Jacob Gottfried Weber (* 1. März 1779 in Freinsheim, Pfalz; † 21. September 1839 in Kreuznach) war ein deutscher Musiktheoretiker, Komponist, Jurist und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Gottfried Weber
Leben
Gottfried Weber war der Sohn des Fiskalprokurators und kurpfälzischen Hofgerichtsrats Friedrich Ludwig Weber (1735–1818) und dessen Ehefrau Katharina, geborene Jordan. Weber, der katholischen Glaubens war, heiratete am 13. Februar 1806 in Mannheim Therese geborene von Edel (1786–1808), am 7. Januar 1810 in zweiter Ehe Auguste Elisabeth Katharina geborene von Dusch (* 1787), die Schwester des Politikers Alexander von Dusch. Das Paar hatte 10 Kinder.
Ausbildung, Beruf und Politik
Mit 12 Jahren kam Weber nach schulischer Vorbildung durch den Ortsgeistlichen seines Geburtsortes im Zuge der Wirren der französischen Revolution zum Großvater nach Mannheim. Nachdem er 1796 das dortige Gymnasium abgeschlossen hatte, begann er mit dem Jurastudium. Nach 2 Semestern in Heidelberg unterbrach er das Studium für einen Verwandtenbesuch in Wien und ein anschließendes „année de stage“ bei einem angesehenen Mannheimer Rechtsanwalt. Dann nahm er das Jurastudium für weitere 2 Semester wieder auf. Ab April 1800 studierte Weber für 3 Semester in Göttingen. Nach der Praktikantenzeit am Reichskammergericht in Wetzlar legte Weber 1802 seine Schlussprüfung in Heidelberg ab. Er arbeitete als Advokat am Hofgericht in Mannheim und trat dort 1805 in den Staatsdienst ein. Weber war ab 1818/1818 Hofgerichtsrat am Hofgericht Darmstadt. 1832 wurde er dort Generalstaatsprokurator.
Von 1838 bis 1839 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde für den Wahlbezirk Rheinhessen 2/Ober-Ingelheim-Gau-Algesheim gewählt.
Musikalische Entwicklung
Er wurde schon früh auf der Flöte und dem Cello praktisch ausgebildet, aber seine fehlende theoretisch-musikalische Ausbildung weckte in ihm das Bedürfnis, diese nachzuholen. Er studierte die Systeme von Kirnberger, Marpurg, Vogler und Knecht. Er stellte sogar ein eigenes Tonsystem auf: Versuch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst. Hier führt er zum ersten Mal (deutsche) Buchstaben zur Akkordbezeichnung ein (die lateinischen bedeuteten einzelne Töne), und zwar große Buchstaben für den Dur-, kleine Buchstaben für den Mollakkord. Auch bezeichnete Weber die Dreiklänge und die Septimenakkorde auf den Stufen der Tonleiter durch große und kleine (römische) Zahlen, was von Friedrich Schneider übernommen wurde und Allgemeingültigkeit erlangte. Hugo Riemanns Funktionsbezeichnung basiert ebenfalls auf Webers Stufenzahlen. Webers Bezeichnungssystem widerspricht vielfach den theoretischen Erklärungen.
Stationen seines Lebens
Die Stationen seines hauptberuflichen juristischen Lebensganges waren auch Stätten seines musikalischen Wirkens. Weber war 1802–1814 Fiskalprokurator in Mannheim und für die Stadt Mannheim bis heute bedeutsam ist die Errichtung der musikalischen Vereinigung Conservatorium (später Museum), die Restauration der Kirchenmusik in der Jesuitenkirche, die Leitung der Liebhaberkonzerte, die Zusammenarbeit mit dem neuen Nationaltheater und die Gründung eines Vokal- und Instrumentalquartetts auf dem hausmusikalischen Sektor. Seine Freundschaft mit Carl Maria von Weber, der 1810 auf der Flucht in Gottfried Webers Mannheimer Haus Aufnahme fand, dauerte ein Leben lang.
Während seiner beruflichen Tätigkeit in Mainz von 1814 bis 1818 als Richter am Tribunal arbeitete Weber am dortigen Museum, wirkte im leitenden Intendanz-Ausschuss des Theaters mit und veröffentlichte seine Kompositionen und theoretischen Werke im Verlag Schott. In Mainz trat er der Freimaurerloge „Les amis réunis“ bei.
Als Generalstaatsprokurator in Darmstadt von 1819 bis 1839 komponierte Weber wegen beruflicher Überlastung kaum. Seine große Schaffenskraft zeigt sich aber in seiner weiteren Beschäftigung der theoretischen Durchdringung, der kritischen Arbeit, der Gründung der Zeitschrift Cäcilia, die Planung eines Lexikons und einer Ästhetik der Musik. Hier wurde er 1832 in Anerkennung seiner Verdienste bei der Abfassung des neuen Zivil- und Kriminalrechts zum Großherzoglichen Generalstaatsprokurator ernannt.
Weber starb in Kreuznach auf einer Besuchsreise bei seinem Schwager am 21. September 1839 überraschend im Alter von 60 Jahren.
Bedeutung
Die musikalischen Verdienste, welche auch Hugo Riemann würdigte, liegen bei Jacob Gottfried Weber vor allem auf dem theoretischen Gebiet. Er war der erste, der die Stufenbezeichnungen (I, II, III usw.) durchgehend systematisierte und mit allgemeinen Prinzipien harmonischer Verläufe verschränkte. Die Stufenharmonik Heinrich Schenkers ist mittelbar von Weber beeinflusst.
Obwohl Weber im mittelrheinischen Raum einer der ersten war, die zum durchkomponierten Lied übergingen, ist seine Stellung im frühromantischen Musikschaffen weniger bekannt. Er schrieb im Bereich der Kirchenmusik Messen mit Orchester, die er aber aus dem liturgischen Rahmen zu lösen versuchte. Besonders hervorzuheben sind seine Beiträge zur Instrumentenkunde, wie die Konstruktion einer Doppelposaune (Posaune mit doppeltem Zug). In dem von Weber angefangenen Streit um die Echtheit des Requiems von Mozart vertrat er die Auffassung, dass Süßmayr das Werk auf Basis bloßer Skizzen Mozarts ausgeführt habe, und glaubte auch in der musikalischen Faktur aller Sätze dafür Belege finden zu können.
Werk
Die Entstehungsdaten aller Werke liegen zwischen 1803 und 1814, die Editionsdaten zwischen 1806 und 1828.
Kompositionen
Thema con variazioni für Gitarre, Violoncello oder Flöte, op. 1, Leipzig, Breitkopf&Härtel, 2. Auflage Mainz Schott
ein Werk gleicher Besetzung, op. 2, Paris, Richault, unauffindbar
nicht zu ermitteln op. 3–14
Sonate per il Cembalo op.15, dedicata al suo amico C.M.v.Weber, Bonn, Simrock
Zwölf vierstimmige Gesänge für Sopran, Alt, Tenor, Bass, op. 16, 3 Hefte, Augsburg, Johann Carl Gombart (Abbé Vogler gewidmet)
Zwölf Gesänge für 1 Singstimme mit Begleitung vom Klavier oder Gitarre, op. 17, Bonn, Simrock (der Königin von Bayern gewidmet)
Te deum, Deutschlands siegreichen Heeren gewidmet op. 18, Offenbach, André
Gesänge von Goethe, Jean Paul und anderen für eine Singstimme und Klavier und Gitarre, op. 19, Bonn, Simrock
Triumphmarsch für volle Feldmusik F oder Es op. 20, Mainz, Schott
Leier und Schwert, Gesänge mit Klavier oder Gitarre, op. 21, 4 Hefte, Bonn, Simrock
geistliche Kinderlieder für Sopran und Alt, op. 22, Leipzig, Hofmeister
4 Gesänge für 1 und 2 tiefe Singstimmen mit Klavier oder Gitarre, op. 23, Leipzig, Hofmeister
Requiem für Männerstimme, den Manen der Sieger bei Leipzig und Belle-Alliance geweihet, op. 24, Offenbach, André
Lieder von Schiller, Goethe und andere für eine Singstimme mit Gitarre oder Klavier, op. 25, Augsburg, Gombart
Trio Nr. 1 für Violine, Viola und Violoncello, op. 26, Augsburg, Gombart
Missa I F für Chor und Solostimme mit Begleitung von Violine, Altviolen, Bass, obligatorisch Orgel, Trompete und Pauken, op. 27, Mainz, Schott
Missa II G für Singstimme mit Begleitung von Violine, Altviolen, Bass, Oboe, Fagott, „willkürlich“ Flöte und Posaune, op. 28, Bonn, Simrock
Liederkranz für eine oder mehrere Singstimmen, mit und ohne Begleitung von Gitarre oder Klavier, op. 31, Mainz, Schott
3 Ständchen für eine Singstimme mit Klavier oder Gitarre, op. 32, Leipzig, Peters
Missa III e für Chor und Solostimme, begleitet von Violine, Altviolen, Bass, Flöte, Oboe oder Klarinette, Fagott, Horn und Orgel, op. 33, Leipzig, Probst
Gesänge für eine Singstimme mit Gitarre oder Pianoforte, op. 34, Leipzig, Peters
Gesänge für vier Männerstimmen ohne Begleitung, op. 35, Berlin, Schlesinger
Liebe, Lust und Leiden für eine Singstimme mit Gitarre oder Pianoforte, op. 36, Mainz, Schott
Thema aus dem Freischütz mit Variationen für Flöte mit Gitarre ad libitum, op. 37, Bonn, Simrock
Barcarole venétienne variée für Flöte mit Gitarre, op. 38, Bonn, Simrock
Etude de Flûte en dix variations mit Gitarre ad libitum über ein norwegisches Thema, op. 39, Bonn, Simrock
Festgesang für Männerstimme und allgemeinen Chor, op. 40, Mainz, Schott
Mehrstimmige Gesänge für große Singveranstaltungen und kleinere Zirkel, op. 41, 4 Hefte, Mainz, Schott
Tafellieder für zwei und drei Männerstimmen mit Chor und Gitarre oder Pianoforte, op. 42, Mainz, Schott
Alexandrina, Neujahrsgeschenk für Freunde des Gesangs, Sologesang von ein bis zweistimmigen Liedern mit Begleitung des Pianoforte oder der Gitarre, op. 43, Darmstadt, Alisky
Dokumentarisch belegbar sind noch folgende Werke:
Deukalion, Melodram
Kain und Abel, Melodram
Kantate zum Empfange Ludewigs I. im Museum zu Mainz, Kantate
Kantate zum Empfange unserer liebenswürdigen Frau Großherzogin, Kantate
Französische Kantate, Kantate
1 Streichquartett
13 Einzellieder und 20 neu entdeckte Lieder
1 Triumphmarsch D zur Schlussszene der Oper Tancred von G. Rossini
englische Übersetzung in 2 Bänden von J. F. Warner, 1846
französische Übersetzung von G. Kastner, 1837
dänische Übersetzung, holländische Übersetzung
Die Generalbaß-Lehre zum Selbstunterricht (erweiterter Auszug aus Bd. 4), Mainz: Schott 1833, englische Übersetzung von J. F. Warner, Boston 1842
Allgemeine Musiklehre zum Selbstunterricht für Lehrer und Lernende, Darmstadt: Leske 1822, 2. Auflage/1825 und 3. Auflage/1831 Mainz: Schott, holländische Übersetzung Leiden 1829
Über chronometrische Tempobezeichnung, welche ohne Chronometermaschine überall sogleich verstanden und angewendet werden kann, Mainz 1817, Schott
Musikwissenschaftliche Schriften
Ergebnisse der bisherigen Forschungen über die Echtheit des Mozart’schen Requiems, Mainz 1826, Schott
Weitere Ergebnisse der weiteren Forschungen über die Echtheit des Mozart’schen Requiems, Mainz 1827, Schott
Der Streit zwischen der alten und neuen Musik, Breslau 1826, Förster (enthält Beiträge von Hans Georg Nägeli und Gottfried Weber)
Mitarbeit an den ersten 20 Bänden von Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt, Mainz 1824–1839, Schott (Digitalisat)
Beiträge in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung (seit 1803)
Beiträge zu Ersch/Gruber: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, Leipzig 1818, Gleditsch
Literatur
chronologisch
Johann August Ritter von Eisenhart:Weber, Gottfried. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band41, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S.303–305.
W. Altmann: Aus Gottfried Webers brieflichen Nachlass. 1908–1909
W. Serauky: Die musikalische Nachahmungsästhetik im Zeitraum von 1750–1850. Münster 1929
A. Fleury: Die Musikzeitschrift „Cäcilia“ (1824–48). Dissertation, Universität Frankfurt/Main 1953
Arno Lemke: Jacob Gottfried Weber. Leben und Werk. Ein Beitrag zur Musikgeschichte des mittelrheinischen Raumes (= Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte. Bd. 9). Schott, Mainz 1968
L. U. Abraham: Die allgemeine Musiklehre von Gottfried Weber im Lichte heutiger Didaktik. Festschrift für Arno Volk. Köln 1974
C. Heyter-Rauland (Hrsg.): Studien zu Gottfried Webers Wirken und zu seiner Musikanschauung. Mainz 1993
Hans Georg Ruppel, Birgit Groß: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen (= Darmstädter Archivschriften. Bd. 5). Verlag des Historischen Vereins für Hessen, Darmstadt 1980, ISBN 3-922316-14-X, S. 262–263.
Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 402.
Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biografische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820–1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919–1933 (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 19 = Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF Bd. 29). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-88443-052-1, Nr. 946.
Landtagsabgeordnete des Wahlbezirks der Stadt Ingelheim (Ober-Ingelheim, Gau-Algesheim-Ober-Ingelheim)
Wilhelm Metternich (1820–1824)|
Quirin Ewen (1826–1830)|
Theodor Langen (1832–1836)|Gottfried Weber (1838–1839)|
Adolph Hügel (1839–1847)|
Theodor Langen (1847–1849)|
Philipp August Gebhard (1849–1850)|
Johann Baptist Müller-Melchiors (1851–1856)|
Stefan George (1856–1862)|
Martin Mohr (1862–1865)|
Karl Friedrich Kaibel (1865–1872)|
Philipp August Gebhard (1872–1874)|
Georg von Wedekind (1874–1878)|
Stefan George (1878–1879)|
Johann Philipp Weitzel (1879–1884)|
Ludwig Büchner (1884–1890)|
Oskar Lichtenstein (1890–1896)|
Ignaz Frenay (1896–1910)|
Friedrich Wolf (1910–1918)
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