temporary or permanent, due to personal differences or musical ones?
McCartney: Personal differences, business differences, musical differences, but most of all because I have a better time with my family. Temporary or permanent? I don’t really know.
Frage: Do you foresee a time when Lennon/McCartney becomes an active songwriting partnership again?
McCartney: No.Übersetzung:
Frage: Planen sie ein neues Album oder eine Single mit den Beatles?
McCartney: Nein.
Frage: Ist dieses Album eine Auszeit von den Beatles oder der Beginn einer Solokarriere?
McCartney: Das muss die Zukunft zeigen. Da ich es alleine gemacht habe, ist es wohl ‚der Beginn einer Solokarriere‘, und es ohne die Beatles produziert zu haben, heißt, es ist nur eine Auszeit. Somit ist es eigentlich beides.
Frage: Ist die Trennung von den Beatles nur vorübergehend oder von Dauer, und sind persönliche oder musikalische Differenzen der Grund für die Trennung?
McCartney: Persönliche Differenzen, geschäftliche Differenzen, musikalische Differenzen, aber vor allen Dingen weil ich mit meiner Familie glücklicher bin. Vorübergehend oder von Dauer? Keine Ahnung.
Frage: Sehen Sie eine Zukunft, in der Lennon/McCartney wieder aktiv gemeinsam als Songwriter arbeiten?
McCartney: Nein.
- Quelle: Pressemitteilung 1970[24]
Der Bruch mit den Beatles zeigte sich auch bei der Angabe des Autors der Stücke. McCartney verzichtete konsequenterweise darauf, seine Kompositionen weiter Lennon/McCartney zuzuschreiben. In der Pressemitteilung findet sich dazu folgende Passage:
Frage: Are all songs by McCartney alone?
McCartney: Yes Sir.
Frage: Who will them be attributed to? To McCartney?
McCartney: It would be a bit absurd to attribute them to Lennon-McCartney, so they’ll be McCartney’s.Übersetzung:
Frage: Wurden alle Lieder alleine von McCartney geschrieben?
McCartney: Jawohl.
Frage: Wer wird als Autor genannt? McCartney?
McCartney: Es wäre wohl etwas absurd sie Lennon-McCartney zuzuschreiben, also sind sie alle McCartneys.
- Quelle: Pressemitteilung 1970[25]
Diskografie
Studioalben:
McCartney (1970) |
Ram (1971) [Paul and Linda McCartney] |
Thrillington [Pseudonym: Percy Thrillington] (1977) |
McCartney II (1980) |
Tug of War (1982) |
Pipes of Peace (1983) |
Press to Play (1986) |
Flowers in the Dirt (1989) |
Снова в СССР (1991) |
Off the Ground (1993) |
Flaming Pie (1997) |
Run Devil Run (1999) |
Driving Rain (2001) |
Chaos and Creation in the Backyard (2005) |
Memory Almost Full (2007) |
Kisses on the Bottom (2012) |
New (2013) |
Egypt Station (2018) |
McCartney III (2020)
Studioalben mit den Wings:
Wild Life (1971) |
Red Rose Speedway (1973) |
Band on the Run (1973) |
Venus and Mars (1975) |
Wings at the Speed of Sound (1976) |
London Town (1978) |
Back to the Egg (1979)
Studioalben mit The Fireman:
Strawberries Oceans Ships Forest (1993) |
Rushes (1998) |
Electric Arguments (2008)
Alben mit klassischer Musik:
Paul McCartney’s Liverpool Oratorio [Paul McCartney & Carl Davis] (1991) |
Standing Stone (1997) |
Working Classical (1999) |
Ecce Cor Meum (2006) |
Ocean’s Kingdom (2011)
Livealben:
Wings over America [Wings] (1976) |
Tripping the Live Fantastic (1990) |
Tripping the Live Fantastic – Highlights! (1990) |
Unplugged (The Official Bootleg) (1991) |
Paul Is Live (1993) |
Back in the U.S. (2002) |
Back in the World (2003) |
Good Evening New York City (2009) |
iTunes Live from Capitol Studios (2012) |
Amoeba Gig (2019)
Live-EPs:
iTunes Festival London (Live) (2007) |
Amoeba’s Secret (Live) (2009)
Kompilationen:
Wings Greatest [Wings] (1978) |
Paul McCartney und Wings DDR-Album (1981) |
All the Best! (1987) |
Wingspan: Hits and History (2001) |
Pure McCartney (2016)
Soundtracks:
The Family Way [Paul McCartney und George Martin] (1967) |
Give My Regards to Broad Street (1984)
Experimentelles Studioalbum:
Liverpool Sound Collage [Paul McCartney mit den Super Furry Animals und Youth] (2000)
Remix-Alben:
Twin Freaks [Pseudonym: Twin Freaks] (2005) |
McCartney III Imagined (2021)
Interviews:
The McCartney Interview (1980)