Paul Felix Weingartner, Edler von Münzberg (geboren am 2. Juni 1863 in Zadar, Kaisertum Österreich; gestorben am 7. Mai 1942 in Winterthur) war ein österreichischer Dirigent, Komponist, Pianist und Schriftsteller.
Weingartner war der Sohn des Diplomaten Guido von Weingartner und dessen Ehefrau Karoline, geb. Strobl.[1] Er begann sein Klavier- und Kompositionsstudium in Graz,[2] unter anderem bei W. A. Rémy.[3] Über eine Empfehlung von Johannes Brahms erhielt er ein österreichisches Staatsstipendium. Danach setzte er seine Studien am Leipziger Konservatorium sowie an der Universität Leipzig und schließlich bei Franz Liszt in Weimar fort.[2] Mit Liszt war Weingartner lebenslang befreundet.[4] Auch war er Schüler von Carl Reinecke.
Nach dem Studium arbeitete Weingartner zunächst als Kapellmeister in Königsberg.[4] Es folgten Engagements in Danzig, Hamburg, Frankfurt[4] und als Hofkapellmeister in Mannheim.[4][2] Von 1891 bis 1898[3] bekleidete er die Position des Ersten Kapellmeisters der Berliner Hofoper und leitete zudem die Sinfoniekonzerte der Königlichen Kapelle.[4] Anschließend war er von 1898 bis 1905 Chefdirigent des Kaim-Orchesters in München (heute Münchner Philharmoniker), mit dem er mehrfach im Ausland gastierte.[5] 1908 übernahm er von Gustav Mahler für drei Jahre das Direktorat der Wiener Hofoper. Von 1908 bis 1927 leitete er die Abonnementskonzerte der Wiener Philharmoniker. Während dieser Zeit unternahm das Orchester zahlreiche Reisen durch Europa sowie erstmals nach Südamerika und wurde damit weltweit bekannt.[4][6] 1919 bis 1924 war er Direktor der Wiener Volksoper.
Weingartner ging 1927 nach Basel. Dort war er bis 1934 gleichzeitig Chefdirigent des damaligen Basler Orchesters, künstlerischer Leiter der Allgemeinen Musikgesellschaft und Direktor des Konservatoriums und gab zudem eine Vielzahl von Gastauftritten am Stadttheater Basel. Von 1935 bis 1936 war er Direktor der Wiener Staatsoper. Darüber hinaus war Weingartner in Hamburg, Boston und München tätig. Weingartner emigrierte 1936 aus dem austrofaschistischen Österreich in die Schweiz.
Als Dirigent hat er mit seiner ebenso deutlichen wie eleganten Schlagtechnik Generationen von Musikern geprägt.
Weingartners sterbliche Überreste wurden auf dem Friedhof Rosenberg in Winterthur bestattet.
Felix Weingartner war in erster Ehe (1891) mit Marie Juillerat, in zweiter Ehe (1902) mit Feodora von Dreifus, in dritter Ehe (1912) mit der Sängerin Lucille Marcell, in vierter Ehe (1922) mit der Schauspielerin Roxo Betty Kalisch und in fünfter Ehe (1931) mit der Dirigentin Carmen Studer verheiratet.[7]
Obwohl Weingartner verhältnismäßig viel komponierte, sind seine Werke heute kaum noch zu hören. Musikliebhaber wurden auf sein Werk wieder aufmerksam, als das Klassik-Plattenlabel cpo zwischen 2005 und 2010 viele Erstaufnahmen herausbrachte, darunter seine sieben Sinfonien mit dem Sinfonieorchester Basel, das Violinkonzert und drei Streichquartette.
Weingartner veröffentlichte bereits im Alter von 16 Jahren erste Kompositionen für Klavier.[4] Seine erste Oper Sakuntala wurde mit Unterstützung von Franz Liszt 1884 in Weimar uraufgeführt.[4] Seine als Trilogie angelegte Oper Orestes wurde im Februar 1902 in Leipzig uraufgeführt.
Am 9. Oktober 1905 nahm er als einer der ersten Pianisten 6 Stücke für Welte-Mignon auf, neben Beethovens Sonate No. 30 seine eigenen Kompositionen Aus vergangener Zeit, Op. 3 und Lose Blätter, Op. 4[8]. Ein Werk aus dieser Zeit ist sein Sextett für Klavier und Streicher op. 33 aus dem Jahr 1906.
Weingartner hat ab etwa 1910 seine Partituren in C (klingend) notiert. Kleine Flöte und Kontrabass/Kontrafagott notierte er weiter oktavtransponiert; für die Hörner nahm er den oktavierten Violinschlüssel, was sich aber nicht durchsetzen konnte. Sergei Prokofjew, Arthur Honegger und später auch Alban Berg und Arnold Schönberg taten dies ebenso. Ältere Werke von Weingartner sind aber traditionell – mit den üblichen Transpositionen – notiert.
Ein Wiener Kapellmeister fragte den in der Zwischenkriegszeit sehr berühmten Felix Weingartner, wie schnell man die 5. Sinfonie von Beethoven spielen müsse. Felix Weingartner antwortete: „Herr Kollege, nächsten Sonntag spiele ich dieses Werk. Kommen Sie in den Musikverein, dort hören Sie das richtige Tempo.“
Über 100 Lieder, einige Chorwerke
Von den zahlreichen Büchern, die Felix Weingartner schrieb, wurden nur seine Ratschläge für Aufführungen klassischer Symphonien weiteren Musikerkreisen bekannt. Der erste Band (Ratschläge für Aufführungen der Symphonien Beethovens, B & H, Leipzig 1906), der Beethoven behandelt, wurde 1906 veröffentlicht und schon 1907 ins Englische übersetzt. Der zweite Band – Schubert und Schumann – erschien erst 1918 und erlebte erst 1972 – durch die Dissertation von Asher G. Zlotnik – eine Übertragung ins Englische. Der dritte Band blieb weitgehend unbeachtet. Hier behandelt Weingartner Mozart. Außer dem ersten Band, der noch 1958 eine vierte Auflage erlebte, wurden die anderen Bände nie mehr als Neudruck angeboten, allerdings existieren Reprints in den U.S.A.
Vorab muss man sagen, dass er Ratschläge gibt, mit denen sich viele identifizieren können. Ob er bei seinen eigenen Aufführungen einst noch weiter ging, müsste anhand seiner Partituren überprüft werden, die sich in seinem – jetzt in Basel aufbewahrten – Nachlass befinden. Sie sind die einzigen Retouchen, die für jedermann jederzeit – kostenfrei – zugänglich sind. Alle anderen sind entweder in Privatbesitz oder nur als kostenpflichtiges Leihmaterial – wie bei Gustav Mahler – vom Verlag erhältlich.
Seine Ratschläge, Beethoven betreffend, gelten heute noch als klassische Handreichung eines großen Dirigenten, die sehr viel zeitlos Wichtiges enthalten und immer noch gerne angewandt werden. Weingartner verlangt niemals, dass alle seine Ratschläge befolgt werden – er zeigt aber bei bekannten, schwierigen Stellen Möglichkeiten auf, wie man diese Klippen umschiffen kann. Wirklich umstritten heute nur ist die Horn-Retouche im Scherzo der neunten Sinfonie, die auf Ideen von Wagner zurückgeht.
Der Band, der Schubert und Schumann behandelt spaltet bis heute die Musikwelt. Er geht von einem groß besetzten Orchester aus, das die Holzbläser – und auch die Hörner – verdoppelt. Bei Schubert behandelt er nur die Unvollendete Sinfonie und die Große C-Dur-Sinfonie. Nur bei der C-Dur-Sinfonie zeigt er einige wirkungsvolle Retouchen, die noch Bruno Walter, Karl Böhm und George Szell verwendeten. Die Unvollendete wird gut erklärt und nur an einigen Stellen eine Umlegung der Stimmführung der Holzbläser und auch der Bassposaune in die Unteroktave empfohlen.
Seine Ratschläge bei Schumann wurden seinerzeit allgemein begrüßt und haben – was er erreichen wollte – zu einem vermehrten Interesse an dessen Sinfonien geführt. Generationen von Dirigenten haben diese befolgt, noch George Szell und Ernest Ansermet spielten die zweite und vierte Sinfonie stets in seiner Fassung. Weingartner verfährt hier sehr feinfühlig, er lässt viele Eigenarten Schumanns bewusst stehen, auch wenn es geschicktere Lösungen gäbe. Die Pauken, z. B., die Schumann oft falsche Noten spielen lässt, weil seine Orchester noch keine schnell umstimmbare Pedalpauken hatten – und hier verfährt er wie der junge Verdi – lässt er stets unverändert. (Viele andere Dirigenten haben hier die Möglichkeiten der modernen Pauken genützt und abgeändert.)
In der Regel lässt er Pauken und die Bläser – hier vor allem das Blech (Trompeten/Posaunen) – taktweise pausieren, um eine klarere Gliederung zu erreichen; und um den Klang etwas aufzulockern. Auch nimmt er manche Verdoppelung – meist der Bläser – von Harmonienoten weg. Er macht im Grunde das, was Schumann an denjenigen Stellen ebenfalls getan hatte, die handwerklich gelungen sind. Denn nicht jedes Werk von Schumann hat die gleichen instrumentatorischen Ungeschicklichkeiten, was man auch durch seine oft sehr labile Psyche erklären kann. So sind seine Ratschläge, je nach Werk sehr unterschiedlich:
Die erste Sinfonie gilt ihm als recht gelungen, er belässt es bei dynamischen Retouchen, genauer Bezeichnung und einzelnen Pausen der Bläser. Die oft – eigenartig notierten – rhythmischen Relationen zwischen den einzelnen Abschnitten, namentlich im Scherzo, erklärt er sehr klug und eine von Asher G. Zlotnik in seiner Dissertation zitierte zeitgenössische Abschrift der ersten Sinfonie, die Niels Wilhelm Gade verwendete, zeigt die gleiche Lösung; hier allerdings anders notiert.
Die zweite Sinfonie hält er instrumentatorisch für ziemlich ungeschickt, was jedoch nur die Ecksätze betrifft. Hier geht er teilweise sehr radikal vor und legt ganze Passagen um. Die Mittelsätze bleiben, wie bei allen anderen Sinfonien, fast unverändert, wenn man von dynamischen Ergänzungen absieht.
Die dritte Sinfonie, die von vielen anderen Dirigenten erheblich massiver retouchiert wurde, bezeichnet er wie die erste Sinfonie dynamisch genau, gibt zahlreiche Pausen für die Bläser an und empfiehlt, hohe Passagen der ersten (Alt)-Posaune, die damals – 1918 – schon fast ganz verschwunden war, der Trompete zuzuteilen. Auch hier fällt sein Feingefühl auf. (Sogar die wenig hörbare Imitation des Themas in den Klarinetten und Fagotten [erster Satz, A, Takte 8 ff.] die oft mit Hörnern verstärkt wird, lässt er original.) Auch „falsche“ Paukentöne zum Ende der Exposition bleiben. Die Mittelsätze sind fast unverändert, nur wenig ausgedünnt.
Bei der vierten Sinfonie verfährt er ähnlich, man hat das Gefühl, dass er die Urform von 1841 genau gekannt haben muss, die weitaus durchsichtiger geraten ist – und deshalb von Johannes Brahms bevorzugt wurde. Viele Details scheint er in Anregung an diese Fassung übernommen zu haben. Die rhythmischen Relationen zwischen den einzelnen Abschnitten erklärt er auch hier.
Weingartner geht vom Orchester um 1910 aus, das aber dem Orchester zu Schumanns Tagen weitaus ähnlicher geblieben war, als es die Orchester ab etwa 1975 waren. Die Mensur der Blechbläser war viel enger, sie klangen erheblich leiser und auch der Streicherklang war anders. Auch waren die Holz-Bläserschulen regional sehr unterschieden. Weingartners fordert immer wieder Klarheit und nochmals Klarheit in seinen Ausführungen, was auch der Spieltradition der frühen Romantik und Klassik entspricht. So gesehen macht er nur das, was die Vertreter der Historischen Aufführungspraxis heute tun, die allerdings Retouchen oft ablehnen.
Briefe von Felix Weingartner an die beiden Leipziger Musikverlage und Abklatsche von Briefen an ihn (in Briefkopierbüchern der Verlage) befinden sich in den Beständen 21070 C. F. Peters, Leipzig, sowie 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig, im Staatsarchiv Leipzig.
Otto Nicolai (1842) | Karl Anton Eckert (1854) | Felix Otto Dessoff (1860) | Hans Richter (1875) | Wilhelm Jahn (1882) | Hans Richter (1883) | Gustav Mahler (1898) | Joseph Hellmesberger junior (1901) | Felix Weingartner (1908) | Wilhelm Furtwängler (1927) | Clemens Krauss (1929)
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Personendaten | |
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NAME | Weingartner, Felix |
ALTERNATIVNAMEN | Weingartner, Paul Felix; Weingartner Edler von Münzberg, Paul Felix (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Dirigent, Komponist, Pianist und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 2. Juni 1863 |
GEBURTSORT | Zadar |
STERBEDATUM | 7. Mai 1942 |
STERBEORT | Winterthur |