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Reiner Bredemeyer (* 2. Februar 1929 in Vélez, Kolumbien; † 5. Dezember 1995 in Berlin) war ein deutscher Komponist mit einem Œuvre von mehr als 600 Kompositionen. Er war dreißig Jahre Musikalischer Leiter des Deutschen Theaters Berlin und wurde zu einem der bedeutendsten Theaterkomponisten der DDR.[1] Von 1988 bis 1991 war er Professor und Leiter einer Meisterklasse für Komposition an der Akademie der Künste in Berlin.

Reiner Bredemeyer (1987)
Reiner Bredemeyer (1987)

Durch das Orchesterwerk Bagatellen für B. (1970) sowie seine Opern erlangte er Bekanntheit im deutschsprachigen Raum. Er komponierte die Musik zu preisgekrönten Filmen wie dem Spielfilm Die Frau und der Fremde (1985), der bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin den Goldenen Bär erhielt. Für seine Verdienste wurde er u. a. mit dem Kunstpreis, dem Nationalpreis und der Ehrennadel des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR ausgezeichnet.


Leben


Reiner Bredemeyer wurde am 2. Februar 1929 in einer deutschen Familie im kolumbianischen Vélez geboren. Sein Vater war Bauingenieur und arbeitete für eine deutsche Baufirma. Im Jahr 1931 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Bredemeyer besuchte die Volks- und Realschule in Breslau. In der niederschlesischen Hauptstadt wurde er erstmals am Klavier und der Violine ausgebildet. Bredemeyer wurde 1944 als Soldat zur Wehrmacht einberufen und geriet 1945 in Bayern in amerikanische Kriegsgefangenschaft.[2]

Im Jahr 1946 begegnete er dem Komponisten Karl Amadeus Hartmann und besuchte erstmals die von ihm veranstaltete Konzertreihe für Neue Musik musica viva in München. Hartmann führte ihn in die Werke von Igor Strawinsky, Béla Bartók, Anton Webern, Edgar Varèse, Charles Ives und Erik Satie ein.[2] Später bezeichnete ihn Bredemeyer als wichtigsten Bezugspunkt in München. Bredemeyer besuchte eine Schule in Fürth und legte 1948 sein Abitur am Maria-Theresia-Gymnasium in München-Giesing ab. Von 1949 bis 1953 studierte er Komposition bei Karl Höller an der Münchner Akademie für Tonkunst. Ferner besuchte er die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt.[3]

Im Jahr 1954 machte er Bekanntschaft mit Paul Dessau, der ihn zum Aufbaustudium in der DDR bewegte. Damit gehörte er zu den wenigen BRD-Künstlern,[4] die sich bewusst für den sozialistischen Weg entschieden.[5] Enttäuscht von der Adenauer-Regierung siedelte er nach Ost-Berlin und wurde fortan von Dessau betreut. Beide arbeiteten teilweise zusammen und pflegten ein freundschaftliches Verhältnis. Auf Vermittlung Dessaus wurde er von 1954 bis 1957 erster Meisterschüler bei Rudolf Wagner-Régeny an der Deutschen Akademie der Künste. Sein Meisterlehrer hatte allerdings zeitlebens ein ambivalentes Verhältnis zu ihm. Er konstatierte:[6]

„Begabung und handwerkliches Können sind zweifellos vorhanden. Aber in seiner musikalischen Ausdrucksweise wie in der allgemeinen geistigen Haltung zeigte sich eine gewisse Verworrenheit, die leider noch nicht sicher voraussehen lässt, ob er in einer weiteren Entwicklung zu klaren, positiven Leistungen gelangen wird.“

Bredemeyers musikalisches Vorbild Hanns Eisler urteilte anfangs in einem internen Brief nicht gerade optimistisch:[7]

„Leider sind die Arbeiten Bredemeyers auch besonders langweilig.“

In erster Linie stießen Bredemeyers serielle Kompositionen auf wenig Verständnis.[8] Die Schwierigkeiten Bredemeyers mit den etablierten ostdeutschen Komponisten blieben. Noch 1979 beklagte er sich darüber, dass der Komponistenverband ihn mit 50 Jahren als noch „jungen Komponisten“ abtat. Beispielhaft dafür sind das Ausbleiben von Tonträgern mit Konzertmusik. Vielmehr musste er sich mit Hörspiel-, Film- und Schauspielmusiken begnügen.[9]

Neben seinem Aufbaustudium lehrte er bis 1956 an der Staatlichen Schauspielschule Berlin. Von 1957 bis 1960 war er Musikalischer Leiter am Theater der Freundschaft, dem ersten Kinder- und Jugendtheater der DDR, und von 1961 bis 1994 am Deutschen Theater Berlin. In dieser Zeit arbeitete er mit den Regisseuren Benno Besson, Wolfgang Heinz, Adolf Dresen und Friedo Solter und Horst Sagert zusammen.

Von 1977 bis 1989 wurde er in den Zentralvorstand des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR gewählt. 1978 nahm man ihn als ordentliches Mitglied in die Akademie der Künste auf, wo er eine Meisterklasse leitete. Im Jahr 1988 ernannte man ihn zum außerordentlichen Professor für Komposition (bis 1991). Darüber hinaus nahm er regelmäßig als Dozent an den Geraer Ferienkursen für zeitgenössische Musik teil.[10]

Seit der politischen Wende geriet sein Werk in Vergessenheit. Zuletzt lebte er in Berlin-Müggelheim.[11][12] Im Alter von 66 Jahren starb Reiner Bredemeyer nach schwerer Krankheit in Berlin. Er wurde auf dem Friedhof Pankow III beigesetzt.


Familie


Reiner Bredemeyer war mit der promovierten Musikwissenschaftlerin Ute Bredemeyer-Wollny verheiratet. Sie ist Geschäftsführerin der Stiftung Preußische Seehandlung und war Vorsitzende der Internationalen Wilhelm-Müller-Gesellschaft.

Sein Sohn Bert Bredemeyer (* 1955) arbeitet als Regisseur.


Bedeutung


Reiner Bredemeyer komponierte über 600 Werke aller Genres. Durch seine extensive Arbeit für das Deutsche Theater avancierte er nach Hanns Eisler und Paul Dessau zum bedeutendsten Theaterkomponisten der DDR.[13] Er komponierte vier Bühnenwerke, eines davon die Oper Candide. Die Uraufführung fand 1986 im Landestheater Halle unter Christian Kluttig (Dirigent) und Andreas Baumann (Regisseur) statt. Folgende Aufführungen gab es im Staatsschauspiel Dresden und anlässlich der DDR-Musikwerkstatt-Tage. Die Oper ist als gesellschaftskritisches Werk anzusehen.[14] Eine andere seiner Opern ist Der Neinsager (1990) nach Bertolt Brecht.

Seine Vorliebe für textgebundene Stücke und die intensive Auseinandersetzung mit dem Dichter Wilhelm Müller führte zu den vielbeachteten Liederzyklen Die Winterreise (1984) und Die schöne Müllerin (1986).

Bekanntheit erlangte Bredemeyer vor allem auch durch seine Bagatellen für B. (1970) für Klavier und Orchester. Seit den 1970er Jahren arbeitete er mit der Gruppe Neue Musik Hanns Eisler um Burkhard Glaetzner und Friedrich Schenker zusammen. Viele seiner Instrumentalwerke wurden durch auf zeitgenössische Musik spezialisierte Kammerensembles aufgeführt, u. a. dem Ensemble intercontemporain, dem Ensemble Modern, dem Kammerensemble Neue Musik Berlin und dem Ensemble Sortisatio.

Als Filmkomponist schuf er die Musik zu etlichen Spiel- und Dokumentarfilmen wie den preisgekrönten Filmen Krieg der Mumien (1973/74), Busch singt – Sechs Filme über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (1981/82), Die Frau und der Fremde (1984) und Treffen in Travers (1990). Außerdem komponierte er über 100 Hörspielmusiken.


Tonsprache


Zusammen mit Friedrich Goldmann, Georg Katzer und Friedrich Schenker gehört Bredemeyer zu der Komponistengeneration, die sich vom Sozialistischen Realismus lösend, an der westlichen Avantgarde orientierte.[15] Er sah zu international wegweisenden Komponisten wie John Cage und Morton Feldman auf.

Bredemeyer wurde schon früh durch die Musik von Anton Webern und Igor Stravinsky beeinflusst. Der Musikwissenschaftler Frank Schneider charakterisierte seine Kompositionen als „ohne große Töne“ und „unprätentiös“.[16]

Bredemeyers einzige Sinfonie entstand 1974 in kammermusikalischer Besetzung als Gegenpart zu Goldmanns 1. Sinfonie für die Gruppe Neue Musik Hanns Eisler.[17] Zum 200. Geburtstag von Ludwig van Beethoven komponierte er das postmoderne Werk Bagatellen für B.[18]

Der Schweizer Musikwissenschaftler Jürg Stenzl resümierte in einem FAZ-Kommentar:[2]

„Mit Schärfe und Pfiff, ganz undeutsch witzig und heiter, frech und genau wie Villon und Heine, die er wie Arno Schmidt liebte, hat sich der Komponist Reiner Bredemeyer mit seiner Musik überall eingemischt, hat gerade dann Einspruch erhoben, wenn für ihn selbst nichts zu holen war.“

Zwei seiner Schüler sind Juro Mětšk (1980–1983) und Wolf-Günter Leidel (1983–1985).


Auszeichnungen und Mitgliedschaften



Nachlass


Ein Teilnachlass von Reiner Bredemeyer – enthaltend 59 Kompositionsautographe – wird in der Musikabteilung der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (Signatur: Mus.14443-…) aufbewahrt.


Werke



Kompositionen



Diskografie (Auswahl)



Schriften



Literatur



Monographie



Sammelbände



Aufsätze und Einzelstudien



Interviews und Gespräche




Commons: Reiner Bredemeyer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Gerhard Müller: Ein Diogenes. In: Neues Deutschland, 2. Februar 2009.
  2. Jürg Stenzl: Standhaft und frech Einspruch erhoben. In: FAZ, 7. Dezember 1995.
  3. Fred K. Prieberg: Musik im anderen Deutschland. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1968, S. 305.
  4. 1953 übersiedelte der Liedermacher Wolf Biermann in die DDR.
  5. Eleonore Buening: Servus, Franzl! In: Die Zeit, Nr. 2/1997.
  6. Vgl. Noeske 2007, S. 45.
  7. Vgl. Noeske 2007, S. 46.
  8. Matthias Tischer: Musik in der DDR. Beiträge zu den Musikverhältnissen eines verschwundenen Staates. Ernst Kuhn, Berlin 2005, ISBN 3-936637-05-9, S. 191.
  9. Vgl. Noeske 2007, S. 47.
  10. Hanns-Werner Heister: In einer DDR-Nische – 10 Jahre Ferienkurse für zeitgenössische Musik in Gera. In: Ulrich Dibelius (Hrsg.): Neue Musik im geteilten Deutschland. Band 4: Dokumente aus den achtziger Jahren. Henschel, Berlin 1999, ISBN 3-89487-316-7, S. 21.
  11. Er lebte in direkter Nachbarschaft zum Flötisten Werner Tast und Grafiker Ingo Arnold.
  12. Gerhard Müller: Er konnte alles, außer nach Noten schwindeln. In: Neues Deutschland, 8. Dezember 1995.
  13. Gerhard Müller: Interview mit Reiner Bredemeyer. In: Weimarer Beiträge, 26, 1980, Heft. 10, S. 158–167.
  14. Nina Noeske: Die beste aller möglichen Welten. Bredemeyers „Candide“ (1981/82). In: Michael Berg, Albrecht von Massow, Nina Noeske (Hrsg.): Zwischen Macht und Freiheit. Neue Musik in der DDR. Böhlau Verlag, Weimar 2004, ISBN 3-412-10804-9, S. 141–155, auf S. 142 ff.
  15. so nah – so fern. Deutschlandradio; abgerufen am 10. Januar 2010.
  16. Dietrich Brennecke, Hannelore Gerlach, Mathias Hansen (Hrsg.): Musiker in unserer Zeit. Mitglieder der Sektion Musik der Akademie der Künste der DDR. Leipzig 1979, S. 272.
  17. Noeske 2007, S. 263 ff.
  18. Michael Berg: Restriktive Ästhetik als kreative Chance. In: Michael Berg, Knut Holtsträter, Albrecht von Massow (Hrsg.): Die unerträgliche Leichtigkeit der Kunst. Ästhetisches und politisches Handeln in der DDR. Böhlau Verlag, Köln 2007, ISBN 3-412-00906-7, S. 177–191, auf S. 190.
  19. Der Krieg der Mumien (Memento vom 7. September 2012 im Webarchiv archive.today) bei: Progress Film-Verleih
  20. Dietrich Herfurth: Der Nationalpreis der DDR. Berlin 2006, S. 83.
  21. Preis der Kritik. In: Neue Zeit, 6. März 1990, Jg. 46, Ausgabe 55, S. 4.
  22. Treffen in Travers (Memento vom 11. Februar 2013 im Webarchiv archive.today) bei: Progress Film-Verleih
Personendaten
NAME Bredemeyer, Reiner
ALTERNATIVNAMEN Bredemeyer, Rainer
KURZBESCHREIBUNG deutscher Komponist
GEBURTSDATUM 2. Februar 1929
GEBURTSORT Vélez, Kolumbien
STERBEDATUM 5. Dezember 1995
STERBEORT Berlin

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- [de] Reiner Bredemeyer

[en] Reiner Bredemeyer

Reiner Bredemeyer (2 January 1929 − 5 December 1995)[1] was a German composer. He was born in Vélez, Santander and went to school in Breslau. In 1944 he was drafted into military service and was briefly held as a prisoner of war of the American Army in Bavaria. After the end of World War II, he met composer Karl Amadeus Hartmann who introduced him to the music of Igor Stravinsky, Béla Bartók, Anton Webern, Edgard Varèse, Charles Ives and Erik Satie. From 1949 to 1953 he studied composition with Karl Höller at the Munich Academy for Musical Arts. In 1954 Paul Dessau took him to East Germany, where Bredemeyer became a master student of Rudolf Wagner-Régeny at the DDR Academy of Arts, Berlin.



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