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Bernd Alois Zimmermann (eigentlich Alois Bernhard Zimmermann; * 20. März 1918 in Bliesheim, heute Erftstadt; † 10. August 1970 in Königsdorf, heute Frechen, bei Köln) war einer der herausragenden deutschen Komponisten der musikalischen Avantgarde, der in der Auseinandersetzung mit der Neuen Musik zu einem eigenen Stil fand. Sein bekanntestes Werk ist die Oper Die Soldaten.


Leben


Zimmermann wuchs im ländlich-katholischen Milieu der Eifel auf. Sein Vater war Beamter bei der Reichsbahn und betrieb im Nebenerwerb Landwirtschaft. Ab 1929 besuchte Bernd Alois Zimmermann die katholische Privatschule im Kloster Steinfeld,[1] wo er sich erstmals systematisch mit Musik auseinandersetzte und den Grundstein für seine enorme literarische Bildung legte. Als 1936 die Privatschulen in Deutschland von den Nationalsozialisten geschlossen wurden, wechselte Zimmermann auf ein staatliches katholisches Gymnasium in Köln, wo er 1937 das Abitur ablegte. Im selben Jahr leistete er den Reichsarbeitsdienst ab und schrieb sich zum Wintersemester 1937/38 an der Hochschule für Lehrerausbildung in Bonn ein.

Eigentlich wollte Zimmermann Theologie studieren, begann aber dann im Wintersemester 1938/39 das Studium der Schulmusik, Musikwissenschaft und Komposition an der Hochschule für Musik Köln. 1940 erfolgte die Einberufung zur Wehrmacht, aus der er im Herbst 1942 wegen einer schweren Hautkrankheit aufgrund einer Kampfmittelvergiftung entlassen wurde. Er nahm das Studium wieder auf, dessen Abschluss sich durch Kriegsende und Nachkriegswirren bis 1947 verzögerte. Bereits seit 1946 war Zimmermann als freischaffender Komponist tätig, überwiegend für den Rundfunk. Von 1948 bis 1950 nahm er an den Kranichsteiner/Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil, unter anderem bei René Leibowitz und Wolfgang Fortner, und arbeitete 1950–1952 als Lektor für Musiktheorie am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität zu Köln. In dieser Zeit entstehen mehrere seiner Werke, so das Konzert für Violine und großes Orchester, das Konzert für Oboe und kleines Orchester, das Konzert für Violoncello und kleines Orchester, mehrere Trompetenkonzerte und das Konzert Perspektiven für zwei Klaviere.

1957 wurde Zimmermann als erster Komponist Stipendiat der nach 1945 wiedereröffneten Deutschen Akademie Villa Massimo Rom[2] und 1958 als Nachfolger von Frank Martin Professur für Komposition der Kölner Musikhochschule, wo er das Seminar für Bühnen-, Film- und Rundfunkmusik begründete. In den 1960er Jahren etablierte er sich als erfolgreicher Komponist mit der Antikriegsoper Die Soldaten. Er wurde 1960 mit dem Großen Kunstpreis von Nordrhein-Westfalen und 1966 mit dem Kunstpreis der Stadt Köln geehrt. 1964 erhielt er ein zweites Stipendium für die Villa Massimo und wurde 1965 Mitglied der Berliner Akademie der Künste. Am 15. Februar 1965 erfolgte nach langem harten Ringen die Uraufführung der Oper Die Soldaten nach einem Drama vom Jakob Michael Reinhold Lenz. Einen Ruf als Kompositionsprofessor an die Berliner Hochschule der Künste lehnte er 1968 ab. 1969 wurde er mit dem Berliner Kunstpreis ausgezeichnet.

Bernd Alois Zimmermann war mit Sabine von Schablowsky verheiratet, aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

Im Jahre 1967 legte er die Komposition Tratto und das Requiem für einen jungen Dichter vor. Diese Zeit war von Depressionen sowie der Verstärkung seines Augenleidens gekennzeichnet und erschwerte ihm immer mehr das gewohnte Arbeiten mit der Musik. 1970 begann er an einem Requiem Totenmesse zu arbeiten. Immer länger anhaltende depressive Tendenzen führten zu einer psychischen Krise, hinzu kam das sich schnell verschlimmernde, inoperable Augenleiden. Seine Feststellung „Ich kann nicht mehr komponieren!“ war wie ein Aufschrei in auswegloser Lage. Am 10. August 1970 nahm sich der Komponist das Leben. Er wurde auf dem Friedhof Königsdorf-Süd beigesetzt.


Werk


Zimmermann war ein Komponist zwischen den Epochen: Er war zu jung, um von den musikalischen Ereignissen der Weimarer Republik entscheidend geprägt zu sein, gleichzeitig aber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu alt, um die ablehnende Haltung der jungen Generation den Komponisten der Weimarer Republik gegenüber mitzutragen. Dies führte zu einem ausgesprochen eigenständigen Werkstil, der vom Konzept „pluralistischen“ Komponierens und der Anwendung von Collagetechniken geprägt war.[3]

In seiner kompositorischen Entwicklung vollzog Zimmermann zunächst die Entwicklung der Neuen Musik nach, von der die deutschen Komponisten während der Zeit des Nationalsozialismus zum großen Teil abgeschnitten waren. Er begann mit Werken im neoklassizistischen Stil, gelangte dann durch die Eindrücke bei den Darmstädter Ferienkursen über freie Atonalität (ab 1949) und Dodekaphonie (ab 1951) zur seriellen Musik (ab 1956). Auch seine Vorliebe für den Jazz kommt in mehreren Kompositionen zum Ausdruck, etwa im Violinkonzert von 1950 und im Trompetenkonzert von 1954 sowie in seiner Oper Die Soldaten. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, schrieb bzw. arrangierte Zimmermann Hörspiel- und Filmmusik, so etwa im Jahr 1956 zu Sintflut und Asche, einem Kurzfilm über Kriegszerstörung und Wiederaufbau. Bei einer Aufführung des Films im Rahmen der Deutschen Architektur-Ausstellung in Buenos Aires wurde Kritik an der Musik laut, die über den Deutschen Botschafter und das Außenministerium zu dem dort zuständigen Franz Rowas drang. Er setzte den Regisseur des Films unter Druck, dieser musste die Musik gegen Bachsche Choralmusik austauschen, mit der der Film – zumindest im Ausland – weiter aufgeführt wurde.[4]

Im Unterschied zu den Vertretern der so genannten Darmstädter Schule (Stockhausen, Boulez, Nono u. a.) vollzog Zimmermann keinen radikalen Bruch mit der Tradition. Ende der 1950er Jahre entwickelte er den für ihn typischen persönlichen Komponierstil, die pluralistische Klangkomposition, die geprägt ist durch die Kombination und Überlagerung von Schichten musikalischen Materials aus unterschiedlichen Zeiten und von unterschiedlicher Herkunft (Musik des Mittelalters über Barock und Klassik bis zu Jazz und Popsongs, etwa der Beatles). Das reicht von der Einbettung einzelner musikalischer Zitate in eine Komposition (etwa im Orchesterstück Photoptosis) bis hin zu einem Stück, das gänzlich als Collage konzipiert ist (Musique pour les soupers du Roi Ubu). In Vokalwerken (besonders prägnant im Requiem) wird das Verfahren auch auf den Text angewendet.

Zimmermanns Kunst liegt ein besonderer Zeitbegriff zugrunde:

„Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind, wie wir wissen, lediglich an ihrer Erscheinung als kosmische Zeit an den Vorgang der Sukzession gebunden. In unserer geistigen Wirklichkeit existiert diese Sukzession jedoch nicht, was eine realere Wirklichkeit besitzt als die uns wohlvertraute Uhr, die ja im Grunde nichts anderes anzeigt, als dass es keine Gegenwart im strengeren Sinne gibt. Die Zeit biegt sich zu einer Kugelgestalt zusammen. Aus dieser Vorstellung […] habe ich meine […] pluralistische Kompositionstechnik entwickelt, die der Vielschichtigkeit unserer Wirklichkeit Rechnung trägt.“[5]

In Zimmermanns einziger Oper Die Soldaten wird diese Gleichzeitigkeit der Ereignisse durch komplexe Simultanszenen ausgedrückt, die durch multimediale Techniken zusätzlich vertieft und sinnhaft aufgeladen werden: Musik, Dramatik, Ballett, Pantomime und Film werden ineinander verzahnt. Dazu kommt zugleich ein Pluralismus der verwendeten Stile: Zimmermann fügt eine Vielzahl musikalischer Zitate aus verschiedenen musikgeschichtlichen Epochen in seine Partitur ein und lässt im 2. und 4. Akt zusätzlich eine Jazz-Combo auftreten. Strukturell zusammengehalten wird all dies durch eine übergeordnete Allintervallreihe. Die Oper erlebte 1965 in Köln unter dem Dirigenten Michael Gielen ihre erfolgreiche Uraufführung, nachdem sie mehrfach (u. a. von Wolfgang Sawallisch) wegen enormer personeller und musikalischer Anforderungen als „unspielbar“ abgelehnt worden war. Eine Neueinstudierung 1969 in München unter der Mitwirkung Zimmermanns, wieder unter der musikalischen Leitung Gielens, wurde ein überwältigender Erfolg.

Zimmermann war ein betont literarischer und betont politischer Komponist. Eine Vielzahl seiner Werke beruht auf Werken der Literatur oder setzt sich mit diesen auseinander. Seine Oper Die Soldaten nimmt das Schauspiel von Jakob Michael Reinhold Lenz zur Vorlage, seine Musique pour les soupers de Roi Ubu ist eine imaginäre Ballettmusik für das Schauspiel König Ubu von Alfred Jarry. Im Requiem für einen jungen Dichter verwendet Zimmermann Texte von Dichtern, die freiwillig aus dem Leben schieden: Jessenin, Majakowski und Konrad Bayer. Das Ankomponieren Zimmermanns gegen Unrecht und Unterdrückung wird besonders deutlich in der musikalisch expressiven Darstellung der gnadenlosen Zerstörung eines Menschenlebens in Die Soldaten und in dem gegen Rassismus in den USA gerichteten Trompetenkonzert Nobody knows de trouble I see, in dem Zimmermann afroamerikanische Musik verwendet (Spirituals und Jazz). In Zimmermanns Requiem für einen jungen Dichter geht es um die gesellschaftliche Situation zwischen 1920 und 1970, die unter anderem durch Originalausschnitte aus Reden Adolf Hitlers, Zitaten aus dem Grundgesetz und dem Roten Buch Mao Zedongs nähergebracht wird.

Einfluss auf Zimmermanns Denken und Wirken hatten auch sein Sinn für Religion und seine katholische Erziehung. Sichtbares Zeichen ist die Buchstabenfolge, die Zimmermann ans Ende jeder Partitur setzte: O.A.M.D.G. (Omnia ad maiorem Dei gloriam = Alles zur größeren Ehre Gottes).[6] Eine Reihe von Werken Zimmermanns nimmt direkt oder indirekt Bezug auf Religion und Liturgie, u. a. Antiphonen, Omnia tempus habent und Ekklesiastische Aktion. Dennoch ist vielen Werken Zimmermanns ein tiefgreifender Pessimismus zu eigen. Im Zentrum des Requiems für einen jungen Dichter stehen die Verse des Dichters Konrad Bayer worauf hoffen? / es gibt nichts was zu erreichen wäre, außer dem tod.[7]


Schüler



Werke



Hörspielmusik



Schriften



Literatur



Tonträger (Auswahl)



Film





Einzelnachweise


  1. Günter Zumbé: Im Kloster die Welt der Klänge entdeckt. Kölner Stadt-Anzeiger, 25. Januar 2003, abgerufen am 19. Dezember 2021 (deutsch).
  2. Sabine Ehrmann-Herfort/Adrian Kuhl/Matthias Pasdzierny/Dörte Schmidt (Hg.): "Man müßte nach Rom gehen". Bernd Alois Zimmermann und Italien. In: DHI rom. Analecta musicologica, 2020, abgerufen am 23. Dezember 2020.
  3. 20.3. Bernd Alois Zimmermann: 95. Geburtstag. (Memento vom 5. Juli 2014 im Internet Archive) Online Merker; abgerufen am 15. Juli 2014
  4. Heribert Henrich, Bernd Alois Zimmermann, Werkverzeichnis, Berlin und Mainz 2013, S. 788
  5. 1968. Zitiert nach: Harenberg Komponistenlexikon. Mannheim 2004, S. 1048
  6. Bernd Alois Zimmermann. UbuWeb Sound; abgerufen am 15. Juli 2014
  7. Worauf hoffen?: Im „Requiem für einen jungen Dichter“ von Bernd Alois Zimmermann treffen Tristan und Isolde auf die Beatles, Kurt Schwitters verschmilzt mit Beethoven. In: Die Zeit. Nr. 12/2007.
  8. Klassika: Harald Banter (geb. 1930): Lebenslauf. Abgerufen am 26. Juni 2021.
  9. Jörn Peter Hiekel: Bernd Alois Zimmermann. in: MGG Online.
  10. CD Wergo 2001
  11. Andrew Oster: Radio, rubble, and reconstruction: The genre of 'Funkoper' in postwar occupied Germany and the German Federal Republic, 1946–1957. Dissertation, November 2010 (engl.). ProQuest, Ann Arbor 2010, S. 113
  12. CD Wergo 2001
  13. CD Musicaphon 2004
  14. Hans Vogt: Neue Musik seit 1945. Reclam, Stuttgart 1972, S. 361.
  15. Hermann Beyer, Siegfried Mauser (Hrsg.): Zeitphilosophie und Klanggestalt. Untersuchungen zum Werk Bernd Alois Zimmermanns. Schott 1986, ISBN 3-7957-1795-7, S. 113 und S. 143. Daten lt. Wulf Konold: Bernd Alois Zimmermann. DuMont, Köln 1986, S. 53 und S. 191.
  16. Elektronische Musik aus Köln
  17. Vgl. Kai Lothwesen: Strategien einer Synthese. Anmerkungen zum Jazzverständnid der Neuen Musik. In: Beiträge zur Popularmusikforschung 27/28, S. 142 (researchgate.net PDF).
  18. https://de.schott-music.com/shop/tratto-ii-no157078.html
  19. Rezension von Ralph Paland auf info-netz-musik, 1. Juni 2014; abgerufen am 15. September 2014.
  20. Mönch und Dionysos. Der Komponist Bernd Alois Zimmermann. (Memento vom 25. Juli 2014 im Internet Archive) WDR, abgerufen am 15. Juli 2014
Personendaten
NAME Zimmermann, Bernd Alois
ALTERNATIVNAMEN Zimmermann, Bernhard Alois
KURZBESCHREIBUNG deutscher Komponist
GEBURTSDATUM 20. März 1918
GEBURTSORT Bliesheim
STERBEDATUM 10. August 1970
STERBEORT Frechen-Königsdorf

На других языках


- [de] Bernd Alois Zimmermann

[en] Bernd Alois Zimmermann

Bernd Alois Zimmermann (20 March 1918 – 10 August 1970) was a German composer. He is perhaps best known for his opera Die Soldaten, which is regarded as one of the most important German operas of the 20th century, after those of Berg.[1] As a result of his individual style, it is hard to label his music as avant-garde, serial or postmodern. His music employs a wide range of methods including the twelve-tone row and musical quotation.

[es] Bernd Alois Zimmermann

Bernd Alois Zimmermann (Bliesheim, cerca de Colonia; 20 de marzo de 1918-Königsdorf, 10 de agosto de 1970) fue un compositor alemán.

[ru] Циммерман, Бернд Алоис

Бернд Алоис Ци́ммерма́н (нем. Bernd Alois Zimmermann; 20 марта 1918, Эрфтштадт — 10 августа 1970, Фрехен) — немецкий композитор и музыковед.



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