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Albert Mangelsdorff (* 5. September 1928 in Frankfurt am Main; † 25. Juli 2005 ebenda) war ein deutscher Jazz-Posaunist. Er verlieh dem Posaunenspiel im Jazz mit seiner Mehrstimmigkeit – den „Multiphonics“ – neue Aspekte und gilt als ein innovativer und bedeutender Vertreter seines Instruments im Jazz.

Albert Mangelsdorff
Albert Mangelsdorff

Leben


Albert Mangelsdorff wurde als Sohn eines Frankfurter Buchbinders geboren. Durch seinen älteren Bruder Emil Mangelsdorff bekam er Kontakt zum Jazz. Er besuchte den Frankfurter Hot Club, in dem heimlich der von den Nationalsozialisten verbotene Jazz gespielt wurde, und erlernte bei seinem Onkel in Pforzheim Violine sowie Harmonielehre und allgemeine Musiktheorie. Daneben brachte er sich autodidaktisch das Gitarrespielen bei. Seine Karriere als Berufsmusiker begann im Nachkriegsdeutschland 1947 als Rhythmusgitarrist in der Otto-Laufner-Bigband, mit der er vorwiegend in den Clubs der US-Army spielte. Ab 1947 nahm er dann Posaunenunterricht bei Fritz Stähr, dem Soloposaunisten der Frankfurter Oper.


1950er Jahre


Mangelsdorff spielte Gitarre und Posaune, bis er sich mit Mitte Zwanzig endgültig für die Posaune entschied. 1953 ging er zur Hans-Koller-Band und wechselte 1955 aus finanziellen Gründen für zwei Jahre zum Radio-Tanzorchester des Hessischen Rundfunks. Am 2. Dezember 1955 fand in der Heidelberger Stadthalle ein großes Jazz-Konzert mit Mangelsdorff statt, organisiert von Fritz Rau, dem späteren verantwortlichen Konzertorganisator der Deutschen Jazz-Föderation. Ein besonderes Ereignis war für Mangelsdorff der erste Auftritt nach dem Krieg in Polen: Mit den Frankfurt All Stars gab er 1957 ein Konzert im Rahmen des Internationalen Festivals in Sopot, dem sich eine Konzertreise durch Polen anschloss. Organisiert hatte diese Konzerte Werner Wunderlich, der seit seiner Zeit als polnischer Kriegsgefangener freundschaftliche Beziehungen zu Polen unterhielt. Im gleichen Jahr übernahm Mangelsdorff die musikalische Leitung des aus den Frankfurt All Stars hervorgegangenen hr-Jazzensembles; mit dieser Gruppe machte er bis 2005 monatlich regelmäßig Aufnahmen für den Hörfunk. Eine Einladung zum Newport Jazz Festival 1958 mit der International Youth Band von Marshall Brown gab dann seiner Entwicklung einen wichtigen Impuls. Die Gespräche mit den tonangebenden Jazzmusikern der Welt förderten seinen Entschluss, sich eine eigene Stimme, einen persönlichen Klang zu erarbeiten. 1965, 1967 und 1969 wurde er erneut zum Newport Jazz Festival eingeladen. Bald wurde er international anerkannt.


1960er Jahre


Das 1961 neu formierte Albert Mangelsdorff-Quintett mit Günter Kronberg (as, brs), Heinz Sauer (ts, ss), Günter Lenz (b) und Ralf Hübner (dr) versuchte die Emanzipation der europäischen Jazzmusik vom damals dominanten US-Jazz. Als Beispiele gelten die Aufnahmen Tension (1963) und Now Jazz Ramwong (1964). Letztgenannte Platte war die erste deutsche Aufnahme von Ethno-Jazz auf modaler Grundlage und entstand nach einer Asientournee im Auftrag des Goethe-Instituts. Das Quintett hatte maßgeblichen Einfluss für die Entwicklung der Jazzszene in Deutschland; es tourte auch durch die USA und bestand in dieser Besetzung bis 1969.

Obgleich er zunehmend eine eigene Ausdrucksweise gewann, spielte er ab und zu mit großen deutschen Rundfunk-Jazzorchestern. Die modale Spielweise beeinflusste in dieser Zeit weiterhin seine Kompositionen und Improvisationen. Stand Mangelsdorff zu Beginn seiner Karriere noch unter dem Eindruck des Cool Jazz, wandte er sich Ende der 1960er Jahre immer stärker dem Free Jazz zu. Zu dieser Phase gehören die Zusammenarbeit mit dem Globe Unity Orchestra und Peter Brötzmann sowie die Verkleinerung von Mangelsdorffs Band 1969, die nun als Quartett weiterarbeitete. Über das Experimentieren mit neuen Spiel- und Klangmöglichkeiten entwickelte Mangelsdorff in dieser Zeit das mehrstimmige Spiel.


1970er Jahre


Mangelsdorff mit dem United Jazz + Rock Ensemble (2002)
Mangelsdorff mit dem United Jazz + Rock Ensemble (2002)

Während eines Jazzfestivals anlässlich der Olympischen Spiele in München trat Mangelsdorff 1972 erstmals öffentlich ein ganzes Konzert hindurch als unbegleiteter Solist auf. Anschließend spielte er seine erste Solo-Platte Trombirds ein; die erste Soloaufnahme für ein Blechblasinstrument im Jazz. Mangelsdorff gab damit vielen Jazzmusikern die Perspektive, in Soloprojekten und -platten ihre Kreativität auszuloten. Neben Tourneen als Soloposaunist konzertierte Mangelsdorff mit einem Quintett, seit 1974 allerdings nur noch im Quartett oder Trio, das auf Buschi Niebergall (Bass) und Peter Giger (Schlagzeug, Perkussion) als Rhythmusgruppe zurückgriff. Allerdings gibt es nur eine Schallplattenaufnahme aus der Frühzeit dieser Gruppe (mit den Saxophonisten Heinz Sauer und Gerd Dudek; Birds of Underground, 1973).[1] Mangelsdorff dokumentierte stattdessen (produziert von Joachim-Ernst Berendt) zahlreiche Projekte, u. a. mit Elvin Jones, Eddie Gomez, Palle Danielsson, Jaco Pastorius, Alphonse Mouzon oder mit dem Trio Barre Phillips, John Surman und Stu Martin. In diesem Jahrzehnt gestaltete er zusammen mit Max Schautzer eine regelmäßige Jazzsendung beim damaligen Deutschlandfunk. 1975 war Mangelsdorff Gründungsmitglied des United Jazz + Rock Ensembles, dem er bis zu dessen Auflösung Ende 2002 treu blieb. Anlässlich des Konzertabends zum 75. Geburtstag von Mangelsdorff in der Frankfurter Alten Oper (2003) kam dieses Ensemble nochmals zusammen. 1976 bis 1982 übernahm Mangelsdorff den Unterricht in Improvisation und Stilistik des Jazz an Dr. Hoch’s Konservatorium. Ende der 1970er Jahre nahm Mangelsdorff zusammen mit den Posaunisten Bill Watrous, Kai Winding und Jiggs Whigham an einem Trombone Summit teil, das 1980 für das deutsche Label MPS eine Plattenaufnahme machte.


1980 bis 2005


Albert Mangelsdorff (Münster 1987)
Albert Mangelsdorff (Münster 1987)
Albert Mangelsdorff im Solo-Konzert (Magdeburg 10. Juli 1992)
Albert Mangelsdorff im Solo-Konzert (Magdeburg 10. Juli 1992)

In den 1980er und 1990er Jahren trat Mangelsdorff vor allem im Solo, Duo und Trio auf. Seit 1981 nahm er Duo-Alben mit dem Pianisten Wolfgang Dauner auf. Auch mit dem Duo Eric Watson und John Lindberg gab er Konzerte. Teilweise erweiterte sich das Trio mit Ed Thigpen zum Quartett. Daneben spielte er mit Musikern aus der Klaus-Lage-Band, aber auch mit Peter Gigers Family of Percussion.

Sechs Jahre lang war er ab 1995 künstlerischer Leiter des JazzFest Berlin. In den 1990er Jahren hatte er ein Quartett mit Reto Weber, Bruno Spoerri und Ernst Reijseger (bzw. Christy Doran). Später trat er dann mit dem Reto Weber Percussion Ensemble und Chico Freeman auf sowie einem eigenen, konventionell besetzten Quintett, zu dem neben Wolfgang Dauner, Wolfgang Haffner, Dieter Ilg auch Christof Lauer zählte. Zuletzt arbeitete Mangelsdorff oft mit der NDR-Bigband zusammen. Mit dem Pianisten und Keyboarder Wolfgang Dauner war er von 1982 bis 2004 als Duo unterwegs. Es gab noch ein Trio mit Eberhard Weber und Reto Weber, manchmal auch als Quartett mit Chico Freeman.

Am Morgen des 25. Juli 2005 starb Mangelsdorff im Alter von 76 Jahren in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main an den Folgen der Leukämie. Er hinterließ seine Frau Ilo und seinen Sohn Ralph, der ebenfalls als Musiker (Sänger) und als promovierter Biologe an der Goethe-Universität Frankfurt Main tätig ist. Das Grab von Mangelsdorff befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.[2]


Bedeutung


Mangelsdorff gilt als wichtiger Innovator des Posaunenspiels des Jazz und als der erste Jazz-Musiker, der auf einem Blasinstrument abendfüllende Solokonzerte geben konnte. Keiner vor ihm beherrschte in der Soloimprovisation auf der Posaune das Prinzip der Inside-Outside-Improvisation so gut wie er. Vor allem kultivierte er das mehrstimmige Spiel auf der Posaune und machte diese Spielweise wieder bekannt. Allerdings war ihm die Technik zweitrangig. Die perfekte Beherrschung des Instruments war für ihn lediglich eine notwendige Voraussetzung für die spontane Improvisation. Es war seine Gewohnheit, täglich mehrere Stunden zu üben. Mangelsdorff hatte auch eine besondere Affinität zum Vogelgesang und konnte als Hobby-Ornithologe viele Arten von Vögeln unterscheiden. Der Gesang der Vögel war für ihn ein Klangideal und stetes Vorbild für seine Musik. Er gleicht darin Musikern wie Olivier Messiaen, der den Vogelgesang am frühen Morgen mit der letzten Stimme des Paradieses verglich.

In der Jazz-Kritiker-Umfrage des amerikanischen Jazzmagazins Down Beat im Jahr 1980 wurde Mangelsdorff zum besten Jazz-Posaunisten gewählt. Doch trotz seiner vielen Auszeichnungen und Ehrungen blieb Mangelsdorff immer eine vorsichtig zurückhaltende, sympathische Persönlichkeit. 1993 wurde er zum Honorarprofessor für Jazz an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt ernannt. Während seiner Karriere spielte er mehr als 100 Schallplatten und CDs ein. Mangelsdorff war einer der ersten deutschen Jazzmusiker, die ausschließlich vom Jazz leben konnten.


Mehrstimmige Spielweise


Unverwechselbar war seine Technik des mehrstimmigen Spiels durch normales Anblasen eines Tons und gleichzeitiges Singen in das Mundstück. Durch Differenztonbildung von unterschiedlich gespieltem und hineingesungenem Ton entstehen Obertöne (Multiphonics), die so stark hörbar sind, dass Akkorde erklingen können. Während der 1970er beherrschte diese Kunst kein anderer Jazz-Musiker so virtuos wie Mangelsdorff; vergleichbar mit Vinko Globokar in der Neuen Musik. Diese spezielle Technik wurde ursprünglich von Hornisten des 19. Jahrhunderts entwickelt. Mangelsdorff entdeckte sie wieder (sein Lehrer Fritz Stähr, der diese Technik ebenfalls beherrschte, hatte ihn darauf aufmerksam gemacht) und propagierte sie, indem er regelmäßig in seinen Soli und auch in der Vorstellung von Themen auf sie zurückgriff. Heute beherrschen gute Jazz-Blechbläser standardmäßig diese Spielweise.


Bedeutung für die europäische Jazz-Szene


Mangelsdorff war nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend am Wiederaufbau der Jazzszene in Deutschland und an der Emanzipation des europäischen Jazz von dem bis etwa 1965 vorherrschenden, Musizierhaltung und Improvisation bestimmenden amerikanischen Vorbild beteiligt. Seine Stilistik und Tonsprache gelten demgegenüber als eigenständig.

Mit französischen Jazzmusikern, insbesondere mit Jean-François Jenny-Clark leitete Mangelsdorff von 1981 bis zu seinem Tod das Deutsch-Französische Jazz Ensemble, das Nachwuchsmusikern aus Deutschland und Frankreich die Möglichkeit zum gemeinsamen Spiel gab. Ihm zu Ehren vergibt die Union Deutscher Jazzmusiker und die GEMA-Stiftung seit 1994 den Deutschen Jazzpreis, der den Titel Albert-Mangelsdorff-Preis trägt.


Nachlass


Albert Mangelsdorff-Grab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof
Albert Mangelsdorff-Grab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof

Den künstlerischen Nachlass des verstorbenen Musikers hat die Stadt Frankfurt am Main übernommen[3]. Es handelt sich um sechs Kisten mit Noten, etwa 1500 Tonträger und Instrumente sowie Akten mit der Korrespondenz. Man plant nach dpa-Meldungen, daraus den Grundstock für ein nach dem großen Sohn der Stadt benanntes Jazzarchiv zu machen.[4]


Diskografie (Auswahl)



Bücher



Auszeichnungen



Filme / Hörfunk



Literatur




Commons: Albert Mangelsdorff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachrufe:


Einzelnachweise


  1. Vom Quartett gibt es nur auf einer Doppel-LP City Jazz: Frankfurt Main Streams ( Telefunken 6.28341) eine Aufnahme.
  2. knerger.de: Das Grab von Albert Mangelsdorff
  3. Jan-Otto Weber: "Ich wollte nie von Frankfurt weg". In: Journal Frankfurt. 12. Februar 2009, abgerufen am 19. August 2022.
  4. Kulturnachrichten im Deutschlandradio Kultur vom 11. Februar 2009
  5. alteoper.de Albert Mangelsdorff Foyer
  6. Albert Mangelsdorff Weiher
  7. Filmbesprechung (47. Nordische Filmtage Lübeck)
  8. darin Kritik über Purity, Albert Mangelsdorff Solo.
  9. Darin Porträt Albert Mangelsdorff.
Personendaten
NAME Mangelsdorff, Albert
KURZBESCHREIBUNG deutscher Jazzmusiker (Posaune, Quintett, hr-Jazzensemble)
GEBURTSDATUM 5. September 1928
GEBURTSORT Frankfurt am Main, Deutsches Reich
STERBEDATUM 25. Juli 2005
STERBEORT Frankfurt am Main, Deutschland

На других языках


- [de] Albert Mangelsdorff

[es] Albert Mangelsdorff

Albert Mangelsdorff, nacido en Fráncfort del Meno (Alemania) el 5 de septiembre de 1928 y fallecido en la misma ciudad el 25 de julio de 2005, fue un trombonista y compositor de jazz.



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