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Jean Victor Arthur Guillou (* 18. April 1930 in Angers; † 26. Januar 2019 in Paris[1]) war ein französischer Komponist, Organist, Pianist und Musikpädagoge.

Jean Guillou (2014)
Jean Guillou (2014)

Leben


Nach autodidaktischen Studien in Klavier und Orgel wurde Jean Guillou mit 12 Jahren Organist an der Kirche Saint-Serge in seiner Heimatstadt Angers. Von 1945 bis 1954 studierte er am Pariser Konservatorium, wo unter anderem Marcel Dupré, Maurice Duruflé und Olivier Messiaen zu seinen Lehrern zählten.[2] Bereits während seines Studiums, 1952, spielte Guillou in der Erskine and American United Church in Montreal (Kanada) die Uraufführung seiner Orgelfassung des Musikalischen Opfers von Johann Sebastian Bach.[3] Von 1955 bis 1958 unterrichtete Guillou als Professor für Orgel am Pontifício Instituto de Música Sacra in Lissabon (Portugal). In dieser Zeit entstanden Guillous erste Kompositionen (Fantaisie op. 1, Colloque Nr. 1 und Teile von Colloque Nr. 2).[4]

1958 unterzog sich Guillou aufgrund einer Asthma- und Tuberkulose-Erkrankung einer längerfristigen Behandlung in der Lungenklinik Heckeshorn in Berlin, gab seine Anstellung in Lissabon auf und ließ sich bis 1963 in der Lindenallee in Berlin-Westend nieder.[5][6] Während dieser Zeit entstanden nicht nur zahlreiche Kompositionen, sondern auch seine ersten Schallplatten-Einspielungen in der Lutherkirche und in St. Matthias in Berlin-Schöneberg. Darüber hinaus lernte er den Komponisten Max Baumann kennen, der 1962 für Guillou seine ersten Orgelwerke schrieb (Invocation op. 67 Nr. 5, Trois pièces brèves op. 67 Nr. 6, Psalmi op. 67 Nr. 2), und die am 20. Januar 1963 in St. Matthias von Guillou uraufgeführt wurden. 1963 wurde er als Nachfolger von André Marchal zum Titularorganisten an der Pariser Kirche Saint-Eustache ernannt. Am 22. April 1966 debütierte Guillou in der neuerbauten Berliner Philharmonie, wo er in einem Gedenkkonzert zum 50. Todestag von Max Reger dessen Phantasie und Fuge über BACH op. 46 spielte.[7] Am 6. Oktober des gleichen Jahres spielte Guillou in der Berliner Philharmonie die Uraufführung seines Orgelwerkes Pour le Tombeau de Colbert.[8] Auf Empfehlung seines Freundes Karl Richter wurde Guillou 1970 Dozent für Orgel und Improvisation bei den Züricher Meisterkursen, wo er bis 2005 unterrichtete. Am 11. Mai 1979 heiratete er die Hispanistin Suzanne Varga.[9]

Als Konzertorganist und Improvisator trat Jean Guillou weltweit in Erscheinung. Darüber hinaus konzertierte er als Pianist, der die britische und französische Erstaufführung der Klaviersonate von Julius Reubke spielte. Sein Engagement im Orgelbau führte zur Konzeption zahlreicher Instrumente, darunter La Grange de la Besnardière in Villedômer (Kleuker, 1974) Notre-Dame des Neiges in L’Alpe d’Huez (Kleuker, 1978), Notre-Dame des Grâces, Chant d'Oiseau in Brüssel (Kleuker, 1981), Tonhalle in Zürich (Kleuker/Steinmeyer, 1988), Saint-Eustache in Paris (Van den Heuvel, 1989), Konservatorium Neapel (Tamburini/Zanin, 2006[10]), Auditorio de Tenerife (Blancafort, 2004), Sant’Antonio dei Portoghesi in Rom (Mascioni, 2008) und León (Kathedrale, Klais, 2013[11]). Eines seiner Konzepte betraf die „Orgel mit variabler Struktur“ (Orgue à structure variable) mit neun frei aufstellbaren Modulen, die in Fahr- und sogar in Flugzeugen transportiert, und von einem viermanualigen Spieltisch gespielt werden können. Dieses Projekt wurde bislang noch nicht in die Praxis umgesetzt.[12]

Neben seinem umfangreichen und vielseitigen kompositorischen Schaffen hat Guillou zahlreiche Transkriptionen von Orchester- und Klavierwerken für Orgel erstellt. Dazu zählen Werke von Händel, Liszt, Mozart, Mussorgsky, Prokofjew, Rachmaninow, Strawinsky, Tschaikowsky und Vivaldi sowie Orgelfassungen der Goldberg-Variationen und des Musikalischen Opfers von Johann Sebastian Bach.

Vielen seiner Kompositionen liegen Guillous eigene Texte und Gedichte zugrunde; außerdem veröffentlichte er mehrere Bücher, die auch ins Deutsche und Italienische übersetzt worden sind: L'Orgue – Souvenir et Avenir (1978), La Musique et le Geste (2012) und Le Visiteur, Poèmes (2014).

2010 sollte Guillou der französische Verdienstorden der Ritter der Ehrenlegion verliehen werden; er lehnte diese Auszeichnung mit der Begründung ab, Frankreich schenke der klassischen Musik zu wenig Aufmerksamkeit.[13] Am 22. September 2014 erhielt Guillou, nach 51 Jahren Tätigkeit an Saint-Eustache in Paris, den Titel „Organiste titulaire émérite“ und versah seinen Dienst bis zur Karwoche 2015. Im Juli 2015 wurde er zum Honorarprofessor an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken ernannt.[14] Im März 2018 wurde Guillou vom Royal College of Organists in der Southwark Cathedral in London mit der RCO Medal für seine herausragenden Leistungen als Interpret und Komponist ausgezeichnet („in recognition of distinguished achievement in organ playing and composition“).[15] Noch im Mai 2018 war er als Sachberater in Koper, wo die 1988 von ihm konzipierte Orgel der Tonhalle Zürich in die Kathedrale transferiert und 2020 eingeweiht wird.[16][17]

Guillou war bis ins hohe Alter als Konzertorganist aktiv, darunter am 18. April 2018 in der Hamburger Elbphilharmonie, am 6. September desselben Jahres im Oratoire du Louvre (sein letztes Konzert in Paris), und am 21. Oktober 2018 in St. Michael in München (sein letztes öffentliches Konzert).[18] Jean Guillou starb am 26. Januar 2019 mit 88 Jahren in Paris; das Requiem fand am 5. Februar 2019 in der Kathedrale Notre-Dame statt. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Père Lachaise (Chemin du Quinconce, D1/4547).[19]


Kompositionen



Orgel solo



Orgel mit anderen Instrumenten



Orgel und Orchester



Orchesterwerke



Kammermusik



Klavier Solo



Vokalwerke



Sonstige Kompositionen



Transkriptionen für Orgel



Schriften



Diskografie (Auswahl)



Literatur




Commons: Jean Guillou – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Renaud Machart: L’organiste de renommée internationale Jean Guillou est mort. In: lemonde.fr. 27. Januar 2019, abgerufen am 27. Januar 2019 (französisch).
  2. Anders als in Adolph (2019, S. 1) war Guillou zu keinem Zeitpunkt Lehrassistent von Marcel Dupré in dessen Orgelklasse am Konservatorium. Diese Aufgabe nahm Rolande Falcinelli wahr, die 1955 auch Duprés Nachfolgerin als Professorin und Leiterin der Orgelklasse wurde. Guillou vertrat aber Dupré zu mehreren Gelegenheiten als Organist in Saint-Sulpice.
  3. Jean Guillou: L'Orgue – Souvenir et Avenir. Paris: Buchet/Chastel, 1996, S. 218–219.
  4. Abbing (2006, S. 28).
  5. Die Lindenallee befindet sich im Berliner Ortsteil Westend und nicht, wie in Abbing 2006, S. 31, beschrieben, in Charlottenburg.
  6. Es war nicht Karl Richter, der Guillou nach Berlin holte, wie in Adolph (2019, S. 1) beschrieben, sondern es waren vielmehr gesundheitliche Gründe für diesen Ortswechsel ausschlaggebend.
  7. In diesem Konzert wurden auch Regers Requiem op. 144b und Der Einsiedler op. 144a vom Chor der St.-Hedwigs-Kathedrale und dem damaligen Radio-Sinfonie-Orchester unter Leitung von Domkapellmeister Anton Lippe aufgeführt. Siehe Oliver Hilmes, Berlin „Ecke Nollendorfplatz“, in: Jörg Abbing (Hg.), Die Rhetorik des Feuers. Festschrift Jean Guillou, S. 100–111. Bonn: Dr. J. Butz Musikverlag, 2010.
  8. 1967 bei Leduc (Paris) veröffentlicht und 2005 in einer revidierten Fassung unter dem Titel Ballade Ossianique Nr. 1 ("Temora") bei Schott (Mainz) neu herausgegeben.
  9. Who's who in France: Biographie Jean Guillou. In: https://www.whoswho.fr/. Abgerufen am 19. Februar 2019.
  10. Orgue Tamburini (1983) du Conservatoire San Pietro de Naples (Italie). In: Orgues en France et dans le monde. 27. November 2018, abgerufen am 27. Januar 2019 (französisch).
  11. Die Kathedrale von León hat eine neue Klais-Orgel bekommen. In: klais.de. Abgerufen am 27. Januar 2019.
  12. Le Grand Orgue mobile à structure variable de Jean Guillou. In: https://www.orgue-en-france.org/. Abgerufen am 19. Februar 2019.
  13. Jean Guillou statuiert ein Exempel. In: klassik.de. 27. Juli 2010, archiviert vom Original am 13. Juli 2015; abgerufen am 27. Januar 2019.
  14. Kerstin Krämer: Feierstunde für einen Großen der Orgel. In: Saarbrücker Zeitung. 11. Juli 2015, abgerufen am 27. Januar 2019.
    Jean Guillou zum Honorarprofessor der Hochschule für Musik Saar bestellt. Pressemitteilung Hochschule für Musik Saar, 11. Juli 2015, abgerufen am 27. Januar 2019.
  15. RCO Medal awarded to distinguished musicians. In: https://www.rco.org.uk/. Abgerufen am 19. Februar 2019.
  16. Svetovno znani Jean Guillou obiskal Koper (deutsche Übersetzung: "Der weltberühmte Jean Guillou besuchte Koper"). In: https://www.ekoper.si/. Abgerufen am 20. Februar 2019.
  17. Die Zürcher Tonhalle-Orgel zügelt. In: https://www.nzz.ch/. Abgerufen am 20. Februar 2019.
  18. Bayerischer Rundfunk: Jean Guillou gestorben: Zum Tod des großen französischen Organisten | BR-Klassik. 28. Januar 2019, abgerufen am 2. Februar 2019.
  19. Cérémonie d’inhumation de Jean Guillou. Blog Tomasz Cichawa. Aufgerufen am 30. April 2019.
Personendaten
NAME Guillou, Jean
ALTERNATIVNAMEN Guillou, Jean Victor Arthur (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG französischer Komponist, Organist, Pianist und Musikpädagoge
GEBURTSDATUM 18. April 1930
GEBURTSORT Angers
STERBEDATUM 26. Januar 2019
STERBEORT Paris

На других языках


- [de] Jean Guillou

[en] Jean Guillou

Jean Victor Arthur Guillou (18 April 1930 – 26 January 2019) was a French composer, organist, pianist, and pedagogue. Titular Organist at Saint Eustache in Paris, from 1963 to 2015, he was widely known as a composer of instrumental and vocal music focused on the organ, as an improviser, and as an adviser to organ builders. For several decades he held regular master classes in Zurich and in Paris.

[ru] Гийу, Жан

Жан Виктор Артюр Гийу (фр. Jean Victor Arthur Guillou; 18 апреля 1930, Анжер — 26 января 2019) — французский органист, пианист и композитор.



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