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Erich Schenk (* 5. Mai 1902 in Salzburg, Österreich-Ungarn; † 11. Oktober 1974 in Wien) war ein österreichischer Musikhistoriker.


Persönliches und wissenschaftliche Biographie


Ehrengrab von Erich und Margaretha Eleonore Schenk, Salzburger Kommunalfriedhof (Rayon 110)
Ehrengrab von Erich und Margaretha Eleonore Schenk, Salzburger Kommunalfriedhof (Rayon 110)

Erich Schenk studierte am Salzburger Mozarteum und anschließend an der Universität München, wo er 1925 auch promoviert wurde. Seine Habilitierung folgte 1930 an der Universität Rostock. An dieser Universität leitete er ab 1936 das musikwissenschaftliche Institut. Nach der Emeritierung von Robert Lach 1940 folgte ihm Schenk als ordentlicher Professor am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien. Er konnte sich auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft halten und wurde 1946 in die Österreichische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Im Jahr 1950 wurde er zum Dekan der Philosophischen Fakultät gewählt und 1957 schließlich zum Rektor der Universität Wien.

Seinen Ruf als Musikwissenschaftler erwarb er sich u. a. als Herausgeber der musikwissenschaftlichen Reihe Denkmäler der Tonkunst in Österreich (DTÖ)[1] und durch seine Forschungen zur Wiener Klassik und der Musik des Barocks.[2] Für seine Verdienste um die musikwissenschaftliche Forschung erhielt Schenk zahlreiche Ehrungen, etwa das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich. Ferner wurde er Ehrendoktor der Universitäten Brünn und Rostock. 1966 erhielt er den Wilhelm-Hartel-Preis, 1970 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1971 wurde er emeritiert. Ab 2003 verlieh die „Mozartgemeinde Wien“ einen neuen Preis an Nachwuchsmusiker und -musikerinnen unter dem Namen „Erich-Schenk-Preis“, der 2021 in „Interpretationspreis der Mozartgemeinde Wien“ umbenannt wurde.[3] Dieser war von der Witwe des Musikwissenschaftlers testamentarisch verfügt worden und ersetzte den zuvor von der Stadt Wien verliehenen Interpretationspreis.

Seine Grabstätte befindet sich auf dem Salzburger Kommunalfriedhof.


Antisemitismus Erich Schenks


Broschüre des NSD-Dozentenbund-Mitglied Erich Schenk
Broschüre des NSD-Dozentenbund-Mitglied Erich Schenk

Nachweislich war Schenk seit den 1930er-Jahren ausgeprägt antisemitisch eingestellt, eine Haltung, die er bis zu seinem Tod nicht korrigierte. Am 2. August 1934 wurde er Mitglied im NS-Lehrerbund,[4] später noch im Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund. Als Lektor und zeitweiliger Mitarbeiter für das Amt Rosenberg leistete er Spitzeltätigkeiten, indem er Auskünfte über ehemalige jüdische Studenten der Musikwissenschaften bekanntgab.[4] Außerdem arbeitete er eng mit Herbert Gerigk für die Herausgabe dessen Lexikons der Juden in der Musik zusammen.[5] Gerigk bedankte sich herzlich bei Schenk: „Eine genaue Durchsicht der Wiener Promoventen [sic!] würde wahrscheinlich noch manchen fetten Juden zu Tage fördern.“[6] Schenk war wegen der Mitarbeit in Rosenbergs „Sonderstab Musik“ vom Wehrdienst freigestellt worden und wirkte zusätzlich in Rosenbergs Zeitschrift Musik im Kriege mit.[7]

In der 1940 erschienenen Biographie von Johann Strauss (Sohn), die musikwissenschaftlich nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Strauss-Forschung besitzt, wird jeder einzelne Jude akribisch gekennzeichnet und Forschungsergebnisse zu den belegten Pathologien Johann Strauss’ durch Ernst Décsey (und die zweifelsfrei auf den Angaben von Strauss’ dritter Frau Adele beruhen) als „selbstherrliche Deutung“ und „journalistische Redefreude“ abgetan, die in Strauss’ Lebensbild nicht vorkamen, „[…] bis der Jude Decsey nach dem Weltkrieg daran ging, es orts- und zeitgeschichtlich zu unterbauen […]“.[8]


Schenk und die Enteignung der Adler-Bibliothek


Ein besonders unrühmliches Kapitel in Schenks Biographie ist seine Rolle bei der Enteignung der Privatbibliothek von Guido Adler nach dessen Tod 1941. Sie ist hier detailliert dargestellt, da sie exemplarisch für das Verhalten nationalsozialistischer Musikwissenschaftler während des Nationalsozialismus ist. Jahrzehntelang täuschte Schenk Öffentlichkeit und Leser des über sich selbst verfassten Artikels in der Enzyklopädie Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) durch die falsche Behauptung, er habe die „Bibliothek vor dem Zugriff der NS-Behörden“[9] bewahrt. Erst als im Jahr 2000 ein Manuskript Gustav Mahlers, das Bestandteil der Bibliothek war, bei Sotheby’s in Wien versteigert werden sollte, wurde die „Causa Schenk-Adler-Bibliothek“ genauer untersucht.

Die Bibliothekarin Yukiko Sakabe hat 2004[10] und 2007[11] den Wissensstand zusammengefasst. Sie spricht von der „Beschlagnahme der Bibliothek von Guido Adler unter der Beteiligung des Universitätsprofessors Erich Schenk“[11]: „Unmittelbar nach dem Tod Guido Adlers begann Schenk, die Bibliothek und auch den wissenschaftlichen Nachlass Adlers für sich bzw. für das Institut zu beanspruchen. Schenk informierte das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin in einem Bericht vom 31. März 1941 über seine eigenmächtige Sicherstellung der Bibliothek.“ Die Enteignung geschah in mehreren Schritten:


Gerichtsverfahren gegen Schenk


Nach dem Ende des NS-Staates wurde bei der amerikanischen Besatzungsmacht Anzeige gegen Schenk erstattet. Sektionschef Otto Skrbensky im Unterrichtsministerium leitete damals die Untersuchung. Er bestritt alle Vorwürfe gegen Schenk. Hinsichtlich der Beschlagnahme der Bibliothek Adlers meinte er: „an sich wohl nicht gegen Professor Schenk [zu sprechen], da es ja im Interesse Österreichs gelegen ist, dass diese Bibliothek unserem Vaterland erhalten blieb“.[16] Die Enteignung als Akt des Volkswohls erschien Skrbensky also fraglos als angemessene Maßnahme. Am 30. Juni 1952 schrieb Bundesminister Ernst Kolb an Schenk: „Das Bundesministerium hat diese Anschuldigungen nach eingehender Prüfung der damaligen Vorgänge als unrichtig erkannt und Ihr korrektes Verhalten bei Uebernahme der Bibliothek durch das musikwissenschaftliche Institut der Universität im Sinne einer Vermögenssicherung festgestellt“.[17]


Nach dem Zweiten Weltkrieg


Als Gösta Neuwirth Anfang der sechziger Jahre eine Arbeit zu Franz Schreker begann, wurde er von Ordinarius Schenk mit den Worten: „Mit Juden gebe ich mich nicht ab!“ abgefertigt.[18] Ein daraufhin eingeleitetes Verfahren gegen Schenk wurde 1967 ergebnislos eingestellt.

Zum geschichtsklitternden Verhalten Schenks gehörte auch, dass er seine während des Nationalsozialismus entstandenen Schriften anlässlich der Neuherausgabe seiner Ausgewählten Aufsätze, Reden und Vorträge bereinigte und umfärbte.[19]


Publikationen (Auswahl)



Editionen (Auswahl)



Literatur



Auszeichnungen





Einzelnachweise


  1. Carl Dahlhaus und Hans Heinrich Eggebrecht: Brockhaus Riemann Musiklexikon Band 4, 3. Auflage, Schott Musik International, Taschenbuchausgabe 2001, ISBN 3-254-08399-7, S. 104.
  2. Wien 1962, Webservice der Stadt Wien
  3. Mozartgemeinde Wien Geschichte (Memento des Originals vom 23. Januar 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mozartgemeinde-wien.at
  4. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Kiel 2004, CD-ROM Lexikon, S. 6070f.
  5. Eva Weissweiler: Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen. Dittrich, Köln 1999, S. 71f.
  6. Gerhard Scheit: Die deutscheste der Wissenschaften: Über die Sonderkommandos der deutschen Musikwissenschaft. (MS Word; 30 kB) In: Konkret 8/2001 (abgerufen am 2. September 2009)
  7. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 519.
  8. Erich Schenk: Johann Strauß. In: Unsterbliche Tonkunst. Lebens- und Schaffensbilder großer Musiker. Hrsg. von Herbert Gerigk, u. a. unter Mitarbeit von Erich Schenk. Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, Potsdam 1940, S. 105 ff.
  9. Artikel Schenk, Erich, verfasst von Erich Schenk und Theophil Antonicek, in: Musik in Geschichte und Gegenwart Band 11, Erste Auflage 1963, Sp. 1665.
  10. Yukiko Sakabe: Erich Schenk und der Fall Adler-Bibliothek. In: Musik-Wissenschaft an ihren Grenzen, Frankfurt: Lang 2004, S. 383–392.
  11. Yukiko Sakabe: Die Bibliothek von Guido Adler. In: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Jahrgang 2007 Nr. 1 (März), S. 10–13. Als pdf abrufbar
  12. Porträt der Melanie Karoline Adler, Studentin der Universität Innsbruck, siehe: , aufgerufen am 27. August 2017.
  13. Rudolf von Ficker: Memorandum, Igls bei Innsbruck, am 29. Oktober 1945; im Schenk-Nachlass des Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Wien und im Wellesz-Nachlass der Musiksammlung der ÖNB; vollständig zitiert bei Gerhard Oberkofler: Orchideenfächer im Faschismus, in: Jahrbuch des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands 1990, S. 45–49, hier S. 47–49. Siehe auch Renate Erhart: Melanie Karoline Adler (1888–1942) (abgerufen am 13. Februar 2012)
  14. Eintrag für Melanie Adler in The Central Database of Shoah Victims' Names
  15. Staudinger: Zur Geschichte der Musikwissenschaft an der Universität Wien in den Jahren 1938–1945. In: Musik in Wien 1938–1945 (hrsg. v. Carmen Ottner). Wien, 2006. S. 247.
  16. Murray / Köstner: „...allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern...“, S. 297. Zitiert nach: Yukiko Sakabe: Die Bibliothek von Guido Adler. In: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Jahrgang 2007 Nr. 1, S. 12.
  17. Archiv Musikfreunde, Schenk-Nachlass
  18. music austria
  19. siehe dazu Pape: Erich Schenk, passim
  20. Inschrift Deutschordenshof, Singerstraße: Erich Schenk 1955 (abgerufen am 11. Juni 2014)
Personendaten
NAME Schenk, Erich
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Musikhistoriker
GEBURTSDATUM 5. Mai 1902
GEBURTSORT Salzburg
STERBEDATUM 11. Oktober 1974
STERBEORT Wien



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