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Joseph Schmidt (* 4. März 1904 in Dawideny, österreichisches Kronland Bukowina; † 16. November 1942 im Internierungslager Girenbad oberhalb von Hinwil, Kanton Zürich, Schweiz) war ein österreichischer Opernsänger (lyrischer Tenor). Um 1930 gehörte er zu den bekanntesten Sängern in Deutschland. Nachdem er 1933 als Jude aus Deutschland fliehen musste, gelangte er schließlich in die Schweiz, wo er in einem Internierungslager erkrankte und aufgrund einer unzureichenden Behandlung in einem Zürcher Krankenhaus verstarb.[1]

Briefmarkenausgabe anlässlich des 100. Geburtstages von Joseph Schmidt (Deutsche Post 2004)
Briefmarkenausgabe anlässlich des 100. Geburtstages von Joseph Schmidt (Deutsche Post 2004)

Leben


Gedenktafel am Haus Nürnberger Straße 68, in Berlin-Schöneberg
Gedenktafel am Haus Nürnberger Straße 68, in Berlin-Schöneberg

Joseph Schmidt, Sohn deutschsprachiger orthodoxer Juden, wuchs in Dawideny (am Sereth südwestlich von Czernowitz gelegen) und in Czernowitz auf. Seine Heimat Bukowina gehörte zur österreich-ungarischen Monarchie und fiel nach dem Ersten Weltkrieg an Rumänien; 1940 kam ein Teil zur Sowjetunion – die vorerwähnten Orte liegen heute in der Ukraine; das Dorf Dawideny heißt rumänisch Davideni. Bereits im Kindesalter sang Schmidt als Chasan im Israelitischen Tempel Czernowitz.[2]

Er studierte ab 1925 an der Berliner Hochschule für Musik bei Hermann Weißenborn Gesang. Der weltweit erfolgreiche Schmidt nahm zahlreiche Schallplatten auf und sang, entdeckt durch Cornelis Bronsgeest, zwischen 1929 und 1933 am Berliner Rundfunk in 38 Rundfunkopern. Mit seinen Rundfunksendungen trug er nicht nur zur Popularität des Rundfunks bei, sondern wurde selbst ein gefeierter Tenor. Aufgrund seiner geringen Körpergröße von nur 1,54 m blieb ihm eine Karriere auf der Opernbühne verwehrt. Trotzdem konnte er ab Januar 1939 in Brüssel die Rolle des Rudolf in La Bohème verkörpern, es folgte eine Tournee über Lüttich, Gent, Antwerpen, Brügge, Kortrijk, Ostende und Verviers. Ein Gastspiel als Rudolf gab Schmidt im Jahre 1940 auch in Helsinki. Innerhalb eines Jahres spielte er diese Rolle 24 Mal. Als weitere Bühnenpartie sollte er den Canio in Bajazzo singen, doch verhinderte die sich zuspitzende Politik dieses Projekt. Schmidts letzter nachweisbarer Auftritt fand in der Oper von Avignon am 14. Mai 1942 statt.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten sang Schmidt am 20. Februar 1933 zum letzten Mal im deutschen Rundfunk (Der Barbier von Bagdad). Eine Woche darauf wurde ihm der Zugang zum Funkhaus verwehrt. Nach der Premiere seines Films Ein Lied geht um die Welt am 9. Mai 1933 emigrierte er im Dezember vor den Nationalsozialisten zunächst nach Wien. Er gastierte 1934 in Palästina, debütierte am 7. März 1937 als Tenor in der New Yorker Carnegie Hall[3] und gab in Deutschland bis 1937 noch einzelne Konzerte beim Jüdischen Kulturbund.[4] 1938 führte ihn seine Flucht vom inzwischen annektierten Österreich nach Belgien, im November 1940 nach Frankreich. Hier wurde er als Deutscher in der zu jener Zeit noch unbesetzten Zone Frankreichs, in La Bourboule, von der Vichy-Regierung zwangsinterniert.

Schmidt gelang im Oktober 1942 nach mehreren missglückten Versuchen die Flucht in die Schweiz. Allein und zu Fuß überquerte er die Grenze. Von den Strapazen geschwächt, brach Schmidt in Zürich auf offener Straße zusammen, wurde erkannt und als illegaler Flüchtling – laut einem Gesetz von 1942 galten geflohene Juden in der Schweiz nicht als politische Flüchtlinge – in das Internierungslager Girenbad „zur Abklärung des Falles“ gebracht. Er beantragte eine Arbeitserlaubnis, die ihm zunächst verweigert wurde. Nach kurzer Zeit erkrankte er an einer Halsentzündung und wurde in das Kantonsspital Zürich eingewiesen. Zwar behandelte man dort die Halsbeschwerden, seinem Hinweis auf starke Schmerzen in der Herzgegend wollte man jedoch nicht nachgehen und verweigerte eine weitere Untersuchung. Als offiziell geheilt wurde Schmidt am 14. November 1942 aus dem Kantonsspital entlassen und musste in das Auffanglager Girenbad zurückkehren.

Zwei Tage später starb Schmidt im nahegelegenen Restaurant Waldegg an Herzversagen. Einen Tag nach seinem Tod lag seine Arbeitserlaubnis vor und er wäre frei gewesen.

Das Grab von Joseph Schmidt
Das Grab von Joseph Schmidt

Joseph Schmidt ist auf dem Israelitischen Friedhof Unterer Friesenberg im Stadtkreis 3 in Zürich-Wiedikon beigesetzt. Sein Grabstein trägt in Deutsch die Inschrift Ein Stern fällt ... Joseph Schmidt Kammersänger 1904–1942, sowie auf Hebräisch die Worte hameshorer hamfurssam („der berühmte Sänger“), womit auch die Kantorentätigkeit Schmidts einbegriffen ist. Eine Gedenktafel ist heute am Restaurant angebracht, wo er starb.

Gedenktafel am ehem. Restaurant Waldegg in Girenbad Gd. Hinwil
Gedenktafel am ehem. Restaurant Waldegg in Girenbad Gd. Hinwil

Eine umfassende Biografie über den Sänger verfasste sein Nachlassverwalter, der Schweizer Tenor Alfred Fassbind. Sie erschien 1992 im Schweizer Verlagshaus unter dem Titel Spuren einer Legende – Ein Lied geht um die Welt. Zum 70. Todestag erschien eine neue, stark überarbeitete Ausgabe im Römerhof Verlag in Zürich.[5]


Film


1958 wurde Schmidts Leben mit dem Titel Ein Lied geht um die Welt (Die Joseph-Schmidt-Story) verfilmt. Die Hauptrolle spielte Hans Reiser.


Ehrungen


Nach Joseph Schmidt wurde 2004 die Musikschule im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick benannt. An deren Standort im Ortsteil Adlershof kann eine Ausstellung zum Leben und Wirken Schmidts besichtigt werden. Zum 100. Geburtstag des Sängers gab das Bundesfinanzministerium (Die Deutsche Post) am 11. März 2004 eine Briefmarke im Wert von 55 Cent heraus. Am 4. Juli 2007 wurde in Berlin eine Gedenktafel für Joseph Schmidt an der Nürnberger Straße 68 enthüllt, wo er bis 1933 wohnte. Dieses Nachkriegsgebäude wurde inzwischen allerdings abgerissen und die Tafel seitdem im Eingangsbereich der Musikschule präsentiert.

1977 wurde in der Berlin-Neuköllner High-Deck-Siedlung die Joseph-Schmidt-Straße und 1995 in Wien-Landstraße (3. Bezirk) der Joseph-Schmidt-Platz nach ihm benannt.

Seit dem 22. Januar 2008 erinnert der Asteroid (168321) Josephschmidt an den Sänger. Die Benennung erfolgte auf Anregung von Markus Griesser, dem Leiter der Sternwarte Eschenberg in Winterthur.


Kritik


„Joseph Schmidt besaß eine der schönsten lyrischen Tenorstimmen seiner Epoche. An sich war diese Stimme nur klein, doch ihre enorme Tonhöhe und ihr nuancenreicher, ausdrucksschöner Vortrag verdienen noch auf seinen zahlreichen Schallplatten höchste Bewunderung.“[6]


Diskografie



Austroton



Electrola



His Masters Voice



Odeon



Parlophon



Telefunken



Ultraphon



Posthum veröffentlichte Aufnahmen


Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurden Plattenaufnahmen von ihm international verkauft, und nach 1945 erschienen in vielen Ländern Europas und in der gesamten englischsprachigen Welt eine Vielzahl von Schallplatten und später auch CDs seiner Musik. Das Sammlerportal www.discogs.com führt 175 verschiedene Platten- und CD-Veröffentlichungen auf.[7] Die umfangreichste Veröffentlichung seines Gesamtwerks ist derzeit eine 2009 erschienene CD-Box mit dem Titel Joseph Schmidt: Ein Stern fällt vom Himmel - A Star Falls From Heaven der Documents-Serie von Membran Music (EAN Nr. 4011222327826, Order Nr. 232782). Sie umfasst auf 10 CDs 138 Stücke mit einer Gesamtdauer von 443 Minuten.


Filmografie



Literatur





Einzelnachweise


  1. Starsänger Joseph Schmidt flieht vor den Nazis in die Schweiz. Statt seiner Rettung findet er in einem Lager den Tod In: Neue Zürcher Zeitung vom 16. November 2022
  2. History of the Tenor: Joseph Schmidt (Memento des Originals vom 30. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/historyofthetenor.com.
  3. Jürgen Kesting Ausstellung „Verstummte Stimmen“ vom 22. Oktober – 30. November 2006 in der Hamburgischen Staatsoper, Verstummte Stimmen
  4. Stephan Stompor: Jüdisches Musik- und Theaterleben unter dem NS-Staat. Hrsg. v. Andor Izsák, Hannover 2001.
  5. Susanne Kübler: Kleiner Mann, grosse Stimme. In: Tages-Anzeiger vom 21. Februar 2013.
  6. Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Unvergängliche Stimmen. Kleines Sängerlexikon. Francke, Bern, 2. Aufl. 1966, S. 448.
  7. Joseph Schmidt. In: www.discogs.com. Abgerufen am 26. Oktober 2022 (englisch).
  8. http://oe1.orf.at/programm/431755 Hörbilder Spezial "Hier möchte ich schlafen. ORF Ö1, 28. März 2016.
Personendaten
NAME Schmidt, Joseph
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Opernsänger (lyrischer Tenor)
GEBURTSDATUM 4. März 1904
GEBURTSORT Dawideny, österreichisches Kronland Bukowina
STERBEDATUM 16. November 1942
STERBEORT Internierungslager Girenbad oberhalb von Hinwil, Kanton Zürich, Schweiz

На других языках


- [de] Joseph Schmidt (Sänger)

[en] Joseph Schmidt

Joseph Schmidt (4 March 1904 – 16 November 1942) was an Austro-Hungarian and Romanian[1][2][3] Jewish tenor and actor.

[ru] Шмидт, Йозеф

Йо́зеф Шмидт (нем. Joseph Schmidt; 4 марта 1904, Давидены, Австро-Венгрия — 16 ноября 1942, Гиренбад, Швейцария) — еврейский оперный и камерный певец (тенор), кантор, киноактёр.



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