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Gian Bundi (* 26. Oktober 1872 in Berlin; † 26. Dezember 1936 in Bern) war ein Schweizer Märchensammler und herausgeber, Journalist und Musikkritiker. Er ist einer der bedeutendsten Märchensammler und -herausgeber Graubündens, fürs Engadin ist er mit Abstand der bedeutendste und bekannteste (siehe Werkverzeichnis am Ende dieses Artikels).


Leben


Gian Bundi kam am 26. Oktober 1872 als zweites Kind der Catharina Bundi geb. Giovanoli und des Christian Georg Bundi in Berlin zu Welt. Mit seiner um vier Jahre älteren Schwester Nina verbrachte er dort seine Kindheit. 1879 erwarb sein Vater in Stettin Bäckerei und Café, welche der Familie Jenny (aus Bever GR) gehört hatte. In der Folge übersiedelte die Familie Bundi von Berlin an die Kleine Domstrasse nach Stettin. Gian Bundi wuchs zweisprachig auf. Zu Hause in der Familie wurde Puter gesprochen, sonst Deutsch.

In Stettin besuchte Gian Bundi die Grundschule und das Gymnasium. Am 14. Oktober 1892 immatrikulierte er sich an der Georg-August-Universität in Göttingen für Philologie mit Schwerpunkt auf geschichtlichen Vorlesungen im Sommersemester und linguistischen im Wintersemester. Ein Jahr später ging er für ein Semester (WS 1893/94) an die Friedrich-Schiller-Universität Jena. Hier schrieb er sich für historische Vorlesungen, Psychologie und italienische Grammatik (bei Wilhelm Cloetta) ein, dies mit grosser Wahrscheinlichkeit, um mit seinem Professor Romanisch sprechen zu können. Von Jena zog Gian Bundi weiter an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (SS 1894 bis SS 1895, rechtshistorische und juristische Vorlesungen), dann an die Rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich (WS 1895/96 bis SS 1897) und zum Schluss an die Universität Bern, wo er vom WS 1897 bis zum SS 1899 als Jusstudent immatrikuliert war.

Nach Abschluss seiner Studien zog Gian Bundi nach Chur, um sich beim Freien Rätier das «Rüstzeug eines Pressemannes»[1] zu erwerben. 1901 folgte er dem Ruf von Chefredaktor Michael Bühler und wechselte nach Bern zum Bund. Dass Bühler keinen Unbekannten zu sich in die Redaktion geholt hat, beweisen kleinere und grössere Artikel, die ab dem 16. Dezember 1900 im sog. Sonntagsblatt, der «belletristisch-litterarischen Sonntags-Beilage» des damals noch täglich zweimal erscheinenden Bundes erschienen. Beim Bund bildete er mit Michael Bühler und Georg Luck zusammen das Bündner Trio, das während der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts die Berner Kunstszene massgeblich beeinflusste.

1919, nach einer Neuorganisation des Bernischen Orchestervereins, wurde ein ständiger Sekretär nötig, und man berief Gian Bundi – nunmehr anerkannter Musikkritiker – auf diesen Posten. In der Folge trat er 1919 beim Bund als zeichnender Redaktor zurück, blieb aber bis zu seinem Tod Mitarbeiter der literarischen Redaktion unter der Leitung von Hugo Marti und verfasste von nun an praktisch nur noch Theater- und Musikkritiken, denen ein hoher Wert beigemessen wurde. Sein ganzes Interesse galt der Musik, insbesondere der klassischen, aber auch der Volksmusik. Dafür, dass er ein sehr guter Klavierspieler gewesen sein muss, gibt es einige wenige Hinweise. So erwähnt der Musikwissenschafter Edgar Refardt in seinem Nekrolog:

«Er hat weder Musik noch Musikwissenschaft studiert, und es mag ihm auch einmal ein musikgeschichtlicher Lapsus passiert sein bei der Abfassung eines Konzertberichtes. Aber er war jederzeit in der Lage, am Klavier das von ihm Gesagte zu demonstrieren, weil er sein Wissen vom Kunstwerk aus diesem selbst, aus den Noten erworben hatte, und wo es die Detailforschung verlangte, da hat er es an philologischer Genauigkeit nicht fehlen lassen.»[2]

Einen anderen Hinweis gibt die Tatsache, dass Gian Bundi mit der Sopranistin Erika Hellmüller (1891–1982) gelegentlich Konzerte in verschiedenen ausländischen Städten, in Deutschland, Holland, in Belgien und in anderen Ländern, vor begeisterten Auslandschweizern gab. Und es gab keinen Liederabend, ohne dass nicht auch ein paar rätoromanische Lieder gesungen worden wären.

Gian Bundi engagierte sich stark in der Förderung junger Schweizer Musiker. Das geschah einerseits über seine Kritiken, andererseits konnte er ihnen durch seine Funktion als Sekretär des Bernischen Orchestervereins die Möglichkeit schaffen, in Konzerten aufzutreten; manchmal aber ging es auch so weit, dass er ihnen direkt Geld zukommen liess.[3]

Am 1. Juli 1920 verstarb seine Mutter, am 21. Juli 1921 auch sein Vater. Danach verlobte sich Gian Bundi mit Bernhardine Rollier aus Nods (Kanton Bern). Ihre Hochzeit fand am 17. Mai 1922 in Bern statt. Die Ehe blieb kinderlos. Ein Herzleiden machte Gian Bundi immer mehr zu schaffen und zwang ihn ins Bett, wo er von seiner Frau, aber auch von seiner Cousine Augusta Hartmann-Cavegn (1877–1953), die extra dafür aus dem Engadin nach Bern gekommen war, bis zu seinem Tod in der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember 1936 gepflegt wurde. Mit seiner Cousine hatte er ein sehr enges und gutes Verhältnis. Als Jugendliche weilte sie einmal bei ihm in Stettin, wurde aber ihrer dunklen Haare wegen mit der damals in Norddeutschland vorhandenen Judenfeindlichkeit konfrontiert, was ihr sehr zu schaffen machte. Ihr Sohn, Theodor Hartmann, später Architekt in Chur, war sein Patenkind.

Aus der Todesanzeige ist zu erfahren, dass Gian Bundis Schwester Nina – sie war depressiv – zu diesem Zeitpunkt in der psychiatrischen Klinik Waldhaus in Chur-Masans weilte. Diese Tatsache war wohl der Hauptgrund dafür, dass Gian Bundi das elterliche Haus in Bever verkaufen musste, um ihren Aufenthalt dort finanzieren zu können, denn die Bundis hatten, wie das damals in wohlhabenderen Schichten in der Schweiz der Fall war, vermutlich keine Krankenversicherung. Der Verkauf des elterlichen Hauses in Bever traf ihn hart, denn er wollte immer seinen Lebensabend im Engadin verbringen und in Engadiner Erde begraben werden.


Märchensammlungen


Vermutlich in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts hat Gian Bundi 17 Märchen und eine Legende, die zum Teil in Bever im Hause seiner Tante Anna Cavegn-Giovanoli (1842–1923), der Zwillingsschwester seiner Mutter, erzählt wurden, niedergeschrieben und veröffentlicht. Dies erfolgte zuerst in den Annalas da la Societad Retorumantscha (Jahrbuch der rätoromanischen Gesellschaft) zwischen 1901 und 1906 (Bd. 15, 16, 18 und 20) in Puter und eine Auswahl davon (nur Märchen von Nann’Engel) sowohl in Deutsch in den beiden Bänden der Engadiner Märchen (ohne Jahr, vermutlich 1901/1902; Illustrationen: Giovanni Giacometti) wie auch in Puter in den Parevlas Engiadinaisas (ohne Jahr, vermutlich 1901; Illustrationen: Giovanni Giacometti).

Obwohl die meisten der von Gian Bundi niedergeschriebenen Märchen von seiner Tante Anna Cavegn-Giovanoli erzählt worden sind, wird als eigentliche Erzählerin eine Anna Engi, genannt Nann’Engel (Bever, 1803–1873) angegeben. Sie muss eine hervorragende Erzählerin und Unterhalterin gewesen sein, so dass sie – als eine Art erste professionelle Märchenerzählerin überhaupt – an den Winterdonnerstagen im Hause Muralt in Bever ihre Märchen (es sollen gegen 50 gewesen sein) erzählen durfte und dafür entschädigt wurde. Von den 17 oben erwähnten Märchen stammen zehn von Nann’Engel, fünf von Mengia Bivrun aus Brail und je eines von Anna Cavegn-Giovanoli und Anna Maria Coray (Bever).

Einige der von Gian Bundi gesammelten Märchen gibt es in allen vier Landessprachen der Schweiz. 1938 erschien ein Band mit Bundischen Märchen in Französisch (La boîte aux six Merveilles et autres conte, Übersetzung: Edgar Piguet-Lansel), 1971, im Rahmen der Neuausgabe der Engadiner Märchen, auch in Italienisch. Neben diesen Sammlungen sind die Bundischen Märchen in verschiedenen Märchensammlungen der Schweiz und Europas erschienen (siehe Werkverzeichnis am Ende des Artikels).

Bezüglich der Illustrationen der Engadiner Märchen, die von Giovanni Giacometti gemacht wurden, ist anzumerken, dass der Kontakt Bundi – Giacometti mit grosser Wahrscheinlichkeit von Josef Viktor Widmann, Literatur- und Kunstkritiker beim Bund und damit Kollege von Gian Bundi, hergestellt worden ist. Widmann kannte Ferdinand Hodler persönlich, und im Hodlerschen Atelier in Oschwand haben sich Gian Bundi und Giovanni Giacometti das erste Mal getroffen. Für Bundi war Giacometti ein Glücksfall, war er einer der besten Illustratoren seiner Zeit. Zudem war er, als Bergeller, mit dem Oberengadin vertraut. Widmann seinerseits war es auch, der 1901 die aus dieser Zusammenarbeit hervorgegangene Märchenausgabe der Engadiner Märchen besprochen hat.

Kommerziell waren die Engadiner Märchen vermutlich eher ein Misserfolg. Das lässt sich daraus schliessen, dass in Deutsch zwei Bände mit sieben Märchen (Band 1 vier Märchen / Band 2 drei Märchen) auf den Markt gekommen sind, in Romanisch hingegen nur Band 1. Ein Band kostete Fr. 4.50, was damals (um 1901) viel Geld war.

Gian Bundi hat – neben Libretti, die er übersetzt hat – eigene Libretti geschrieben, die z. T. auf den Engadiner Märchen basieren, dazu gehören Die schöne Bellinda (1916), Musik: Hans Huber, Der gläserne Berg (1916/1917), Musik: Hans Huber, unvollendet, Tredeschin (Version 1 1919, Version 2 1937, Musik: Karl Heinrich David, Version 3 2004, Musik: Gion Antoni Derungs), Blaubart, Neufassung des Textes (1920), Musik: Jacques Offenbach. Die schöne Bellinda und Blaubart wurden zwischen 1916 und 1920 in Bern, Basel und Zürich mit mässigem Erfolg aufgeführt.

Gian Bundi interessierte sich auch für Historisches und Lokalhistorisches. Viele seiner Beiträge behandeln Themen, die mit Graubünden und im Speziellen mit dem Oberengadin zu tun haben. Und viele seiner historischen Publikationen wurden für Fachpublikationen geschrieben. Mit seinem Einsatz für die rätoromanische Sprache und Kultur hat Gian Bundi dazu beigetragen, dass Rätoromanisch 1938 den Status einer Nationalsprache erhalten hat.


Werke



Märchen



Literarische Werke



Biographische Werke



Libretti



Autobiographisches



Historisches



Liedtexte, Übersetzungen



Nachrufe



Handschriftliches



Literatur



Hauptquelle



Nachrufe und Würdigungen mit Verfasserangabe



Nachrufe und Würdigungen ohne Verfasserangabe



Andere Quellen



Märchensammlungen mit Bundi-Märchen





Einzelnachweise


  1. Zitat J. Welti, Neue Zürcher Zeitung 1936
  2. E. Refardt: Erinnerungen an Gian Bundi. In: Basler Nachrichten. 1936, Nr. 358.
  3. H. Marti: Gian Bundi. in: Der Bund. 1936, Nr. 605.
Personendaten
NAME Bundi, Gian
KURZBESCHREIBUNG Schweizer Märchensammler und -herausgeber, Journalist und Musikkritiker
GEBURTSDATUM 26. Oktober 1872
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 26. Dezember 1936
STERBEORT Bern



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