Edita Gruberová (* 23. Dezember 1946 in Bratislava-Rača, Tschechoslowakei; † 18. Oktober 2021 in Zürich, Schweiz[1]) war eine slowakische Opernsängerin (Sopran). Sie zählte zu den führenden Koloratursopranistinnen, was ihr Beinamen wie „Königin der Koloratur“, „Hohepriesterin des Belcanto“ oder „slowakische Nachtigall“ eintrug.
Edita Gruberová (2008)
Leben
Edita Gruberová wuchs als Tochter einer ungarischen Mutter (Etelka) und eines deutschstämmigen Vaters (Gustav Gruber) mit der slowakischen Sprache auf. Ihre Familie gehörte zur dortigen ungarischen Minderheit. Schon bei Schulaufführungen fiel ihre Stimme auf, woraufhin der Pfarrer den Eltern eine professionelle musikalische Ausbildung der einzigen Tochter ans Herz legte. Edita Gruberová, die eigentlich Krankenschwester hatte werden wollen, begann ihr sechsjähriges Studium mit 15 Jahren am Konservatorium in Bratislava; ihre Gesangslehrerin war Mária Medvecká. Am 19.Februar 1968 hatte die 21-Jährige ihr Debüt in der Rolle der Rosina im Barbier von Sevilla in Bratislava, wo sie als Studentin bereits in Chorensembles mitgewirkt hatte. Sie absolvierte ihre ersten professionellen Bühnenauftritte in den Jahren 1968 bis 1971 in der Provinzstadt Banská Bystrica. Dort sang sie Eliza in My Fair Lady, Violetta in VerdisLa traviata sowie die vier Frauenrollen Olympia, Giulietta, Antonia und Stella in Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach.
Im Jahre 1970 hatte Gruberová ihr Debüt an der Wiener Staatsoper als Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte. Am 23.März 1971 floh sie aus der sozialistischen Tschechoslowakei und ging nach Wien, wo sie mit der Kammersängerin Ruthilde Boesch an der Vervollkommnung der Stimme und des Repertoires arbeitete. „Sie hat mich in der Technik unterrichtet, die ich heute beherrsche“, bestätigte Edita Gruberová in einem Interview über ihre Gesangslehrerin.[2] An der Wiener Staatsoper trat sie zunächst in kleinen Partien auf, wie als Modistin im Rosenkavalier, als Kate Pinkerton in Madame Butterfly, später auch als Zerbinetta in Ariadne auf Naxos, Konstanze in Die Entführung aus dem Serail, Olympia in Les Contes d’Hoffmann und Rosina in Il barbiere di Siviglia.
1986 wurde sie festes Ensemblemitglied am Opernhaus Zürich und Zollikon ihr Lebensmittelpunkt. Ihre beiden Töchter gingen in der Schweiz zur Schule und ihre Enkelkinder wohnen noch immer in der Schweiz.[3]
Edita Gruberová war Sonderbotschafterin der Schweizer Freunde der SOS-Kinderdörfer. Sie war bis zur Scheidung 1983 mit dem slowakischen Musiker Štefan Klimo († 1983) verheiratet. Längere Zeit war sie mit Friedrich Haider liiert,[4]A1 mit dem sie auch beruflich eng zusammenarbeitete.[5] So hatten beide 1992 ein Musiklabel gegründet, das Belcanto-Partien Gruberovás veröffentlichte.[6] Beide trennten sich 2007.[7]
Am 18. Oktober 2021 starb Gruberová mit 74 Jahren in ihrer Wahlheimat Zürich.
Karriere
Gruberovás internationale Karriere als Koloratursängerin, vor allem im Belcantofach, begann 1974, als sie als Königin der Nacht in der Zauberflöte bei den Festspielen in Glyndebourne und unter Herbert von Karajan in Salzburg[8] auftrat.
Weitere Meilensteine ihrer Karriere waren 1976 die Premiere von Ariadne auf Naxos unter Karl Böhm, als sie die Zerbinetta sang, eine Partie, in der sie in Wien zum hundertsten und letzten Mal am 6.Dezember 2009 auftrat, und 1978 als Lucia in Lucia di Lammermoor, die sie etwa 90 mal an der Staatsoper sang. Es folgten an der Wiener Staatsoper u.a. Premieren von Die Fledermaus (1979), Rigoletto (1983), Maria Stuarda (1985), Lucio Silla (1991), I puritani (1994), Linda di Chamounix (1997) und Roberto Devereux (2000).[9] Im Theater an der Wien folgte 2015 eine Premiere von La straniera.[10]
„Seit jenem Zeitpunkt wurde Edita Gruberová in Wien und auf der ganzen Welt zu einer vielgefragten Sängerin, der nachgesagt wird, dass keine Koloratur zu schwierig und keine Höhe zu hoch war. Ihre mühelosen hohen ‚f’s‘ als Königin der Nacht suchten ihresgleichen und machten Edita Gruberová zum Inbegriff des idealen Koloratursoprans.“[11]
Es folgten Auftritte an der Mailänder Scala,[12] am Royal Opera House[13] in London, der Pariser Oper (für zwei Konzerte mit Klavierbegleitung im Jahre 1980 bzw. 1990), der Bayerischen Staatsoper, der Wiener Staatsoper, dem Opernhaus Zürich (1986)[14] sowie zahlreichen anderen Häusern. Eine ihrer wichtigsten Rollen wurde Lucia di Lammermoor, deren Wahnsinnsarie sie teils auch mit dem für Verrophon und Flöte adaptierten originalen Glasharmonika-Part darbot. Ein weiterer Höhepunkt ihrer Karriere war der Auftritt im Oktober 1989 in La traviata unter der Leitung von Carlos Kleiber und der Regie von Franco Zeffirelli an der New Yorker Metropolitan Opera.[15] Letztmals trat sie in dieser Partie im Rahmen einer konzertanten Wiedergabe am 21.Dezember 2010 im Wiener Musikverein auf. Am 24.April und 1.Mai 2004 sang Gruberová erstmals im Festspielhaus Baden-Baden in der Rolle der Norma, am 22.Februar 2008 im Gran Teatre del Liceu in Barcelona als Lucrezia Borgia, am 5.Juli 2012 in der Philharmonie im Münchner Gasteig La straniera.
Edita Gruberová erwarb sich besondere Verdienste durch ihren Einsatz für selten gespielte – und im deutschsprachigen Bereich bis dahin auch nur wenig geschätzte – Opern Donizettis und Bellinis mit ihren außerordentlich anspruchsvollen weiblichen Hauptrollen, wie zum Beispiel Maria Stuarda, Beatrice di Tenda, La straniera, Anna Bolena, Roberto Devereux oder Linda di Chamounix. Dazu kamen zahlreiche CD-Aufnahmen unter ihrem Label Nightingale.
Am 27. März 2019 stand sie zum letzten Mal auf der Opernbühne: an der Bayerischen Staatsoper sang sie Königin Elisabetta in Donizettis Roberto Devereux in der Inszenierung von Christof Loy und erhielt dafür fünfzig Minuten Applaus.
Im September 2020 gab sie bekannt, dass ihre Karriere beendet sei.[16] Ihren letzten Liederabend gab sie am 20. Dezember 2019 in der Stadthalle Gersthofen.[17]
Eine umfangreiche Diskografie und eine hohe Anzahl diverser TV- und Videoaufzeichnungen dokumentieren das große musikalische Spektrum der Sängerin.
Auszeichnungen
Österreichische (1980) und bayerische (1989) Kammersängerin
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte, Idomeneo, Lucio Silla, Don Giovanni, Bastien und Bastienne, Die Entführung aus dem Serail (2×), Der Schauspieldirektor, Il sogno di Scipione, La finta giardiniera, Mitridate, re di Ponto
Vincenzo Bellini: Norma, Beatrice di Tenda, La sonnambula, I puritani, I Capuleti e i Montecchi, La Straniera
Gaetano Donizetti: Maria Stuarda (2×), Anna Bolena, Roberto Devereux, Lucia di Lammermoor (4×), Maria di Rohan, Linda di Chamounix, La fille du régiment, Lucrezia Borgia
Jacques Offenbach: Hoffmanns Erzählungen
Giuseppe Verdi: La traviata (3×), Un ballo in maschera, Rigoletto, Don Carlo
Gioacchino Rossini: Il barbiere di Siviglia, Semiramide
Joy to the World – Weihnachtskonzert (Christmas Recital)
Children’s Songs of the World
Mozart: Konzertarien (mehrfach)
French & Italian Operatic Arias
Berühmte Opernarien
Edita Gruberova: Virtuoso Arias
Edita Gruberova sings Verdi, Bellini, Donizetti
Edita Gruberova – The Tokyo Recital 1990
The Art of Gruberova
Wahnsinnsszenen
Donizetti Portraits
Donizettis Tudor Königinnen
The Queen of Belcanto (Edita Gruberova Edition Volume I)
ADAGIO. Zwischen Himmel und Erde (Edita Gruberova Edition Volume II)
Queen of Coloratura
Kunst der Koloratur
The Anniversary Concert
Ach, wir armen Primadonnen! Edita Gruberova Operetta Gala
Belcanto Duets – Edita Gruberova, Yoshikazu Mera
Le Donne di Puccini
Edita Gruberova – Arien, Lieder und Ensembles
Weitere Alben
Joseph Haydn: Die Schöpfung
Hans Werner Henze: Kantaten
Felix Mendelssohn Bartholdy: Lobgesang
Gustav Mahler: 4. Symphonie
Carl Orff: Carmina Burana
Rollen nur als Video/DVD-Aufnahmen
Wolfgang Amadeus Mozart: Così fan tutte
Jules Massenet: Manon
Richard Strauss: Arabella
Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem
Giuseppe Verdi: Rigoletto. 1983, als Gilda, mit L.Pavarotti als Herzog, in der Regie von Jean-Pierre Ponnelle
Giuseppe Verdi: La traviata. 1992/live (La Fenice Venedig), mit N.Shicoff als Alfredo, Dirigent Carlo Rizzi.
Literatur
Walter Herrmann, Adrian Hollaender: Legenden und Stars der Oper. Von Gigli über Callas bis Domingo und Netrebko. Graz 2007, ISBN 978-3-7011-7571-0.
Helena Matheopoulos: Diva. Leben und Rollen grosser Opernsängerinnen. Zürich / St. Gallen 1995, ISBN 3-7265-6033-5.
Niel Rishoi: Edita Gruberova. Ein Porträt. Mit Demo-CD und Diskografie. Zürich 1996, ISBN 3-254-00192-3.
Dieter David Scholz: Mythos Primadonna. 25 Diven widerlegen ein Klischee. Gespräche mit großen Sängerinnen. Parthas, Berlin 1999, ISBN 3-932529-60-X.
Markus Thiel: Edita Gruberova. Der Gesang ist mein Geschenk. Biografie. Kassel/Leipzig 2012, ISBN 978-3-89487-915-0 (Henschel).
Lexikaeinträge
Noël Goodwin: Gruberová, Edita. In: Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Opera. Band 2, London u. a. 1998, ISBN 0-333-73432-7, S. 555.
Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Jubiläums-Ausgabe. Unter Mitwirkung von Hansjörg Rost. Band 2. Bern/München 1999, ISBN 3-598-11419-2.
Hans Joachim Weber: Gruberová, Edita. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe. Personenteil Band 8 (Gri–Hil). Kassel/Stuttgart u.a. 2002, Sp. 114–115, ISBN 3-7618-1110-1 (Online-Ausgabe eingeschränkt nutzbar, für Vollzugriff Abonnement erforderlich).
Harald Haslmayr: Gruberová, Edita. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2003, ISBN 3-7001-3044-9.
Paul Suter:Edita Gruberova. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 758f.
Edita Gruberová im Bayerischen Musiker-Lexikon Online (BMLO)
Robert Fraunholzer:Zugabe – Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne. In: Rondo. Band2/2007, 2007 (rondomagazin.de[abgerufen am 8.März 2019]).
Der Film enthält viele Probenaufnahmen und Interviews, u.a. von Joachim Kaiser und Nikolaus Harnoncourt. Sein Schwerpunkt liegt in der persönlichen Vorbereitung auf das Debüt der über 60-Jährigen in der Titelrolle als Lucrezia Borgia 2008.
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